Retourkutsche

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Olivia p.o.v.

Endlich. Große Pause. Erleichtert ging ich aus dem Kurs. Herr Grundiger hatte alles so langweilig klingen lassen, dass ich beinahe eingeschlafen wäre...

Ich machte mich auf den Weg zu einem Stufenraum. Ich hatte einen Lieblingsstufenraum, der mehrere Sofas und Sitzecken besaß und ein paar Tische. Es war auch der größte.
Lisa und Peter waren bestimmt auch schon dort.
Ich schob mich durch die Schülermassen und war auch kurz darauf beim Stufenraum angelangt.
Kaum hatte ich jedoch die Tür geöffnet, konnte ich einen wunderbaren Geruch wahrnehmen... Alessandro.
Alessandro war hier.
Schnell suchte ich mit den Blicken den Raum ab...und erstarrte.

Das glaubte ich jetzt nicht. Hinten in der Sitzecke stand er. Aber nicht allein.
Neben ihm war eine Blondine mit lockigen Haaren, die ich nur vom Sehen kannte.
Sie unterhielten sich, was noch in Ordnung gewesen wäre, aber wie sie sich unterhielten...

Immer wieder fasste sie ihn an. Strich ihm über die Arme, über die Brust...

Bei dem Anblick kochte Wut in mir hoch. Alessandro gehörte zu mir! Er war mein Mate!
Sie hatte nicht das Recht, ihn zu betatschen!

Fast ohne, dass ich es wahrnahm, ging ich auf die beiden zu.
Ich musste diese Bitch in ihre Schranken weisen. Ihr klarmachen, dass Alessandro nicht zu ihr gehörte, sondern zu mir.

Kaum war ich bei ihnen angelangt, versteckte ich meine Wut und warf Alessandro ein strahlendes Lächeln zu. Kalt ignorierte ich die Blondine vor ihm.

"Hey, ich hab dich schon überall gesucht, Süßer.", säuselte ich. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich schmunzelnd an. Er durchschaute mich. Nichts anderes hatte ich erwartet. Trotzdem würde ich meine Mission durchführen.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken.
Alessandro hielt total still. Er bewegte sich nicht, sondern ließ zu, dass ich ihm einen Kuss auf die Haut hauchte.
Schon diese leichte Berührung verursachte ein heißes Prickeln auf meinen Lippen.

Schnell ließ ich mich wieder auf den Boden sinken.
Dieses Prickeln auf meinen Lippen sowie der heiße Blick, den Alessandro mir nun schenkte, versuchte ich zu ignorieren.
Ich wandte mich der Blondine vor Alessandro zu, die das Ganze aus zusammengekniffenen Augen beobachtet hatte.

Kalt fixierte ich sie. Es war mir egal, wer sie war. Sie hatte sich an Alessandro herangemacht.
Sie sollte wissen, dass sie das nicht durfte. Dass das keiner durfte.

"Und wer bist du?", fragte ich in einem abschätzigen Ton.
Oh, ihr gefiel das gar nicht. Das sah ich daran, wie sich ihre Augen verengten. Aber das war mir egal.
Noch immer brodelte die Wut in mir. Der Drang, jedem zu zeigen, dass Alessandro zu mir gehörte.

Ja, es war ein dummes Gefühl. Schließlich sollte ich Alessandro sein Glück gönnen. Wenn ich nicht mehr da war, brauchte er jemanden, der ihn auffing. Und nicht nur das. Für sein Rudel brauchte er auch jemanden.
Am besten natürlich seine Mate. Seine neue Mate. Diejenige nach mir.

Aber all das interessierte mich im Moment nicht. Jetzt regierte purer Instinkt. Nämlich der, meinen Besitzanspruch geltend zu machen.
Die Konkurrenz auszuschalten. Auch wenn das eigentlich Schwachsinn war.
Er war schließlich mein Mate. Er würde, nein, er könnte mich gar nicht betrügen.

Aber trotzdem stand ich nun hier. Wegen diesen dummen Gefühlen, die ich einfach nicht ausschalten konnte.

Ich starrte dieses Mädchen vor mir an. Suchte blind nach Alessandros Hand und verschränkte unsere Hände miteinander. Ich hatte Glück. Er spielte mit.

Der Blick von Blondi zuckte zu unseren Händen. Ihre Lippen verzogen sich zu einer schmalen Linie.
Gut. Hoffentlich hatte sie jetzt verstanden.

Doch dem war wohl nicht so.

Mit einem Lächeln, das doch keines war, sah sie mich an.

"Zu deiner Frage, wer ich bin: ich werde die neue Freundin von Alessandro sein, wenn er dich satt hat."
Und mit einem echten Lächeln verabschiedete sie sich von Alessandro.
"Du hast ja meine Nummer. Ruf mich an, wenn es so weit ist.", fügte sie an ihn gewandt hinzu und drehte sich dann um. Ohne mich noch eines Blickes zu würdigen.
Was für eine Bitch. Am liebsten würde ich ihr beweisen, dass Alessandro nur zu mir gehörte. Aber das konnte ich nicht.
Denn es entsprach nicht der Wahrheit. Auch wenn wir Mates waren, so würden wir doch nie zusammen sein können.

Das war auch das Schlimme: ihre Aussage traf mich. Denn im Ernst?
Alessandro würde mich vielleicht nicht satt haben. Aber er würde mich irgendwann verlieren.
Und dann würde er irgendwann eine Neue haben.

Ich sah Blondi immer noch hinterher, als sich zwei warme Finger an mein Kinn legten und meinen Kopf zu Alessandro hin drehten.
Ein wenig besorgt sah er mich an.

"Ich hoffe, du weißt, dass das nie passieren wird.", sagte er bestimmt.
"Ich werde dich nie satt haben. Du wirst immer zu meinem Leben gehören."

Schwach lächelte ich. Es war süß von ihm, dass er sich um mich sorgte.
Aber er hatte Unrecht. Auch wenn er das noch nicht wusste.

Um von dem Thema abzulenken, verschränkte ich die Arme und sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
"Warum hast du das getan?"

Als Antwort grinste er mich an.
"Ich wollte dich testen. Sehen, wie du reagierst."

Ich verzog den Mund. Na toll. War ja klar, dass er das mit der Blondi nicht ernst gemeint hatte.
Wieso war ich nur darauf hereingefallen?! Wieso hatte ich mich so sehr von meinem Instinkt leiten lassen?!

"Und?", fragte ich schließlich, auch wenn ich glaubte, die Antwort bereits zu kennen. "Hab ich den Test bestanden?"

Sein Grinsen vertiefte sich.

"Hast du. 100 prozentig."

Ich musste ein Lächeln unterdrücken. Eigentlich sollte ich sauer sein. Er hatte ja quasi mit meinen Gefühlen gespielt.
Aber ich konnte es einfach nicht. Er hatte es ja nicht böse gemeint. Hatte die Blondine auch kaum berührt. Nur eben ihre Berührungen stillschweigend ertragen.
Wenn er sie geküsst hätte...dann sähe das ganz anders aus. Ich wusste nicht, ob ich ihm das so schnell hätte verzeihen können.

Aber so? Es freute mich sogar, dass er versucht hatte, mir eine Reaktion zu entlocken.
Dass er an mich gedacht hatte.
Oh Mann. Wo sollte das alles noch hinführen mit meinen komischen Gefühlen?

I'm sorry, MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt