Alexander

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Magnus,

wie immer treffen Ihre Worte mich mitten in mein Herz. Sie schreiben stets so gefühlvoll und es fällt mir leicht Ihnen zu vertrauen.

Meine Eltern sind tatsächlich ein schwieriges Thema bei mir, aber ich werde Ihnen darüber berichten. Mein Vater ist ein hochangesehener Anwalt in New York. Er ist eiskalt und absolut skrupellos. Einer der Gründe, warum meine Schwester ebenfalls Juristin werden möchte, da sie es besser machen will und das erfüllt mich mit Stolz.
Mein Vater hat sich nie wirklich um seine Kinder geschert, wir waren nunmal da und konnten ihn in der Öffentlichkeit als liebevollen Familienvater repräsentieren. Das hat immer gut funktioniert, zu groß war die Angst, vor seiner Wut und dem Gürtel. Alle seine Kinder sind erfolgreich, alle, außer mir.

Für ihn ist es eine Schande, dass ich mich neben meiner Homosexualität ausgerechnet dafür entschieden habe, New York zu verlassen und einen Buchladen zu eröffnen. Er hatte gehofft, ich werde ein berühmter Autor und habe eine Frau an meiner Seite. Da ich alle Erwartungen enttäuscht habe, bin ich nicht länger in seinem Haus, geschweige denn in seiner Familie, willkommen.

Meine Mutter hingegen ist eine liebevolle Frau, die uns mit Hingabe groß gezogen hat. Sie hat mir beigebracht, stets zu mir selbst zu stehen und mich für nichts zu schämen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie nichts gegen meinen Vater unternommen hat. Stumm stand sie da, als er mich vor die Tür gesetzt hat.

Mittlerweile habe ich ihr verziehen, denn sie ist noch immer meine Mutter, aber wir pflegen nur sehr seltenen Kontakt und ich denke, tief im Inneren ist sie froh, dass das Problem, also meine Person, weit weg ist und mein Vater sich beruhigt hat.
Ich bin mehr als dankbar, dass meine Geschwister weiterhin zu mir stehen und mich ab und an besuchen kommen. Trotzdem beschreibe ich mich selbst, als das schwarze Schaf der Familie, aber gibt es das nicht in jeder?

Was ist mit Ihnen Magnus? Haben Sie Geschwister, Mutter und Vater? Ich würde mich freuen, darüber etwas zu erfahren.

Ihre Reaktion auf mein Outing hat mich erleichtert und es hat sich ein Lächeln auf meine Lippen geschlichen, als ich mit zitternden Händen Ihren Brief gelesen habe. Zu groß war die Angst vor Ablehnung und das, obwohl wir beide uns nie begegnet sind.
Nun durfte ich feststellen, dass sie ein toleranter Mensch sind und ihre Worte haben mich bewegt.

Ihre Frage nach meinem Beziehungsstand werde ich Ihnen gerne beantworten, denn das ist leicht, weil es nichts zu erzählen gibt. Ebenso wie Sie, lege ich Wert auf einen Partner, mit dem ich auch außerhalb unseres Bettes Gemeinsamkeiten habe. Ich möchte tiefsinnige Gespräche führen können und nicht nur über die Frage diskutieren, was es heute zum Abendessen gibt. Er sollte reden und schweigen können, er sollte Humor und Tiefgang haben, ihm sollten Werte wie Treue und blindes Vertrauen ebenso wichtig sein, wie mir und er sollte mich manchmal ansehen mit Liebe in seinem Blick.

Wie Sie aber schon so treffend festgestellt haben, frage auch ich mich, ob so ein Mensch überhaupt existiert.
Wenn Sie jemals eine Antwort auf diese Frage finden, bitte denken Sie daran, es mir mitzuteilen.

Ihr Tagesablauf hört sich um ehrlich zu sein, sehr traurig an. Meiner Meinung nach sollten Sie sich überlegen, dort für eine Weile auszubrechen und sich selbst einmal etwas zu gönnen. Setzen Sie sich nicht so sehr unter Druck Magnus, denn damit werden Sie nur das Gegenteil erreichen, von dem, wonach Sie streben. Vielleicht ist meine Meinung vermessen und nicht angebracht, aber Sie sollten darüber nachdenken, sich eine Pause zu gönnen.

Sie schreiben, ich soll mir keine Sorgen machen über die Bedrohung Ihres Lebens. Leider muss ich Ihnen sagen, dass das nicht geht. Seit diesem Brief bin ich in ständiger Besorgnis um Ihre Sicherheit und es quält mich zu wissen, welch furchtbare Menschen es gibt, die Ihnen drohen. Gibt es Vorkehrungen, die getroffen werden, um Ihr wertvolles Leben zu schützen?
Magnus, ich warte sehnsüchtig auf Ihre Antwort, nicht nur wegen der Gewissheit, dass es Ihnen gut geht, sondern auch, weil ihre Briefe meinen Tag erhellen.

Herzlichst
Ihr Alexander

Written Letters  -Malec-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt