Geburtstag

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Alessandro p.o.v.

Heute war mein Geburtstag. Yippie. Ich freute mich schon. Nicht.
Warum feierte man nochmal Geburtstage? Damit man Geschenke bekam?
Was brachten mir alle Geschenke der Welt, wenn ich nicht meine Mate dazu zählen konnte?

Genau. Rein gar nichts.

Wie an jedem anderen Tag stand ich auf. Heute war Samstag. Ich wäre ja arbeiten gegangen, aber meine Familie, nein, mein ganzes Rudel, hatte darauf bestanden, dass ich mir frei nahm.
Wieso? War ja nicht so, als würden wir den ganzen Tag meinen Geburtstag feiern.

Aber ich erinnerte mich noch zu genau daran, wie meine Mutter mich besorgt angesehen hatte:

"Du tust nichts anderes mehr, Alessandro. Die ganze Zeit arbeitest du, machst was für die Schule oder suchst dieses andere Rudel. So kann das nicht weitergehen! Wir machen uns Sorgen um dich, tesoro*."

Natürlich taten sie das. Aber was war schon so schlimm daran, zu arbeiten?
Es war doch gut. So kam man voran, hatte Erfolg im Leben. Wenn man eben fleißig war.
Sollten sie nicht stolz auf mich sein?

So hatte ich argumentiert. Hatte nicht durchblicken lassen, dass ich sie verstand. Weil ich nicht über die wahren Gründe für meine plötzliche Arbeitssucht reden wollte.
Ich wollte überhaupt nichts mehr. Im Prinzip lebte ich gar nicht mehr. Ich existierte nur noch.

Aber war das nicht immer noch besser, als gänzlich aufzugeben und sich umzubringen?
Tatsächlich hatte ich daran gedacht, es zu tun.
Schließlich hatte ich alles versucht. Alles getan. Aber nichts hatte geklappt. Und meine Hoffnung auf ein Leben mit meiner Mate war nun vollends gestorben.
Also warum sollte ich noch weitermachen?

Aber ich konnte es einfach nicht. Denn egal, wie zerstört, wie tief am Boden ich war, es gab noch so viele Gründe zu leben.

Mein Rudel brauchte mich. Zwar nicht jetzt sofort, aber später einmal. Und ich würde mein Bestes geben, um ihnen ein guter Alpha zu sein und wenn es mich umbringen würde.
Ich würde sie nicht alle im Stich lassen. Ich konnte es nicht.

Außerdem, was war mit meinen Eltern? Ich konnte ihnen diesen Schmerz einfach nicht antun. Nein, das würde sie noch umbringen. Ich war ihr einziger Sohn.

Deshalb hatte ich es dann doch gelassen. Ich hoffte nur, es war die richtige Entscheidung.
Vielleicht war ich ja einfach zu feige dafür. Zu feige, das Silbermesser an meine Pulsadern zu setzen. Zu feige, den letzten endgültigen Schritt zu tun.

Aber vielleicht war ich auch mutig. War es mutig, weiter zu leben? Sich weiter dem Schmerz auszusetzen? Oder war es feige?
Ich wusste es nicht. Ich wusste gar nichts mehr.

Olivia p.o.v

10 Stunden später.

Es war so weit. Es war Abend. Im Wohnzimmer vom Haus nebenan waren alle Lichter an. Sie feierten seinen Geburtstag.

Wie gerne wäre ich jetzt unter ihnen. Als Alessandros Mate. Würde ihm sein Geschenk überreichen. Denn tatsächlich hatte ich ihm eins gekauft. Ich wusste selbst nicht, wieso.
Hatte ich doch keine Gelegenheit, es ihm zu überreichen.
Wo es ihm doch sowieso nur wieder Hoffnung schenken würde. Hoffnung, wo keine war.

Doch als ich alle möglichen Läden abgeklappert hatte und dann auf das perfekte Geschenk getroffen war...ich musste es einfach kaufen. Also hatte ich es getan.

Und doch würde ich meinen Plan in die Tat umsetzen. Sein Zimmer ging zum Garten hinaus. Unter seinem Zimmer lag das Wohnzimmer. Also hatte ich beschlossen, in ein Zimmer an der Seite einzubrechen, damit mich niemand sah.

Nun stand ich hier in der Nacht. Es war 21 Uhr irgendwas. Bereits dunkel. Im Schatten des Hauses stand ich und lauschte.
Drinnen ertönte Musik. Der Sänger sang in einer anderen Sprache. Italienisch wahrscheinlich?

Leute redeten. Doch ich konnte nicht genau verstehen, was. War auch nicht wichtig. Die Hauptsache war, dass alle unten waren. Gut. Dann konnte ich beginnen.

Ich hatte Glück. Denn direkt neben dem Haus stand ein Baum. Vorsichtig und mit zusammengebissenen Zähnen kletterte ich an ihm hoch. Es war so schwer seit dem letzten Vollmond. Ich keuchte angestrengt. Meine Muskeln protestierten laut, aber ich zwang meinen Körper weiter. Zwar musste ich immer wieder anhalten und Pausen einlegen, aber irgendwann hatte ich es schließlich geschafft und setzte mich auf einen breiten Ast.
Trotzdem war ich noch ein gutes Stück vom Haus entfernt.
Okay. Da musste ich jetzt durch. Tief atmete ich durch. Wappnete mich für den Schmerz, der kommen würde.  Und dann sprang ich.

Alessandro p.o.v.

Sie bemühten sich alle sehr. Das musste ich ihnen zugute halten. Aber es nützte nichts. Das Loch in meiner Brust konnten sie nicht füllen.
Sie konnten mir nicht Olivia schenken.

Verdammt, es war mein Geburtstag. Ich wurde 18. Endlich volljährig. Ich sollte mich freuen. Eine glückliche Zeit verbringen.
Hier war ich im Wohnzimmer, zusammen mit meiner ganzen Familie. Meinem Rudel.
Italienische Musik erklang, um mich herum redeten alle und lachten, waren fröhlich, versuchten mich mit ihrer Freude anzustecken....

Es war im Großen und Ganzen eine heimelige Atmosphäre.
Und doch fehlte etwas. Sie.

Sie sollte jetzt hier sein. Hier an meiner Seite. Sie sollte reden und lachen. Mich fröhlich und glücklich anlächeln.
Sollte mir einen Tanz schenken.

Stattdessen war ich allein. Und würde es sehr wahrscheinlich bis zu meinem Lebensende bleiben.

Ich hielt es einfach nicht mehr aus. Hielt diese Gedanken nicht aus. Diese Freude der anderen, während es in mir so ganz anders aussah. Diese freudige Atmosphäre.

Plötzlich verspürte ich den drängenden Drang zu verschwinden. Wegzugehen. Ich musste einfach raus.

Also erhob ich mich von der Couch.
"Ich geh schnell bisschen frische Luft schnappen.", sagte ich zu niemand Bestimmten.

Dann ging ich zur Terrassentür und nach draußen. Niemand hielt mich auf. Ich schloss die Tür hinter mir und sperrte damit einen Teil des Lärms aus.

Tief atmete ich die frische Nachtluft ein. Doch ich war immer noch zu nah am Geschehen.
Ich musste weg. Fast ohne mein Zutun führten mich meine Beine in den Wald. Immer weiter und tiefer.
Ich hörte schon lange nicht mehr die Partygeräusche.

Es war dunkel hier unter dem Blätterdach. Trotzdem konnte ich noch genug sehen.

Irgendwie war es einsam hier. Zwar hörte ich ab und an eine Eule in der Stille rufen und Getier im Unterholz rascheln, aber trotzdem...es war recht still.
So still, dass meine Gedanken wieder anfingen, sich zu drehen. Nämlich um Olivia.
Wie sollte es auch anders sein?

Sie beherrschte meine Gedanken. Meine Gefühle. Mein Herz und meine Seele.

Ich konnte nicht ohne sie leben. Das wurde mir mit jeder weiteren Sekunde immer klarer.

Trotzdem musste ich es versuchen. Musste für mein Rudel am Leben bleiben.

Ich war so tief in Gedanken versunken, dass ich kaum noch etwas wahrnahm.
Erst, als es zu spät war....

I'm sorry, MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt