nummer vier - nichts Hans

142 24 20
                                    

wieder danke für die lieben Kommentare, ich freue mich darüber echt immer wie ein kleines Kind :) sagt mir bitte trotzdem wenn irgendwas ändern soll/könnte ! danke :)

---

Eigentlich war ich nur unterwegs, weil ich mir vorgenommen hatte Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Ich hatte zwar kaum noch Geld und Lust beziehungsweise Ideen auch nicht, aber man kam ja trotzdem nicht drum herum und irgendwie macht man es ja auch ganz gerne. 

Ich warf mir also meine Jacke über, zog meine Stiefel an, verband mein Handy mit meinen Kopfhörern und steckte sie mir ins Ohr. 

should I write myself out of the history books and mark a place in time for every chance you took? don't get me wrong, I know you've got your life in place I've yet to take the hint, someday I'm sure I'll get the picture and stop waiting up

Es war scheiße kalt, ich konnte meinen eigenen Atem sehen und trotz dem Fehlen von Schnee hätte ich schwören können, dass ich eine niedrigere Temperatur nie zuvor gefühlt hatte, es war einfach nur mies und von einer Sekunde auf die andere war meine Stimmung dann auf dem Nullpunkt.

Diese Tatsache wurde später noch mit dem langen Warten in vollen Kaufhäusern und dem ekelhaften Musikgeschmack meiner Gesellschaft verstärkt. Überall spielten sie ausgelutschte Weihnachtslieder, diese gefakte Freundlichkeit konnte einem den Einkaufswahnsinn dann nochmal komplett vermiesen. 

Nach gefühlten zehn Stunden hatte ich für jeden eine Kleinigkeit gekauft, Helene Fischer CD für Papa, neue Backbücher für Mama und so weiter, jedes Jahr derselbe Scheiß.

Als ich das Einkaufszentrum verließ, fielen mir sofort einige Bettler auf, die es sich mehr oder weniger an den gegenüberliegenden Zäunen gemütlich gemacht hatten. 

Einige hielten den dick eingepackten Leuten leere Kaffeebecher vor die Nase um auf ihren Notstand aufmerksam zu machen, andere versuchten sich am Singen, wo auch immer man hinschaute, man machte sich Gedanken, ich jedenfalls. Wenn ich mir vorstelle, dass diese Menschen nicht nur tagsüber auf der Straße hocken, sondern auch nachts, wenn wir alle in unseren warmen Betten liegen, Fernseh gucken und uns langweilen, meistens regen wir uns auch noch über irgendwas auf, zum Beispiel über die angebrannte Pizza, das ungewaschene Lieblingsshirt oder über schlechtes Wlan, alles Luxusprobleme, aber ich will mich trotzdem nicht ausschließen.

Ich hatte kurz darüber nachgedacht hinüber zu gehen, ihnen eventuell zwei Euro zu geben, aber ich war mir nicht sicher ob es was bringen würde. Ich hatte mir überlegt wie ich stattdessen hätte helfen können, einfach weitergehen und so tun als hätte ich nichts gesehen ist eigentlich gar nicht meine Art, aber ich wusste, dass das Geld nicht ausschließlich für Essen augegeben wird. Und deshalb beschloss ich einfach hinüber zu gehen. Alle starrten sie mich nach Hilfe bettelend an und schließlich stoppte ich bei einem vollbärtigem Mann, der wahrscheinlich als einziger nur damit beschäftigt war seinen Hund warm zu halten. Es war zwar nicht der einzige mit Hund, aber der einzige, der ihn behandelte wie sein eigenes Kind. Ich blieb stehen. 

"Was?" fragte er schließlich und schaute etwas grimmig zu mir hoch. Ich musste schmunzeln. Ich zuckte nur mit den Schultern und versuchte freundlich zu lächeln, ich hatte eine ähnliche Begrüßung schon erwartet. "Ich geb den Hund nicht ab." sagte er schließlich und widmete sich diesem wieder. "Nein! Eigentlich wollte ich nur...fragen wie es ihnen geht." Der Mann sah mich erneut grimmig an, aber sein Blick löste sich langsam. Er schien mir trotzdem nicht zu trauen, hatte wahrscheinlich schon schlechte Erfahrung mit sich komisch verhaltenden Vorbeigehenden gemacht. "Wirklich." fügte ich noch hinzu und hockte mich zu ihm. 

"Wie ist sein Name?" fragte ich und meinte den Hund. "Hans." sagte er lächelnd. "Hans?" wiederholte ich lachend. Der Mann lachte zurück und nickte. "Er ist mein ein und alles." Ich schwöre, mein Herz weinte so schrecklich doll.

"Also was willst du nun...?" "Michael. Michael Clifford."  "Okay, also was willst du nun Michael Clifford." er lächelte zuerst mich und anschließend Hans an. "Wie gesagt nur fragen wie es ihnen geht." Ich setzte mich neben den Mann. Er zuckte nur mit den Schultern. "Wie ginge es dir wenn du von deiner Frau verlassen, von deinen Kindern ignoriert und anschließend auf der Straße landen würdest? Den Umständen entsprechened. Hans macht mir das hier alles halbwegs erträglich." Ich schluckte, aber was hatte ich eigentlich erwartet? Weiter nachfragen wollte ich nicht. 

"Schon sehr lange?" Er zuckte wieder mit den Schultern. "Lange genug." Danach war er erstmal abgelenkt, ein Pärchen kam vorbei, streichelte Hans und schenkte den beiden ein einfaches bleibt stark. Der Mann sagte nicht danke, lächelte nicht, ignorierte die Menschen. 

"Wie ist ihr Name?" fragte ich. "Benjamin." antwortete er verhalten. "Benjamin, haben sie Hunger?" Er sah mich an ohne eine Miene zu verziehen. Ich stand wieder auf und reichte ihm symbolisch die Hand. Er fing plötzlich aus vollem Herzen an zu lächeln, sprach zu Hans: "Komm Junge!" und erhob sich ebenfalls von dem kalten Gehweg.

Etwas später saßen wir zusammen bei Vapiano und hatten beide eine Salamipizza bestellt. Ey Leute ich opferte für diesen Mann gerade meine letzten zwanzig Euro. Hans hatte ich im übrigens Würstchen versprochen. 

"Warum machst du das?" fragte Benjamin und dabei hatte er sein Lächeln immer noch nicht verloren. Diesmal zuckte ich mit den Schultern. "Wieso nicht." antwortete ich cool, aber innerlich musste ich lachen. "Hört sich so an als würdest du sowas öfters tun." Ich schüttelte jetzt auch äußerlich lachend mit dem Kopf. "Nein nein, sie waren mir nur irgendwie sympathisch und da ich keine guten Freunde habe, die ich zu einer Pizza einladen kann, erschien mir das hier als richtig. Außerdem habe ich ihren Bauch knurren gehört." Wir lachten beide. 

Nachdem wir schon gegessen hatten und sich Benjamin bestimmt hundert mal bedankte wurde Hans wieder Gesprächsthema. Benjamin erzählte mir kleine Geschichten, die die beiden in ihrer gemeinamen Zeit auf der Straße schon erlebt hatten, manche waren zum lachen, andere zum heulen. 

"Weißt du, der Hund ist schon sehr alt, aber er hält das alles mit mir zusammen durch, wenn er stirbt will ich ihm folgen, er macht mich komplett. Hätte er mich nicht die ganze Zeit über begleitet würde ich wahrscheinlich schon gar nicht mehr neben dir sitzen können."

Diese Worte blieben mir die letzten Wochen über im Gedächtnis. Heilig Abend war gerade vorbei, ich hatte eine Portion des Essens noch in der Nacht zusammengepackt und mir vorgenommen es Benjamin und Hans am nächsten Tag vorbeizubringen, aber als ich in der Stadt ankam traf ich anfangs nur auf Benjamin. 

"Einen wunderschönen Guten Tag." sagte ich fröhlich, bückte mich zu ihm nach unter und zog ihn für eine Umarmung an mich heran. Aber Benjamin schien nicht besonders glücklich zu sein. Ich traute mich erst gar nicht nach Hans zu fragen. "Das habe ich für dich mitgenomme. Ist etwas Gemüse, Klöße und Ente für Hans." Bei dem Namen Hans brach Benjamin plötzlich in Tränen aus. Ich hatte da so meine Vermutung. Benjamin schüttelte immer wieder den Kopf. Ich setzte mich schweigend neben ihn und wartete auf eine Erklärung. 

"Nichts Hans. Hans ist tot. Totgetreten, totgeschlagen, ich will gar nicht wissen was sie noch allen mit meinem Jungen angestellt haben. Aber eigentlich bin ich schuld. Ich muss dringend auf die Toilette, es war schon ziemlich dunkel, dass Einkaufszentrum war schon kurz vorm Schließen. Ich band Hans an einer Laterne an, ging schnell rein um auf's Klo zu gehen, aber als ich wieder rauskam lag er schon da. Ich sah diese Scheiß Kinder nur noch weglaufen. Hans war voller Blut, am ganzen Körper hatte er Verletzungen, ich konnte zu keinem Tierarzt, war auf mich allein gestellt. Die ganzen Leuten starrten uns an, machten aber nichts, ich habe so schlimm geweint, ich konnte das einfach nicht glauben. Ich hatte durch dich wieder angefangen zu hoffen, dass nicht alle Menschen dreckige Egoisten sind, die sich nicht die Finger schmutzig machen wollen, aber so wie's aussieht wurde ich erneut enttäuscht. Er hatte gewimmert. Immer wieder versucht zu bellen, hatte mich sogar angeschaut. Sein Blick sah nach -bitte tu was- aus. Aber ich konnte nichts tun. Ich war überfordert und ich wusste, dass es aussein würde. Ich habe mich einfach an ihn gekuschelt, wollte seinen Herzschlag verfolgen, aber von Sekunde zu Sekunde schlug es langsamer, bis ich schließlich gar nichts mehr hören konnte, auch seine Augen waren geschlossen, er war auf jeden Fall tot, aber ich wollte das einfach nicht wahrhaben, ich redete mit ihm, versicherte ihm, dass alles wieder gut werden würde wenn wir nur zum Tierarzt gehen könnten, aber gleichzeitig wusste ich, dass ich log. 

Ich legte meinen Arm um Benjamin. 

---

sorry, ich konnte nicht anders. musste beim schreiben heulen, ich hasse mich

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 29, 2014 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Tragedy Will Find Us / CliffordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt