Kapitel 5

14 1 5
                                    

Sie begrüßte mich und sagte, dass sie mich in den Arm nehmen will. Mrs. A fragte, ob es mir soweit gut geht und dass ich ihr einfach mega leid tat. Ihre Augen wurden glasig und sie tat mir in dem Moment echt leid, dass sie wegen mir weint, aber auf der anderen Seite war es süß, dass sie so viel Mitgefühl zeigte. Meine Augen wurden auch wieder feucht und einige Tränen kullerten meine Wange herunter. Ich versuchte mich zusammen zu reißen und gab ihr den Brief. 

„Schauen Sie mal... Ich habe meine ganzen Sorgen und Probleme schriftlich festgehalten, da es mir beim letzten Gespräch so schwergefallen ist und ich ja zusammengeklappt bin. Ich bin Ihnen nicht böse, wenn Sie den Brief nicht sofort lesen. Mir ist aber auch wichtig, dass Sie sich Zeit dafür nehmen und Sie sich den durchlesen, wenn sie viel Zeit haben." 

„Danke, dass du dir so viel Mühe gemacht hast. Ich habe einfach die Angst in deinen Augen gesehen und möchte so gerne wissen, was dich bedrückt. Es ist auch irgendwo meine Pflicht, sich um jemandem zu kümmern, wenn man merkt, dass es einem schlecht geht. Ich kenne es nämlich zu gut, wenn man mit seinen Problemen alleine gelassen wird. Wir können ja zusammen nach Bedburg-Hau *haha*. Dann bist du nicht alleine und dann haben wir uns wenigstens." 

Ich lächelte. Innerlich dachte ich, dass das vielleicht gar nicht so eine schlechte Idee sein könnte, denn ich habe manchmal echt Angst um und vor mir selber. Vielleicht werde ich das Angebot irgendwann annehmen. 

„Meinten Sie das jetzt ernst mit Bedburg-Hau?", fragte ich mit einem Grinsen. 

„Liebes, natürlich meine ich es ernst, denn wenn es sich wirklich um eine psychische Störung handelt, dann kann das schnell nach hinten losgehen. Lass es dir mal durch den Kopf gehen und wenn du mit mir mal mitkommen möchtest, dann lass es mich wissen. Du bist nicht alleine."

„Danke. Ja, ich werde es mir nochmal überlegen, denn ich habe schon Angst, dass ich irgendwann in einem Loch bin und da nie wieder mehr herauskomme." 

„Keine Ursache. Ich möchte dir echt nur helfen und dich nicht alleine mit deinen Problemen lassen." 

„Das ist echt lieb und auch wenn sich das komisch anhört, aber wenn Sie mich brauchen, dann bin ich auch immer da, vergessen Sie das nicht." 

„Nein, das werde ich nicht vergessen. Ich hoffe, dass ich die Tage noch was von dir hören werde und überleg es dir echt gut mit der geschlossenen Anstalt für psychische Störungen." 

„Werde ich machen, versprochen. Schönen Tag." 

„Wünsche ich dir auch, Liebes."

Während ich das Schulgebäude verließ versuchte ich das Gespräch zu verarbeiten und dachte viel darüber nach. Mir kamdas irgendwie komisch vor, warum sie mich mit nach Bedburg-Hau nehmen möchte.Mein Grübeln nahm kein Ende.  Meine Gedanken waren mal wieder nicht da, wo siehätten sein sollen. Ich überquerte die Ampeln bei rot und viele Autofahrerhupten schon, weil ich nicht darauf achtete, wo ich hinging. Zurück zu meinerFrage... Warum gerade Bedburg-Hau? Ich ging nochmal alles durch, was Mrs A allesbis jetzt wusste... Sie konnte sich bestimmt einiges denken, dass mein Adoptivvateraggressiv zu Hause mit uns umgeht wegen dem Telefonat, was sie mitbekommenhatte. Meine Vermutung ist, dass viele dazu neigen sich umzubringen oder sichzu verletzen, weil sie mit der Situation nicht klarkommen und das alles diePsyche zerstört. Aber woher wusste sie das alles? Warum hat sie gesagt, dassich mal MIT dorthin kommen kann? Das hört sich so an, als wäre sie schon mal dagewesen oder ist dort immer noch eine Patientin. Was ist nur los mit ihr? Siekann es so gut verstecken, weil sie so ein unglaublich fröhlicher Mensch ist.Eigentlich genauso, wie ich. Mein Lachen ist das beste Make-up, denn so merktniemand, wie es innerlich bei mir aussieht. Mein Herz ist wie eine vertrockneteRose: Es schlägt immer weiter, aber leider mit nur wenig Liebe und Zuwendung.Die vertrocknete Rose lebt auch weiter, aber ohne die Blütenblätter, die dieRose schön macht. Mein Herz fühlt sich grau an und strahlt nicht mehr imfeuerrot. Allerdings wenn ich male oder Michael Jacksons Musik höre, dann binich in meiner kleinen Welt, wo ich das bekomme, was ich brauche und wo ich sosein kann, wie ich möchte. 

Anstatt nach Hause zu gehen, entschied ich mich noch an den See zu gehen. Dieser Ort ist gut zum Entspannen. Dort sind viele kleine Wiesenplätze oder auch Sandplätze und man kann dort auch gut den Sonnenuntergang beobachten. Ich gesellte mich an ein Plätzchen, wo nicht so viele Menschen waren und ich in Ruhe nachdenken konnte. Das Verarbeiten von dem heutigen Gespräch fiel mir äußerst schwer.

Fahren wir fort mit dem Verarbeiten. Auf der Wiese hatte ich einen schönen Platz gefunden, breitete meine Jacke dort aus, wie als wäre es eine Decke und setzte mich darauf. Meine Augen waren geschlossen, meine Kopfhörer in meinen Ohren und das Nachdenken konnte beginnen. Soll ich echt in die geschlossene Anstalt gehen? Aber ich kann doch meine Geschwister nicht alleine lassen. Was ist, wenn mein Adoptivvater noch schlimmer wird mit seinem Schlagen? Aber irgendwo muss ich auch an mich denken. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich manchmal schon daran gedacht habe, mich wieder zu verletzen, weil die Einsamkeit mich einfach zerstört. Dadurch, dass ich meine halbe Familie verloren habe, habe ich Angst noch mehr Menschen zu verlieren. Wenn ich ein paar Stunden alleine bin, dann halte ich es noch aus, aber ich fange an viel nachzudenken, habe Angst vor der Einsamkeit und stelle mir die Fragen: „Kommen sie denn auch wieder nach Hause oder werde ich jetzt alleine gelassen? Monologe entstehen und ich muss mir immer einreden, dass ich nicht allein gelassen werde. Hinzu kommt, dass ich Angst habe einen kleinen Fehler zu machen und dass ich dann Konsequenzen bekomme. Angst vor der Zukunft. Auch wenn meine Adoptivmutter da ist, dann fühle ich mich trotzdem alleine, denn sie zeigt keinerlei Interesse oder Zuwendung. Sie ist in letzter Zeit total kalt geworden und ich vermute, dass es was mit dem neuen Lebensgefährten zutun hat. Würde ich es mir groß auf die Stirn schreiben, dass ich depressiv bin oder der Gleichen, sogar dann würde sie es noch nicht einmal bemerken. Dies gibt mir das Gefühl überflüssig zu sein.

„Hallo? Aufwachen." 

Meine Augen waren sehr schwer und es fühlte sich so an, als wäre da eine Tonne Sand drin. Ich rieb meine Augen. 

„Mrs A?" 

„Ja, Liebes. Ich fahre dich..." 

„Nein, ich möchte nicht, dass Sie mich nach Hause bringen, denn ich habe mich für die Klinik entschieden. *Kurzschlussreaktion* Vielleicht werden meine Geschwister leiden, aber wenn es mir besser geht, dann kann ich ihnen auch helfen." 

„Es ist echt eine gute Entscheidung. Ich werde dich unterstützen. Aber möchtest du nicht doch noch kurz nach Hause und wenigstens dort ein paar Anziehsachen holen?" 

„Stimmt, daran habe ich echt nicht gedacht. Dann können Sie ja auch mal sehen, wie man mit mir umgeht. Aber verstecken Sie sich hinter einer Hecke, denn vor Anderen sind die nicht so zu mir, sondern nur wenn wir alleine sind." 

Verloren? - Welcome to my truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt