Freiheit?

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Er atmete schwer, lag auf dem Boden und zitterte. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ein Mann stand noch kurz in der Tür und sagte: "Kümmere dich um ihn!" Er hörte sich gehetzt an. Was ist hier los? Warum sorgen sie sich nicht um ihn? Er ist doch wichtig, oder nicht? Ich hörte Schritte an der Tür vorbei gehen. Ach, was rede ich da. Vorbei rennen, nein, rasen! Leute schrien sich gegenseitig irgendetwas zu. Ich bekam nur Bruchstücke mit wie: "Beschützt das neue Leben!" oder "Lasst sie nicht durch die Tür gelangen!". Ich verstand nicht ganz. Wollte mich etwa jemand befreien? Oder besser gesagt, uns? 

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich ein Stöhnen neben mir vernahm. Three. Er schwitzte und war kurz davor ohnmächtig zu werden. Er Hyperventilierte. Ich bekam Panik. Was sollte ich nur tun? Er brauchte Wasser und er musste seinen Anzug los werden. Ich wurde etwas rot, als ich daran dachte, ihn auszuziehen. Doch ich verdrängte diese Gedanken ganz schnell wieder und machte mich ans Werk. Ich streifte ihm den Anzug ab und konzentrierte mich darauf, auf sein Gesicht zu blicken und nicht seinen Körper... oder... anderes... Nein, nein, nein! Dies war nun nicht der Zeitpunkt um über sowas nachzudenken. Vor der Tür war die Hölle ausgebrochen und three hyperventilierte. Lucy! Konzentriere dich! Threes Gesicht war schmerzverzerrt und ich erkannte eine Brandwunde an seinem Arm. Wasser! Wo um alles in der Welt bekomme ich noch Wasser her?! Als ich mich im Raum panisch umsah, entdeckte ich eine Flasche auf meinem Bett unter meinem Kissen. Nanu? Warum hatte ich das nicht bemerkt? 

Ich ließ three behutsam los und rannte auf das Bett zu, griff nach der Flasche, als würde mein Leben daran hängen und stolperte fast, als ich wieder zu three raste. Ich nahm seinen Kopf auf meinen Schoß und öffnete die Wasserflasche. Als ich ihm etwas zu trinken gab, griff er nach ihr und trank sie ganz aus in weniger als 5 Sekunden. 

Was hatten die bloß mit ihm gemacht? Und warum mache ich mir so riesengroße Sorgen um ihn? Ich kenne ihn ja fast gar nicht. Der sollte mir eigentlich am Arsch vorbei gehen. 

Ich war so tief in Gedanken versunken, dass ich gar nicht bemerkte, wie ich sein Gesicht streichelte und wie er mich mit seinen dunklen, schwarzen Augen anstarrte. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen doch dann. Schüsse. Pistolenschüsse. Maschienengewehre. Ich fuhr erschrocken zusammen und genauso auch three. Er richtete sich langsam auf, doch ich hielt ihn fest. Er durfte noch nicht aufstehen. 

"Wir müssen uns verstecken. Wenn die hier rein kommen, sind wir tod", sagte er beachtlich ruhig.

Ich starrte ihn nur dümmlich an. Was redet der da? Die wollen uns doch befreien, oder etwa nicht? Er packte mich an meinen Arm und zog mich mit sich unter das Bett. Alle meine vorherige Müdigkeit war verschwunden und das Adrenalin pumpte sich erneut in meine Adern. Ich wollte aufschreien, als die Tür zu unserer Zelle aufgerissen wurde. Doch three hielt mir den Mund zu. Ein schwer bewaffneter Mann stand in der Tür und fing an, den Raum abzusuchen. Ich musste hier heraus! Wenn der uns findet, bringt er uns um! Ich werde nicht sterben! Irgendwann mal ja, aber nicht heute! Als er unter meinem Bett nachsah, stürtzte ich unter threes Bett hervor und packte den überraschten Mann am Bein. Ich zog an und er fiel auf seinen Rücken. Ich wusste nicht, woher ich meine Kraft und den Mut nahm doch ich fing an, ihn anzugreifen. Ich schlug mit meinen Fäusten auf ihn ein. Der Mann verteidigte sich doch bevor er es schaffte mich zu schlagen, war three an meiner Seite und schnitt dem Mann mit seinen Krallenartigen Nägeln die Kehle durch. Er starb und wir beide sprangen auf und rannten. Ich weiß nicht wie lange wir rannten, doch ich geriet außer Puste. Ich atmete schwer und der Schweiß verdeckte mir teilweise die Sicht. Da packte mich three, hiefte mich über seine Schulter und rannte weiter. Wir kamen an Leichen vorbei. Erschossenen Ärtzten, Wissenschaftlern. Ja sogar an toten einstigen Experimenten. 

Three rannte Stundenlang, zumindest fühlte es sich so an. Doch er fand keinen Ausgang. Er rannte immer im Kreis. Er setzte mich ab und wir beide sahen uns um. Die Schüsse waren verebbt und wir standen in eisiger Stille da. Man hätte eine Nadel fallen gehört, so ruhig war es. Ich bekam Gänsehaut. Angst machte sich in mir breit. 

Da sprach three leise, ganz leise: "Das war schonmal so. Ich war schonmal so weit. Irgendwelche Leute schaffen es manchmal hier einzudrigen und versuchen, die experimente zu stoppen. Einmal, hatte ich es schon geschafft hinaus zu kommen doch, ich wurde gefunden und wieder eingesperrt. Ich bezweifle, dass wir hier einfach so herauskommen werden. Lucy. Merke dir meine Worte: Diese Gänge verändern sich. Ich weiß nicht wie doch ich weiß warum. Sie wollen um jeden Preis verhindern, dass wir hier heraus kommen. Wollen, dass wir verrückt werden und das hier als zu Hause betrachen. Sie setzten uns sogar falsche Erinnerungen ein und deshalb denke immer daran: Vertraue niemandem. Nicht einmal mir." Während er das gesagt hatte, hatte er meine Arme mit seinen beiden Händen gepackt und mir tief in die Augen gestarrt. 

Ich wollte etwas erwiedern doch dann, ertönte eine laute Sirene. Ein warnton. Sie suchten nach uns. Ich wollte nicht wieder in die Zelle zurück. Nein. Ich konnte einfach nicht. Nicht in die schwarz/weiße dunkelheit. In die grauen Wände. Ich musste nach draußen. Ich musste in die Natur und wollte wieder die Vögel zwitschern hören, den Wind spüren, die Erde an meinen Füßen spüren und einfach wieder Leben. Mein gesamter Körper schrie nur eines: Freiheit! Ohne nachzudenken, fing ich an zu rennen. Ich sah mich nicht um. Mich interessierte es nicht, ob three mir folgte oder ob mir bewaffnete Männer ans Leder wollten. Ich raste um die Ecken. Rechts, links, rechts, rechts, links, gerade aus, hin und her. Ich rannte eine halbe ewigkeit lang, die Warnsirene im Hintergrund. 

Und dann sah ich es. Eine offen gesprengte Tür, die mal mit einem Code und und vielen Verriegelungen gesichert war. Hinter der Tür sah ich Bäume, Sträucher ja sogar Blumen. Gras erstreckte sich zwischen den Bäumen. Also bin ich in einem Wald?, dachte ich. Ich rannte noch schneller, ignorierte meine Stechenden Seiten, meine schmerzenden Beine. Ich wollte nur eins. Raus aus dem eintönigen Gefängnis, in dem ich steckte. Nur noch ein Stück. Gleich hatte ich es geschafft. Ich konnte schon die Blumen riechen und die Freiheit spüren. Noch ein ganz kleines bisschen.

Peng. Ein Schuss. Kurz und bündig. Ich fiel zu Boden, schaute in die Richtung, aus der geschossen wurde und sah einen Mann, gekleidet in weiß. Artzt. Ein Betäubungspfeil steckte in meinem Bein und ich merkte wie ich schwächer und schwächer, müder und müder wurde. Leute umkreisten mich. Redeten anscheinend mit mir. Doch ich bekam das nicht mehr mit. Jemand hebte mich hoch und das letzte das ich sah, war meine stolz lächelnde Ärtztin.

Ich schlug die Augen auf, holte in großen Mengen Luft und hielt mein Bein. Es war noch immer Taub. Ich sah mich panisch um und bemerkte dann, dass ich wieder in dem Zimmer war. Wütend, ließ ich mich auf mein Bett zurück fallen und seuftze tief und traurig. Ich war so nah dran. So nah. Und eine einzige Sekunde reichte, um mich wieder in einen Albraum fallen zu lassen. 

Ich vernahm eine müde, traurige Stimme von der anderen Seite des Raumes: "Du solltest nicht so deprimiert sein. Du hast wenigstens noch Erinnerungen and die Welt da draußen. Du hast sie für einen kurzen Augenblick gesehen, hast sie gerochen. Ich habe schon lange vergessen, wie die Welt einst war." Three. Es war seine Stimme.

Ich drehte mich zu ihm. Er lag ebenfalls auf seinem Bett und sah erschöpft aus. Ohne große Überlegungen fing ich an zu reden: "Die Bäume sind grün, das Gras auch. Die Blumen sind bunt und haben wudervolle düfte. Es gibt hohe Berge, tiefe Seen voller verschiedener Fische, und Länder, mit den unterschiedlichsten Tieren. Die Kinder spielten an warmen Sommertagen immer draußen Fangen oder im dunkeln verstecken. Die Leute ritten auf Pferden, tauchten in Meeren mit Delfinen, Haien und sogar Waalen. Im Herbst, als sich die Blätter verfärbten und sie im Wind von den Bäumen fielen, saß ich mit Freunden bei einem See und redete über alte Zeiten. Es wurde zusammen gelacht, geweint und geheimnisse wurden ausgetauscht. Wenn du am Land gelebt hast, dann war es meißtens schön und friedlich." 

"Es muss sehr schön sein, draußen zu sein. Du musst mir unbedingt mal mehr davon erzählen. Aber wir sollten jetzt erstmal schlafen. Wir wissen nicht, was uns morgen noch so alles erwarten wird", und damit drehte er sich mit einem kleinen lächeln um und schlief ein. Ich befolgte seinen Ratschlag und schloss ebenfalls meine Augen. Bald darauf, träumte ich davon wie es war, frei zu sein.

Experiment L1v3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt