Kapitel 6

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Nachdem meine Mutter weg gefahren ist, packe ich weiter meine Sachen aus. Alle Kleidungsstücke sind gleichmäßig angeordnet oder in einem Kleiderschrank hinten im Raum aufgehängt. In dem Badezimmer finde ich eine Schublade, die für mich bestimmt ist, dank einer gelben Haftnotiz mit einer kurzen Information: "Schublade zur verfügung". Eines ist sicher: Derjenige, der es geschrieben hat, macht sich keine Sorgen um Kleinigkeiten. Also landen alle meine Kosmetik Sachen in der Schublade, was nicht viel ist, aber sie nehmen einen großen Teil davon ein. Dann verbreite ich im Raum die Bücher auf dem Bücherregal, das an der Wand links von der Tür steht. Andere Gegenstände meines persönlichen Gebrauchs finden auf einem Schreibtisch oder in anderen Regalen Platz. Erst wenn ich die Koffer unter das Bett schiebe, greife ich nach meinem Handy. Die Uhrzeit 16.10 wird angezeigt. Ich erinnere mich, dass meine beste Freundin Amber mich gebeten hat, zurückzurufen. Also zögere ich keine Minute länger und wähle ihre Nummer.

Ich beende das Gespräch nach einer Stunde. Ich hatte recht Natürlich war es ein Problem mit dem Jungen. Amber sagte auch, dass sie mich wahrscheinlich in der Oktoberpause besuchen würde. Ich freue mich sehr, sie bald zu sehen. Wir haben uns anderthalb Monate nicht gesehen und ich habe den Eindruck, dass wir uns im Laufe der Zeit voneinander entfernen. Der Verlust von Rosie vertiefte nur diese Spaltung zwischen uns. Ich freue mich auf dieses Treffen und möchte ihr alle Ecken von Los Angeles zeigen, obwohl ich selber noch nicht die Zeit dazu hatte, die Stadt selber zu erkunden. Ich denke jedoch, dass ich bis Oktober die Stadt der Engel so gut kennenlernen werde, dass ich Amber als Führerin dienen kann.

Die Hitze hat ein bisschen nachgelassen, deshalb entscheide ich mich für eine Campus-Tour. Tasche, Schlüssel und ich verlasse die Wohnung. Anstatt den Aufzug zu nehmen, gehe ich die Treppe hinunter und besuche alle Ecken des Gebäudes. Ich habe Treppen immer gemocht. Mein Vater sagt mir oft, dass es komisch sei, zu Fuß zu gehen, wenn es einen Aufzug gibt, aber ich mag es, den Beton unter meinen Füßen zu spüren. Und außerdem - warum warten, was weiß ich, wie viele Minuten für den Aufzug, wenn man mit wenig Aufwand ins Erdgeschoss gelangen kann? Und weil ich gerne jogge und sport betreibe, empfinde ich es normalerweise als Aufwärmen.

Nach dem Verlassen des Gebäudes lande ich sofort auf dem Parkplatz. Der Platz, an dem meine Mutter geparkt hat, ist jetzt von einem riesigen roten Roadster besetzt. Ich gehe um das Gebäude herum und stoße auf eine der vielen Campusgassen. Ich schaue eine Gruppe von Studenten an, die im Gras sitzen, und frage mich, ob ich hier Freunde finden kann. Darüber mache ich mir jetzt Sorgen, denn auch wenn ich eher ein Einzelgänger bin, bin ich gern unter Menschen. Die Aussicht, dieses Jahr alleine zu verbringen, macht mir Angst.

Als ich durch die Gassen des Campus laufe, bemerke ich das Starbucks-Café in der Nähe. Ich fühle fast greifbare Erleichterung. Dieses Cafe vermittelt mir den Eindruck, zu Hause zu sein. Amber und Rosie machten sich oft über mich lustig und sagten, dass ich am Ende mit Kaffee statt Blut in meinen Adern enden würde, wenn ich mich nicht verändert hätte. Diese Erinnerung bringt mich zum Lächeln. Ich habe mich jedoch geirrt, als ich dachte, dass die Hitze nachgelassen hat. Der Wind hörte auf und ich fühle mich langsam durstig.

Ich schiebe die Glastür auf und gehe hinein. Auch hier funktioniert die Klimaanlage an heißen Tagen sehr gut. Ich nähere mich der Theke und wundere mich über die geringe Anzahl von Kunden.
- Guten Morgen - sage ich mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht . - Ich hätte gerne ein gefrorenes Karamell-Macchiato.
- Welche Größe?
- Groß
- Wie heißt du?
- Lili
Das Mädchen an der Kasse nickt und schreibt meinen Namen auf den Plasik Becher. Ich bezahle und gehe dann paar Schritte weiter, um den Kaffee abzuholen. Einen Moment später erhalte ich meine Bestellung. Ich gehe mit ihm zu dem kleinen Tisch, den ich gleich am Eingang bemerkt habe, als mich plötzlich jemand mit aller Kraft schubst. Aus meiner  Kaffeetasse, die ich nicht fest genug halten konnte, ergoss sich die Hälfte des Inhalts über den Jungen, der an dem Tisch neben mir saß.

Bad Boys, nur etwas andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt