Tag 49 'Painkiller'

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Tag 49 Los Angeles Krankenhaus 11:34 Uhr

Noch immer stand Max vor der auf dem Bett sitzenden Chloe und dem davor stehenden Rollstuhl. Die Fotografin wippte mit den Füßen leicht vor und zurück, während ihre Rechte immer wieder über den Unterarm fuhr. Chloe saß noch immer auf dem Bett und starrte in Richtung von Max. „Was ist?" Fragte sie und legte den Kopf schief. Max konnte nicht länger in Chloes strahlend blaue Augen sehen und senkte den Kopf in Richtung Boden. „Nichts." Nuschelte sie und atmete erleichtert aus, als ihr Vater den Raum betrat. Im Gesicht der Brünetten entstand ein schwaches Lächeln, welches von Ryan erwidert wurde. „Ihr beide seht so aus als könntet ihr Hilfe brauchen." Stellte er fest und ging ohne ein weiteres Wort auf Chloe zu. Vorsichtig legte er seine Arme um Chloes Körper und hob, ohne auch nur eine Miene zu verziehen, die Punkerin auf den bereitstehenden Rollstuhl. Chloe wirkte überhaupt nicht mit der Situation zufrieden, wehrte sich aber nicht. Der Bär würde sich sowieso nicht aufhalten lassen. „Alles Ok?" Fragte er und erntete ein leises Schnauben von Chloe. „Nein." Flüsterte sie kaum hörbar, konnte aber sehen dass sowohl Ryan, als auch Max sie gehört hatten. Ryan lächelte sie warm an und legte vorsichtig eine seiner Pranken auf die Schulter der Blauhaarigen. Beide mussten keine Worte wechseln um zu verstehen was der andere sagen wollte, also nickte Chloe nur kaum merklich und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder Max, welche noch immer unbewegt zwischen Fenster und Bett stand und sich offenbar nicht traute Chloe anzusehen. „Max?" fragte Chloe deshalb mit etwas Sorge in der Stimme und hoffte auf eine Reaktion, doch Max stand noch immer unbewegt da und starrte auf den Boden. „Max!" Wiederholte Chloe mit etwas mehr Nachdruck und konnte einen leicht aggressiven Unterton in ihrer Stimme nicht verbergen. Tatsächlich sah Max in Richtung der beiden. Ryan sah besorgt in die Augen seiner Tochter und versuchte ihre Gedanken zu lesen, musste aber nach kurzer Zeit aufgeben. Max wirkte einfach nur mit der Situation überfordert, was auch Chloe auffiel. Fragend legte sie den Kopf schief und machte Anstalten aufzustehen.
Ein stechender Schmerz in der Seite, ließ sie innehalten und stöhnend und fluchend hielt sie sich die Wunde. Sofort war Ryan zur Stelle um die Punkerin in Position zu halten. „Der Arzt hat gesagt nicht schnell bewegen." Erinnerte er sie, doch Chloe schnaubte nur abfällig. „Mir geht's gut." Sie versuchte überzeugt zu klingen, scheiterte jedoch kläglich. Ryan Caulfield schüttelte den Kopf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Nun waren die beiden Frauen alleine. Chloe streckte die Hand nach Max aus und versuchte sie zum näherkommen zu animieren, doch Max reagierte nicht. Schnaubend griff Chloe in die Räder und rollte auf die Fotografin zu. Kurz vor ihr stoppte sie, packte grob Max Kinn und zwang sie damit den Kopf zu heben. „Was verbirgst du vor mir?" Fragte sie flüsternd und Max konnte sich nicht länger zurückhalten und ein leises Schluchzen entstand. „Chloe als ich noch in der Zeit reisen konnte, hab ich versucht deinen Vater zu retten." Begann sie, doch Chloe zuckte nur mit den Schultern. „Hat offenbar nicht geklappt." Stellte sie nüchtern fest, doch Max schüttelte den Kopf. „Doch hat es." Eröffnete sie und Chloes Kiefer klappte nach unten. „WAS!" Rief sie geradezu und wäre am liebsten auf Max gesprungen, doch der stechende Schmerz ließ sie innehalten. Durch tiefes Ein- und Ausatmen versuchte sie sich zu beruhigen und wählte ihre nächsten Worte mit bedacht. „Heißt das Dad lebt?" Fragte sie mit zitternder Stimme und als Max nur schwach den Kopf senkte und auf den Boden starrte, sackte die Blauhaarige in sich zusammen. „Warum hast du nichts unternommen?" Fragte sie leise und über Max Gesicht lief eine Träne. Diese Unterhaltung war sehr schwer für Max. Sie vermisste William noch mehr, seit dieser Zeitmanipulation. „Chloe, als ich deinen Dad rettete bin ich zurück in eine andere Zeitlinie." Erklärte sie und Chloe nickte verstehend. „Dein Vater lebte, aber du warst vom Hals abwärts gelähmt." Eröffnete sie ihrer Frau erstickt und Chloe begann zu verstehen. „Dieser Scheiß erinnert dich daran." Mutmaßte sie und erntete ein Nicken. „Ja." Bestätigte die Brünette, aber Chloe rollte noch näher an Max. „Süße ich bin nicht gelähmt." Als Beweis holte sie mit einem Fuß aus und trat Max leicht vor das Schienbein. Max zuckte leicht zusammen und tatsächlich entstand wieder ein Lächeln in ihrem Gesicht, aber Chloes Neugier war nun vollends geweckt. „Wie war Dad drauf? Und Mom?" Fragte sie neugierig, sah aber wie schwer es Max fiel, darüber zu reden. Sie schluckte schwer und ließ sich auf das Bett hinter ihr fallen. „William hatte nichts von seiner positiven Einstellung verloren und liebte dich noch immer, genau wie Joyce. Aber sie hatten hohe Schulden." Chloe schluckte hörbar. „Wegen mir?" Fragte sie und Max wehrte ab. „Chloe es war nicht deine Schuld. Du bekamst zu deinem Geburtstag ein Auto und hattest einen Unfall der dich lähmte. Du wusstest über alles Bescheid und als ich da war, wolltest du, dass ich es beende, bevor du langsam und unter Schmerzen stirbst." Chloe wirkte nicht sonderlich überrascht, war aber gleichzeitig neugierig. „Was ist passiert?" Drängte sie weiter, Max Unsicherheit und Unwohlsein ignorierend. „Du wolltest, dass ich deine Schmerzmittel auf die höchste Stufe stelle. Du wolltest sterben um niemandem mehr zur Last zu fallen. Du hattest mit dem Leben abgeschlossen und aufgegeben." Max konnte nicht weiter erzählen und sackte in sich zusammen. Chloe schüttelte den Kopf und strich ihrer Frau über das Knie. „Und du konntest nicht." Mutmaßte sie. „Max es ist Ok, ich hätte es auch nicht tun können und..." Max Kopf schnellte in die Höhe und sie sprang geradezu auf. „Doch Chloe verdammt! Ich hab es getan. Du wolltest es und ich konnte dir diesen Wunsch nicht abschlagen. Ich hab gesehen wie du dich quältest und du wirktest so entschlossen. Ich hab es getan verdammt." Ihre Stimme wurde immer leiser und den letzten Satz wiederholte sie immer wieder. Überrascht hob Chloe eine Augenbraue. „Wow." dachte sie. „Das hätte ich nicht erwartet." Stellte sie gedanklich fest und griff nach Max Hand. „Komm her." Forderte sie von Max und zog sie sich auf den Schoß, das Ziehen in der Seite ignorierend. „Nichts von alldem ist je passiert. Jedenfalls nicht hier. Ich bin am Leben, dank dir." Hauchte sie und gab der Fotografin einen Kuss auf die Lippen, welcher nur zögerlich erwidert wurde.

Als plötzlich die Tür aufging und Hannah, gemeinsam mit Björn das Zimmer betrat, sprang Max geradezu auf und stellte sich mit hochrotem Kopf wieder vor Chloe. Hannah lachte nur leise und auch Björn konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Hannah ignorierte Chloes genervtes Schnauben und umarmte erst Max, dann die Punkerin. „Du siehst immer noch scheiße aus." Flüsterte die Rothaarige Chloe zu, welche kaum merklich nickte. Björn stand noch immer an den Türrahmen angelehnt und beobachtete die Situation. Chloe drehte sich in seine Richtung und sah ihn abwartend an. Mittlerweile war er ihr sympathisch geworden, auch wenn er mit Max in einem Bett gelegen hatte. Zwar war nichts passiert, auch wenn Max das noch immer glaubte, aber Chloe hatte mittlerweile verstanden, dass Björn nichts von Max wollte und andersherum genauso. Sie konnte keinem von beiden böse sein. Als der blonde Hüne aber nur mit dem Kopf schüttelte, wirkte die Punkerin enttäuscht. „Wirklich nichts? Keine Infos?" Fragte sie und erneut schüttelte Björn den Kopf. Er wusste nichts von Max Fähigkeiten und keine der beiden wollte ihn einbinden. Auch Max Vater wusste nichts davon und Max wollte es ihm nicht sagen, da sie nicht wusste, wie er reagieren würde. Chloe verstand es und wollte ihre Partnerin nicht drängen. Chloe sackte etwas zusammen, bemerkte aber, dass Max immer nervöser wurde und beschloss sie auszufragen, sobald sie wieder unter sich waren. Endlich stand Max auf und griff nach Chloes Rollstuhl. „Lass uns hier für einen Moment verschwinden." Flüsterte sie leise und die Punkerin nickte nur.

Außerhalb des Krankenhauses 10 Minuten später

Kaum waren die vier etwas außer Sicht des Krankenhauses, steckten sich sowohl Hannah, als auch Björn eine Zigarette an. Sofort schoss Chloe der Geruch von Tabak in die Nase und erinnerte sie an ihre eigene Nikotinsucht. Bittend sah sie zu Hannah, welche ihr auch sofort eine Schachtel zuwarf, gefolgt von einem Feuerzeug. Beides fing Chloe auf und nur einen kurzen Augenblick später entspannten Chloes Gesichtszüge etwas. Max ging etwas auf Abstand und wirkte nicht mit Chloes Verhalten einverstanden, was die Blauhaarige aber ignorierte. Die Gespräche dauerten an, aber nichts kam bei rum. Hannah und Björn erzählten von ihren Nachforschungen zu dem Angriff auf Chloe, aber niemand hatte etwas mitbekommen. Chloe merkte aus den Augenwinkeln, wie Max immer nervöser wurde wenn das Thema angesprochen wurde. Die anderen beiden schienen es nicht zu bemerken, oder ignorierten es. Max beteiligte sich nicht an den Gesprächen, sondern stand oder saß einfach nur da und hörte schweigend zu, während sie mit ihren Armbändern spielte. Keinem entging allerdings, wie auch Chloe immer nervöser wurde und sich immer öfter die Wunde hielt. „Geht es dir nicht gut?" Erkundigte Hannah sich besorgt und Max kam ebenfalls besorgt näher, jedoch winkte Chloe ab und griff in ihre Tasche. Der Arzt hatte ihr ein paar Schmerztabletten gegeben, falls der Schmerz zu stark werden würde. Sie wollte diese Drogen nicht nehmen, aber die Seite meldete sich immer stärker. Ohne über die Konsequenzen nachzudenken, öffnete sie den Verschluss und warf sich, ohne noch länger zu warten, eine der Pillen ein. Nach einem weiteren Zug an der Zigarette, spürte sie noch immer keine Wirkung. Nachdenklich wanderte ihre Hand erneut zu der Öffnung, jedoch kam sie nicht weit. Max Hand schnellte nach vorne und verdeckte den Deckel. Mit Sorge im Gesicht trafen sich die Blicke der beiden und aufmunternd nickte Max ihrer Frau zu, welche verstand und die Dose in der Tasche verschwinden ließ. Hannah und Björn standen nach einem kurzen Blickwechsel auf und verabschiedeten sich von den beiden. „Ich schau mich noch etwas um." Versprach der Blonde seinen Freundinnen und auch Hannah versprach sich noch etwas umzusehen.

Alleine saßen die beiden nun draußen und starrten in die Ferne. „Wie geht es dir?" Brach Max das Schweigen, doch Chloe schnaubte nur. „Was verbirgst du vor mir?" Fragte sie mit einer plötzlichen Kälte in der Stimme die Max nicht erwartet hätte. „Ich verschweige dir nichts Chloe." Versuchte sie zu erklären, doch das machte die Punkerin noch mehr in Rage. „Max, du bist schon die ganze Zeit nervös. Ich will Hella noch mal wissen, wer mir ein scheiß Messer in den Bauch gerammt hat. Du warst da, musst also wissen wer es war." Chloes Stimme wurde immer lauter, was sie selbst aber nicht merkte. Max aber schüttelte nur den Kopf. „Chloe ich weiß nichts. Es ging alles so schnell, du blutetest aus der Wunde. Ich hatte keine Zeit zu sehen wer es war und..." Chloe konnte sich nicht länger zurückhalten und sprang auf. Ein leises Knirschen entstand unter dem Verband, doch Chloe bemerkte es nicht. Auch dass entstehende Rot ignorierte sie. Max machte vor Angst einen Schritt zurück. Chloes Augen schossen Blitze in Richtung ihrer Partnerin und zeigten allen, dass die Punkerin sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. „Hältst du mich für bescheuert?" Fragte sie geradezu hysterisch und Max senkte den Blick und konnte nur noch flüstern und stottern. Sie hatte mit einem Mal Angst vor Chloe. Zwar hatte sie gesagt, dass sie keine Gefahr für Max darstellte, aber Maxines geäußerte Bedenken hallte noch immer in Max Kopf nach. „Ich halte dich nicht für bescheuert." Flüsterte Max schwach.
„Warum lügst du mich dann an?"
„Ich lüge dich nicht an."
„MAX!" Chloe schrie voller Wut und packte Max an den Schultern, zwang sie dazu ihr in die zuckenden, blauen Augen zu sehen. „Ich weiß wer es war." Gab Max unter Tränen zu, doch allein mit dieser Aussage gab sich die aufgebrachte Punkerin nicht zufrieden, fing sogar an Max zu schütteln. „Dann Hella noch mal, sag mir wer dafür verantwortlich ist!" Zu ihrer Verwunderung aber, schüttelte Max nur entschlossen den Kopf, die durchbohrenden Blicke und zunehmenden Druck auf ihren Schultern ignorierend. „Nein." Sagte sie mit fester Stimme, was Chloe nur noch mehr aufregte. „Warum schützt du so ein Arschloch Max? Was versprichst du dir davon?" Max ging nicht auf die Vorwürfe ein und hielt auch den Blickkontakt aufrecht, obwohl sich mittlerweile Tränen in ihren Augen sammelten. „Chloe ich schütze nicht ihn, sondern dich." Stellte sie klar.

Tief in ihrem Inneren wusste Chloe, dass Max Entscheidung die Richtige war, aber sie war so in Rage, dass ihr gesamtes logisches Denkvermögen abgeschaltet war. „Sag es mir jetzt endlich." Forderte die Punkerin und merkte langsam, wie es ihr immer schwerer fiel sich auf den Beinen zu halten. Die Beine fingen an zu zittern, aber dennoch hielt Chloe sich wacker aufrecht. Mittlerweile war ihr Verband mit Blut durchtränkt, doch keine der beiden bemerkte es, da sie sich noch immer mit Blicken maßen. Max versuchte schließlich die Situation zu entspannen. „Chloe, wenn du wieder fit bist und wieder klar denken kannst, werden wir darüber reden. Vorher nicht. Würdest du dich jetzt bitte beruhigen." Machte sie klar, doch Chloe gab sich damit nicht zufrieden, obwohl sie wusste, dass sie bei Max im Moment auf Granit biss. Schnaubend und fluchend schubste die Blauhaarige ihre Frau von sich weg. „Ich will mich aber nicht beruhigen!" Fluchte sie und ließ sich wieder in den Rollstuhl fallen, das Gesicht mit den Händen bedeckt und beherrscht atmend. „Lass mich einfach allein Max." Flüsterte sie bedrohlich und tatsächlich machte Max kehrt und lief geradezu auf das Krankenhaus zu. Sie bemerkte weder ihren Vater der in der Tür stand, noch die Tränen, welche mittlerweile in Sturzbächen ihr Gesicht hinab liefen.
„Max was ist?" Fragte Ryan besorgt, aber Max lief einfach an ihm vorbei, in Richtung Ausgang. Verwirrt sah der Bär seiner Tochter nach, dann wanderte sein Blick zu Chloe. Diese saß noch immer da und rührte sich nicht. „Na toll." Murmelte Ryan und ging auf Chloe zu. Seine Tochter würde er nicht einholen können, auch wenn er genau wusste, wo sie hinrannte. Als Ryan die Blauhaarige erreichte, stockte ihm der Atem. Chloe hing geradezu in dem Stuhl und eine deutliche, rote Lache Blut hatte sich zu ihren Füßen gebildet. So schnell er konnte, lief er in Richtung des Krankenhauses, riss die Tür auf und rief: „Wir brauchen hier einen Arzt, schnell!"

Life is strange. After the stormWo Geschichten leben. Entdecke jetzt