Einsame Fußspuren

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Aus den unteren Stockwerken drangen leise die Geräusche der Feierlichkeiten an mein Ohr, sowie ein Paar näher kommender Füße. Weshalb ich mich schnell von der Zimmertür entfernte, hinter der ich Sebastian zurückgelassen hatte. Nur einen Augenblick später kam Mr. Brown – der Eigentümer der British-Private-Bank um die Ecke.

„Ahhh. Mr. Moriarty. Wir haben uns schon Sorgen um Sie gemacht. - Was treiben Sie denn hier so alleine?", fragte Mr. Brown mit schwerer Zunge und eine nach Whiskey riechende Wolke schlug mir hart ins Gesicht. - Bei Sebastian kam mir der Alkohol weniger hart vor.

„Ich hatte noch ein Angelegenheit zu klären. - Ein Telefonat mit Russland.", antworte ich und hoffte, keine weiteren Fragen bezüglich meiner Abwesenheit zu bekommen.

„Zu Weihnachten?"

„In Russland ist heute kein Weihnachten, erst im Januar."

„Achso, stimmt ja... Wie auch immer. Mein Guter,", bei seinen letzten Worten, legte er überschwänglich seinen Arm um meine Schultern und drückte mich an sich.

Falls es möglich war, versteifte sich mein Körper nun noch mehr und meine linke Hand wanderte hinter meinem Rücken zu meinem Hosenbund, als Brown mich so durch den Flur bugsierte.

Wieso war heute jeder auf Körperkontakt aus?

Diese verdammte Weihnachtsfeier, meine Finger schlossen sich um das vertraut kühle Metall.

„Ich haue mich jetzt hin, meine Frau erwartet mich morgen", er warf einen Blick auf seine goldene Uhr am Handgelenk, „ - ach herrje... heute pünktlich zum Mittag. Wir haben eine große Gesellschaft."

Mit diesen Worten, ließ mich Brown stehen, ich sah ihn noch nach, wie er vier Türen weiter in eines der Gästezimmer verschwand. Erst als ich die Tür hörte, wie sie ins Schloss fiel, setzte auch ich mich wieder in Bewegung.

Ein leiser Hoffnungsschimmer in mir, hatte die ganze Zeit gebetet, dass Sebastian die Tür aufreißen und mich zurück beordern würde.

Verdammt, ein Teil meiner Selbst schien sich das regelrecht zu wünschen... Oder, dass ich einfach wieder in das Zimmer zurück gehen würde, oder könnte.

Sebastian immer noch – mit dem Blick auf die Tür geheftet – vorfand, sein blaues Hemd hinge ihm von den Schultern und nichts würde seine Gedanken verraten. Keine Regung ihn durchlaufen. Nicht einmal, wenn ich auf ihn zutreten, mich strecken würde, um seine Lippen mit meinen zu bedecken, um am Ende vollends von ihnen zu kosten. Und erst während des Kusses würde seine Anspannung von ihm abfallen, er würde den Kuss genießen, bis er mich schließlich von sich drücken würde. Ein fragender Ausdruck würde sich in seinen Augen finden, welcher auf meinen fest entschlossenem Blick traf. Erst nach diesem Blickaustausch, würde er wieder er selbst werden, wie noch vor wenigen Minuten.

Doch nichts dergleichen geschah.

Ein beinahe übermächtiger Teil war froh darum und erstickte den Hoffnungsschimmer im Keim.

Außerdem, wie konnte ich in der Position sein, mir solche Gedanken zu machen?

Mit festen Schritten ging ich den Flur entlang, mein Denken allerdings war alles andere als hier. Noch immer fühlte ich seine Hände, seine Berührungen, seine Lippen... Nachdem ich meine Zimmertür hinter mir geschlossen hatte, ging ich durch das Zimmer zum Fenster und zog die Vorhänge zurück, um hinaus, in die parkähnliche Gartenanlage zu sehen.

Wo sich mittlerweile der Schnee auf die Rasenflächen und den kahlen Ästen der Bäume sammelte. Noch immer fielen weiße dicke Flockenvom nächtlichen Himmel. Noch immer starrte ich düster vor mich hin und meine Gedanken fuhren Achterbahn. Noch immer war ich innerlich unruhig und zerrissen.

Nicht jedes Weihnachtsfest ist gleichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt