Tag 2

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Erste Lichtstrahlen zeigten sich am Horizont. Sie stiegen empor und beleuchteten einen rostigen Truck. Die Helligkeit schien Spaß daran zu haben, das innere des Wagens voll auszuleuchten. Im seinem inneren war ein genervtes Stöhnen zu hören.

Max Caulfield öffnete langsam die Augen und gähnte leise. Hinter ihr lag Chloe Price. Diese hatte ihren tätowierten Arm eng um Max geschlungen und atmete in ihren Nacken. Max sah sich um. „So weit so gut. Ich scheine in der realen Welt zu sein. Kein Albtraum diese Nacht. Jedenfalls keiner an den ich mich erinnern kann." dachte sie und versuchte sich aus Chloes Griff zu lösen. „Denk nicht mal dran abzuhauen." Hörte Max hinter ihr ein Murmeln. „Würde mir im Traum nicht einfallen." War ihre Antwort. Das war Chloe offenbar nicht genug, denn sie verstärkte ihren Griff um Max Bauch und ließ die Hand weiter nach unten gleiten. Kurz unterhalb von Max Bauchnabel stoppte Chloe die Abwärtsbewegung und küsste Max auf den Nacken. Voller Freude beobachtete sie, wie eine Gänsehaut an Max Nacken entstand. „Wir sollten aufstehen." Sagte Max, doch Chloe war noch nicht fertig. Sie ließ ihre Hand wieder ein Stück tiefer gleiten und fuhr über Max Intimzone. „Sollten wir?" Fragte Chloe mit rauchiger Stimme, doch Max war nicht mehr in der Lage zu antworten, als Chloe ihre Hand leicht auf und ab bewegte. Ein leises Wimmern kam von Max und Chloe lächelte böse. Ruckartig zog sie die Hand zurück, ließ Max los und setzte sich auf. „Ok, Zeit zum Aufstehen meine Kleine."
Max lag einfach noch da. Noch nie hatte jemand sie so berührt. Klar hatte sie es sich oft vorgestellt, aber das war tausendmal besser als alle ihre Gedanken zusammen. „Mach bitte weiter Chloe." Flehte Max. „Komm schon Randy Max, du hast selbst gesagt Zeit zum Aufstehen." Chloe grinste immer noch. Es tat gut Max etwas gelöster zu sehen, nach allem was passiert war.
„Du bist tot Price." Max sprang auf und warf sich auf Chloe. Diese hatte allerdings mit so einer Reaktion gerechnet und sprang zurück.
Max und Rachel waren sich vom Wesen her sehr ähnlich. Nicht das Wesen, welches sie nach außen trugen. Es war nur Fassade, dass merkte Chloe schnell. Sie machte es schließlich genauso. Hatte man allerdings Menschen da wo Chloe Max jetzt hatte, zeigten sie ihr wahres Wesen. Sowohl Max als auch Rachel wollten immer alles sofort und neigten deshalb zu überstürzten Aktionen. Das konnte Chloe gut nutzen, sowohl bei Rachel, als auch bei Max.
„Wie tot Caulfield?" fragte Chloe immer noch mit einem dreckigen Grinsen im Gesicht und sprang aus dem Truck.
„Ganz tot." Max versuchte noch Chloe festzuhalten, aber die Blauhaarige war schneller. Zack, war sie außerhalb des Wagens und schaute da herausfordernd zu Max. „Na was ist Hippie? Willst du jetzt aufstehen oder nicht?" Max kletterte aus dem Truck und sprang auf Chloe zu. Damit hatte sie nicht gerechnet. Die kleine, zierliche Max warf sich gegen Chloe und gemeinsam fielen sie ins Gras. Chloe lachte nur, als Max sie in die Seite knuffte. Sie kugelten auf der angrenzenden Wiese herum und schließlich gewann Chloe die Oberhand. Da Chloe einen halben Kopf größer als Max und ihr körperlich klar überlegen war, war es für sie ein leichtes, Max Arme von ihrem Körper weg auf den Boden zu drücken. Chloe saß auf Max und sah auf sie herab. „Wer ist jetzt tot hä?"
„Ich geb auf." Rief Max lachend.
Chloe ließ Max los und ließ sich neben ihrer Freundin ins Gras fallen. Gemeinsam lagen sie einfach da und sahen in die Wolken. „Warum kann dieser Moment nicht ewig bleiben?" fragte Max nach einiger Zeit. „Wag es ja nicht die Zeit zurückzudrehen." Sagte Chloe mit einem Grinsen. „Niemals!" kam es sofort von Max.
„Schon gut Mad Max war nur ne Warnung."
Chloe nahm sich eine Zigarette aus der Schachtel und steckte sie an. Die Schachtel hielt sie Max hin. „Würg." War Max Reaktion.
„Das hörte sich gestern aber anders an." Chloe zog grinsend an der Zigarette und blies den Rauch genüsslich aus. Max kramte in ihrer Tasche, holte ihre Kamera heraus und machte ein Selfie von sich und Chloe. Als das Bild aus der Kamera kam, nahm Chloe es in die Hand und sah es an. „Verdammt seh ich gut aus." kommentierte Chloe das Foto und gab Max einen Kuss auf die Wange. Auch Max betrachtete das Foto.
„Verdammt seh ich gut aus." Max erschrak. Hatte Chloe das eben gesagt? Schon spürte sie Chloes Lippen an ihrer Wange. Max sprang auf und warf das Foto weg. „Fuck!" Rief Max laut. „Was ist Max?" Chloe stand ebenfalls auf und sah ihre Freundin fragend an.
„Chloe ich bin grad wieder in die Vergangenheit gereist, ohne es zu wollen."
„Wie das?"
„Ich hab keine Ahnung. Ich hab nur das Bild von uns gesehen und hab offenbar dahin zurückgespult."
Chloe sah sich um. „Das ist nicht gut."
Es war still um sie herum. Zu still. Max war das etwas unheimlich. Kein Laut war zu hören. Kein Vogel war zu hören oder zu sehen. Alles Leben versuchte offenbar sie oder diesen Ort zu meiden. Dann sah Max etwas. Es lag unter der Laterne, welche mitten auf dem Parkplatz stand. Sie ging auf die Laterne zu und hockte sich hin. „Was entdeckt Sherlock?"
Max hob das gefundene Papier hoch.
„Na und? Ein Fetzen Papier. Ganz toll."
„Chloe schau ihn dir genau an."
Chloe stieß eine Rauchwolke aus und nahm das Papier in die Hand. Ihr Gesicht wurde blass und die Zigarette fiel ihr aus dem Mund. Das Foto zeigte Max. Ihr Blick war voller Wut und Verzweiflung. Es war nur ihr Gesicht zu sehen, hinter einer weißen Wand. „Max das bist du." Chloe sah immer wieder von dem Bild zu Max und zurück. Diese nickte nur und drehte sich weg. „Max rede mit mir. Was hat das alles zu bedeuten?" Sie hielt ihre Freundin am Arm fest. Max drehte sich um. „Ich weiß es nicht Chloe. Das Foto wurde in einer anderen Realität von Mark Jefferson gemacht, kurz bevor David mich befreite. Ich weiß nicht wie es da hingekommen ist."
Mit Tränen in den Augen riss Max sich von Chloe los. Sie wollte das Foto nicht sehen. Sie wollte auch nicht an diesen grausamen Ort erinnert werden. Von niemandem. Am Auto angekommen, atmete Max tief durch und setzte sich auf den Boden. Sie zog die Beine an und fing an zu weinen. Chloe hatte alles aus der Entfernung gesehen. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Wer hatte das Foto da hingelegt? War Jefferson aus dem Gefängnis und dem Sturm entkommen? War es schon vor Max Zeitsprung dort oder war es eine Reaktion der Zeit auf ihrer beider Handeln? Chloe wusste es nicht. Sie wollte sich aber darüber auch keine Gedanken machen. Ihre einzige Priorität war von nun an Max. Keiner würde ihr je wieder so ein Leid zufügen, wie sie es ertragen musste. Mit einem letzten Blick auf das Foto ließ sie es fallen und ging zu Max.

Chloe ließ sich neben Max auf den Boden sinken und strich ihr beruhigend durch die braunen Haare. Max fiel Chloe in die Arme und weitere Tränen flossen. So saßen sie da und Chloe wartete, bis Max sich beruhigte. Irgendwann ebbte Max Tränenstrom ab und sie sah wieder zu Chloe. „Verdammt, ich brauch was zum rauchen." Chloe kramte in ihrer Jacke und holte schließlich die Schachtel Zigaretten hervor. Mit zitternden Händen nahm Max eine und Chloe reichte ihr Feuer. Nach dem ersten Zug entspannte Max sich etwas. Nach fünf weiteren Minuten des schweigenden Rauchens, stand Max schließlich auf und schnippte die Kippe weg. „Besser?" fragte Chloe und Max nickte. „Willst du drüber reden?" Als Antwort erhielt Chloe ein Kopfschütteln. „Chloe ich weiß nicht wie das Bild dahin gekommen ist. Ich hab es noch nicht mal aus dem Darkroom mitgenommen." Max sah Chloe mit einem Mal entsetzt an. „Weißt du was das bedeutet?"
Chloe schüttelte den Kopf.
„Dieses Foto wurde in einer alternativen Zeitlinie gemacht, nicht in dieser." Chloe zog eine Augenbraue hoch.
„Du meinst jemand hat dieses Foto absichtlich dort platziert?"
„Genau und das heißt, dass noch jemand die Möglichkeit hat durch die Zeit zu reisen."
„Und dieser Jemand verfolgt uns?"
„Scheint so."

Chloe sah sich um. Niemand war zu sehen. „Dann sollten wir so schnell wie Möglich von hier verschwinden." Chloe machte sich sofort daran, dass Auto wieder fahrbereit zu bekommen. Max kletterte auf die Ladefläche und suchte sich etwas anderes zum Anziehen. In dem braunen Rucksack fand sie jedoch nur Chloes Klamotten. Chloe war größer und kräftiger als die zierliche Max, ihre Sachen würden ihr also nicht passen. „Was haben wir denn hier?" Fragte Max sich, als sie plötzlich mit ihrer Hand auf kaltes Metall traf. Es war Davids Waffe. Max holte sie vorsichtig aus der Tasche und sah sie an. Die Trommel war geladen. Schnell legte Max die Waffe wieder zurück. Damit wollte sie nichts zu tun haben, aber das Problem mit der Kleidung bestand immer noch. Es blieb nur der blaue Rucksack. Darin fand Max Klamotten, die sie für Rachels hielt. Sie griff nach einer an den Oberschenkeln zerrissene Jeans und ein an den Ärmeln zerrissenes rotes Holzfällerhemd. Das musste vorerst reichen. Schnell zog Max sich die Klamotten an und verstaute alles wieder im Rucksack. „Fühlt sich komisch an die Klamotten einer Toten zu tragen." dachte Max sich, als sie sich im Autospiegel betrachtete. Max hasste sich für diese Gedanken. Klar war Rachel tot, aber das war ja nicht ihre Schuld. Oder doch? Hätte sie in der Zeit zurückreisen können, bevor Rachel ermordet werden würde? Zweifel machten sich in Max Kopf wieder breit. Was wäre wenn?
Die kleine zweifelnde Max in ihrem inneren kam wieder zum Vorschein. Gestern war noch fast alles gut. Weniger Zweifel in ihrem Kopf, Max wusste genau wie sie diese ruhigstellen konnte. Sie griff aufs Armaturenbrett und nahm das Gras in die Hand. Die Tüte war noch gut gefüllt. Ungeschickt versuchte Max sich einen Joint zu drehen. Oft hatte sie es bei Chloe gesehen, so schwer konnte es nicht sein. Weit gefehlt, nach einigen Minuten sah Max entnervt zu Chloe. „Kannst du mir mal helfen?" Chloe sah Max mit dem Gras in der Hand und nickte.

Kurz darauf konnte Max ihre Zweifel wieder betäuben. Das Gras wirkte schnell und Max fiel in den Sitz um nicht umzufallen. Chloe setzte sich auf den Fahrersitz und gemeinsam verließen sie den Rastplatz.

Nach einigen Stunden schweigsamen Fahrens, entdeckten die beiden Freundinnen in der Ferne einige Häuser. Je näher sie kamen, umso mehr Häuser tauchten auf. „Chloe wo sind wir?" Fragte Max und sah zu Chloe. Diese guckte auf den Tacho. „Ca. 250 Meilen von Arcadia Bay entfernt. Keine Ahnung wie dieser Ort heißt, aber vielleicht gibt es dort ein Motel oder so was in der Art." Sie fuhren in den Ort und Chloe fragte sich bis zu einem Hotel durch. Die Bewohner waren freundlich und empfahlen ihnen das „Three Rocks" am anderen Ende des Ortes.
Das Hotel lag etwas abseits der Straße, aber das war beiden nur recht. Chloe brauchte unbedingt eine Dusche und Max musste von ihrem Höhenflug geholt werden. Zwar sah sie keine bunten Farben oder wirre Strukturen, aber Chloe merkte, dass ihre Freundin high war, sehr high. Klar sie war das nicht gewöhnt. Max saß einfach da und sah teilnahmslos aus dem Fenster. Sie tat es nicht um high zu werden, dessen war Chloe sich sicher. Wenn Max einen rauchte, wirkte sie entspannter und was wichtiger war, keine Visionen und kein Nasenbluten mehr.
Chloe hielt auf dem großen Parkplatz an und sah zu Max: „Komm Mad Max, wir sind da."
Max stieg ohne ein Wort aus und beide nahmen je einen Rucksack.
Die Frau an der Rezeption wirkte entspannt und freundlich, trotz Chloes harschem Auftreten. „Willkommen im „Three Rocks" die Damen. Haben sie reserviert?" fragte die ältere Dame. „Nein haben wir nicht. Ist trotzdem noch Platz für uns?"
„Aber natürlich. Welche Art von Zimmer darf es sein?"
„Eins mit ner Dusche und einem großen Bett, wir kamen in letzter Zeit nicht zur Ruhe."
Max wurde rot und die Rezeptionistin lächelte nur. Sie reichte Chloe einen Schlüssel und erklärte ihr den Weg. „Ihr Zimmer ist im dritten Stock, linker Flur, Tür 324."
„Danke." war Chloes kurze Antwort.

Parkplatz vor dem Hotel

Hinter Chloes Auto stand ein Mann und sah am Hotel hoch.
Sein Blick blieb am dritten Stock hängen. In seiner Hand hielt er ein zerknülltes Blatt Papier. Mit einem Kopfschütteln ging er auf den Eingang des Hotels zu.

Life is strange. After the stormWo Geschichten leben. Entdecke jetzt