nummer zwei - das ist die geschichte von luise schulz

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kleine bemerkung des autors: viel spaß mit der gefakten tiefgründigkeit !

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Michaels POV

Ich bin ja nun wirklich nicht nachdenklich und eigentlich auch ganz im Einklang mit mir, aber hin und wieder bin ich von Menschen umgeben, die mir immer wieder aufs Neue klarmachen wollen, dass im Leben nichts zählt. Ich weiß nicht ob ihnen bewusst ist, dass sie mir das klarmachen wollen, aber sie benehmen sich so als sei es bewusst. Und wenn wir jetzt mal davon ausgehen würden, dass im Leben nichts zählt, dann würde ich gerne mal fragen (und diese Frage habe ich mir lange überlegt) weswegen ihr lebt? Wofür? Warum bringt ihr euch denn nicht um? Wenn nichts zählt? Ihr macht euch verrückt, jeden Tag stresst ihr euch. Aber ihr haltet das alles aus. Darf ich euch fragen warum? Wenn ihr jetzt eine zufriedenstellende Antwort parat habt, habt ihr den Dreh raus, ihr wisst worum es geht. Aber warum verhaltet ihr euch dann nicht so? Warum tut ihr trotzdem so als wärd ihr die Schöpfer der Erde und der Dinge, die euch das Leben hier verschönern. Ihr seid alle so verdammt ignorant. Das mal so ganz nebenbei.

Mein Name ist Michael Gordon Clifford und ich werde euch hoffentlich in Zukunft auch mal ein bisschen nachdenklich machen. Falls ich das nicht schaffe, dann habt ihr vielleicht eure Zeit an dem ganzen Scheiß hier verschwendet, aber ich nicht.

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Klappe die Erste:

Verschwiegen saß sie in der Ecke, die schüchterne Luise. Ich hatte sie schon lange beobachtet, sie ging zwar nicht in meine Klasse, war auch wesentlich jünger als ich, aber trotzdem konnte ich meine Augen nicht von ihr lassen. Irgendwas hatte sie an sich, das mich unglaublich faszinierte, sie machte so einen unschuldigen Eindruck und trotzdem interessierte sich keiner für sie. Beziehungsweise keiner interessierte sich für die menschliche Seele, die in ihr steckte, denn bemerkt wurde sie schon, sogar öfters. Aber dann nur um ihr fiese Sprüche reinzudrücken, bezüglich ihrer eben nicht jeden Tag wechselnden Kleidung oder wegen ihrer nicht mehr allzu neumodischen Frisur. Wilde, ausgewaschen braune Locken mit dickem Zopfgummi zusammengebunden, solche, wie meine Mum sie heute trägt. Luise schwieg zu dem ganzen Mist, ich wüsste echt nicht, ob ich das auch könnte.

Jedenfalls saß sie da, jede Pause, immer an der selben Stelle. Am Montag, ich glaube es war irgendwann in der ersten Woche des Novembers, an den Tag kann ich mich jedoch nicht mehr erinnern, kamen zwei meiner Kumpels zu ihr. Zuerst war ich erstaunt, aber andererseits auch skeptisch. Meine Jungs setzten sich neben sie, einer rechts, einer links. Luise zog sich etwas zusammen, traute sich nicht ihnen ins Gesicht zu gucken. Ich wollte das gar nicht weiter tatenlos mit ansehen. Aber ich blieb reaktionslos neben den anderen stehen, die lachten übrigens alle und zeigten mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Drei dahinten in der Ecke.

Die Jungs engten Luise immer mehr ein, bis sie schließlich wortlos aufstand und von einem der beiden noch ein Bein gestellt bekam, sodass sie letztendlich mit dem Gesicht zuerst auf den gepflasterten Schulhofboden stürzte. Ich schüttelte entsetzt mit dem Kopf, während alle um mich herum anfingen zu klatschen.

Wahrscheinlich hätte ich zu Luise gehen sollen, aber meine Intuition riet mir davon ab. Sie würde mir doch eh nicht vertrauen. Ich bin ja einer von denen, leider. Für diese, nennen wir sie mal Opfer der jugendlichen Gesellschaft sind wir doch alle gleich. Die coolen Kids, die ordentlich Geld und Anerkennung besitzen sind eh alle scheiße, ja genau so denke ich von uns.

Luise stand mutig auf, wischte sich den Dreck von ihren Knien ab, beachtete dabei nicht das blutige Loch, das in ihrer Hose klaffte und setzte sich zurück auf die Bank. Ihr Gesicht war jetzt übersät mit Schürfwunden und kleineren Kratzern. Und trotzdem ignorierte sie diese. Sie blieb taff, ihr Blick stur gerichtet auf die Uhr über der Eingangstür, ihre Augen schienen den Sekundenzeiger zu verfolgen, sie hätten ihn am liebsten angeschubst und weiter nach vorne geschoben.

Tragedy Will Find Us / CliffordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt