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Meine Augen wandern übers Regal. Endlich finde ich, was ich suche. Mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht schließe ich meine Hand um das große Glas. Mit diesem im, zuvor ganz leer gewesenen, Korb schlendre ich weiter, schließlich bin ich nicht nur dafür nochmal losgegangen. Auch, aber nicht nur.

Ich brauche noch Puderzucker, Zitronensaft, Eier, Mehl, Zucker und, und, und-
Und Brezeln!
Vorfreudig schaue ich das braune Glas in meinem Einkaufskorb an. Bei dem Gedanken an die Nascherei gleich Zuhause, läuft mir schon das Wasser im Mund zusammen.

Summend zu der Musik, die ich über Kopfhörer höre, sammel ich nach und nach alles von meiner Liste zusammen. Endlich, als der Korb kurz davor ist, mir zu schwer zu werden, und eindeutig nichts mehr rein passt, bewege ich mich in Richtung Kasse. Im Kopf gehe ich die Lebensmittel alle nochmal durch.
Gerade als ich alles aufs Band gelegt habe und fast an der Reihe bin, fällt mir ein, was ich vergessen habe. Das mit Abstand Wichtigste, damit dieser Abend noch was wird, wenn ich schon backen muss.

,,Können sie kurz aufpassen? Ich habe etwas vergessen. Von mir aus können sie auch vor gehen. Ich bin sofort wieder da. Dankeschön!"
Die alte Frau hinter mir schaut mich irritiert und verwundert an, doch das ist mir egal, denn da bin ich schon weg, um möglichst schnell die Brezeln zu holen, zu bezahlen, nach Hause zu kommen, diesen verdammten Kuchen zu backen und dann endlich, endlich meinen wohlverdienten Filmabend zu machen.

Auf dem Weg nach ganz hinten, in die hinterste Ecke des Supermarktes, frage ich mich schon wieder, warum ich Raja eigentlich zugesagt habe für ihre Feier zu backen. Mal wieder ein Mysterium.
Wie so vieles.
Aber jetzt komme ich nicht mehr aus der Sache raus. Und vor allem ist es schon zu spät. Vor einer Woche hätten sie vielleicht noch jemand motivierteres gefunden, aber jetzt, einen Abend vorher, wird sie mir den Kopf abreißen.

Sie war schon immer gut darin, anderen ihren Willen aufzuschwatzen, besonders mir. Obwohl ich sonst eigentlich immer meine Meinung vertrete, aber bei meiner Schwester bin ich dann doch machtlos.
Ob das an mir oder an ihr liegt, weiß ich nicht. Nur, dass es so ist. Es war schon immer so, und wird sich wahrscheinlich auch nie ändern. Und irgendwie mag ich es ja auch, zu helfen, warum sollte das bei ihr anders sein.

Seufzend blicke ich in die überfüllten Regale.
,,Warum braucht man soviel Auswahl?", frage ich mich selbst laut.
,,Die Qual der Wahl ist die schlimmste!"
Natürlich greife ich trotz der 10 anderen Sorten, Größen und Marken zu der Tüte, die ich schon immer gegessen habe, und immer weiter kaufen werde.
Sie sind einfach am praktischsten. Sie haben genau die richtige Größe und den richtigen Geschmack! Warum also die anderen kaufen, wenn diese doch soviel besser sind?

Glücklich pfeifend gehe ich schnellen Schrittes zurück zu meinen anderen Einkäufen. Ich biege schwungvoll um die Ecke, als mir plötzlich ein Kopfhörer heraus fällt.
Schnell versuche ich ihn noch rechtzeitig aufzufangen, bevor er den anderen noch mit runterzieht, als mich nur allzu bekannte Töne innehalten lassen.
Sie kommen aus den Lautsprechern, die im ganzen Laden verteilt sind, und die gerade einen relativ alten Song spielen, der lange, lange Zeit mein Lieblingssong war, ich aber schon Ewigkeiten nicht mehr gehört habe.

Sofort stoppe ich meine eigene Musik und genieße die altbekannten Töne. Der Sänger hat eine melodische Stimme, die perfekt zur Melodie passt.

Gedankenverloren tanze ich durch den mittlerweile wie leergefegten Supermarkt. Strahlend vergesse ich alles um mich herum und gebe mich der Musik ganz hin. Für einen Sekundenbruchteil schließe ich meine Augen und - bong - stoße gegen etwas oder jemanden.

Erschrocken reiße ich meine Augen auf, und bemerke, dass ich mitten im Fall bin. Meine Hände schnellen vor, und versuchen das schlimmste abzuhalten.
Vergeblich.
Ich knalle volle Kanne auf beide Knie, und zusätzlich noch auf meiner Handballen.
Es knackst, und ich schaue auf. Das Geräusch kam nicht von mir, also muss wirklich noch jemand anders involviert gewesen sein.

Schwer atmend setze ich mich auf und schaue mich um.
Es herrscht ein riesen Chaos und mittendrin liegt ein junger Mann, in meinem Alter, und Kleidung tragend, die ihn als Angestellten ausweist.

„Scheiße!", höre ich mich sagen, ohne es gewollt zu haben. Bevor ich weiter fluche, und die Situation so noch schlimmer mache, halte ich mir den Mund zu.
Sicherheit geht vor.

Mühsam setzt der Betroffene sich auf. Sofort setzte ich mich in Bewegung, schließlich ist es meine Schuld, dass wir diesen kleinen Unfall hatten. Gerade als ich ansetzen will, um ihn zu fragen, ob bei ihm alles okay ist, spricht er mich an.

„Geht es dir gut? Tut dir irgendwas weh?", verdattert schaue ich ihn einfach nur an.

„ˋTschuldigung!"

Zwar kann ich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass es meine Schuld war, ich habe schließlich nichts gesehen, doch wenn ich mit geschlossenen Augen durch den Laden tanze, dann werde wohl schon ich die Verantwortliche sein.

Ohne ein Wort zu sagen, strecke ich ihm meine Hand hin, die er dankend annimmt und sich aufrichtet. Nebeneinander stehend betrachten wir die Unordnung, die wir hergestellt haben.

Einer von uns muss ein Regal mit Mais-, Erbsen-, Tomaten- und Ananasdosen im Fallen mitgerissen haben, denn sie liegen überall verteilt im Gang.

Ich seufze auf. „Das ist ja mal eine schöne Bescherung..."
„Aber wenigstens sind es nur Dosen und nicht Gläser, dass wäre noch blöder.", ermutigt der Mitarbeiter uns beide.

„Jep!", antworte ich ihm kurz angebunden, schon auf Knien, um möglichst schnell hier raus zu kommen.

Der junge Mann tut es mir gleich, und schnell haben wir alles wieder eingeräumt und die zuvor herrschende Ordnung wieder hergestellt.

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