⟢ 𝐕 ⟣

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Das Klatschen der anderen Passagiere weckt mich unsanft. Kurz kneife ich meine Augen zu, dann öffne ich sie mühsam.

Anscheinen habe ich doch noch schlafen können.

Grelles Licht blendet mich und lässt mich die Hand vor die Augen halten.

Um mich herum entsteht das reine Chaos. Viele stehen ungeduldig und hektisch auf, um schonmal ihr Gepäck zusammen zu sammeln. Die genervte Stimme einer Stewardess weist sie gezwungen höflich darauf hin, sitzen zu bleiben und zu warten, bis wir wirklich stehen.

In der Reihe vor mir scheint auch jemand geweckt worden zu sein. Zwei Arme werden in die Luft gestreckt und ein lautes Gähnen ertönt. Dann dreht die Frau vor mir sich um.

„Na, meine Schätze, wie war der Flug?" sie stockt abrupt und mustert mich.

Ihr steht die Verwunderung ins Gesicht geschrieben. Dann wandert ihr Blick zu Tilo, der nur zu seiner Linken nickt. Das Gesicht der jungen Latina entspannt sich sichtbar. Anscheinend hatte sie die Kleine anstatt mich auf dem Platz erwartet. Zurecht.

„Wie war der Flug so, Mika?" Ich vermute, dass das kleine Mädchen ihre Tochter ist. In welchem Verhältnis der Junge zu den Beiden steht, ist noch unklar. Er sieht aus, als wäre er Anfang 20, vielleicht auch 19.

Mein Verdacht wird bestätigt, als die Kleine antwortet.

„Toll! Wir haben einen Untergang gesehen" Bei diesen Worten verdunkeln sich die Augen ihrer Mutter. „Und du hast geschlafen, Tilo hat mir verboten dich zu wecken, aber das war so schön, Mama!", dankbar schaut sie meinen Sitznachbarn an.

„Und ich konnte von meinem Platz aus nichts sehen, deshalb hat die Frau mich auf ihren Platz gelassen" Mit ihrem Finger zeigt sie lachend auf mich. Die Frau folgt ihm und schenkt mir ein herzliches Lächeln. Mir fällt die unübersehbare Ähnlichkeit zu Tilo auf. Ihr Gesicht weißt die gleichen Merkmale beim Lachen auf, wie seins und seine Nase und Mund hat er eindeutig von ihr. Ihre Augen sind eher Blau-Grün, so wie von Mika.

„Danke, ihr beiden! Ich habe endlich wieder mal geschlafen", scherzt sie. Bei ihren Worten senkt sie verschwörerisch die Stimme, und zwinkert uns zu: „Nächstes Mal brauche ich wirklich ein eigenes Zimmer, wenn dein Vater schon nicht da ist!" Sie lächelt mich an. „Erinnert mich umbedingt dran!", bei den Worten klopft sie sich leicht gegen die Stirn. „Notiz an mich selbst: ein Hotelzimmer mehr buchen"

Tilo und ich stimmen in ihr Lachen mit ein. „Also ich bin Cora, und die beiden Hübschen da neben dir gehören zu mir, aber das weißt du doch schon längst, stimmt's?", während sie das sagt, schaut sie Tilo wohlwissend an. Dieser verdreht nur die Augen, und beginnt alle Sachen von Mika und ihm in seinen Rucksack zu verstauen. In Gedanken richte ich mich auf, und beginnende es ihm gleichzutun. Also ist es seine Mutter, und Mika wahrscheinlich seine Schwester.

Als ich mich nach meinen Sachen suchend umschaue, bemerke ich, wie Cora jede meiner Bewegungen verfolgt. Verstohlen kehrt sie uns den Rücken zu, anscheinend hat sie bemerkt, dass es irgendwie unangemessen ist.

Tilo schüttelt stumm seinen Kopf. Anscheinend war sie doch nicht so unauffällig, wie sie dachte.

Wortlos bücke ich mich nach meinem Rücksack, stopfe mein Handy, die Kopfhörer, die Augenbinde, mein Buch, das ich nicht angerührt habe, die leeren Brötchentüten und all meinen anderen Krams in den viel zu kleinen Rucksack.

Tilo ist gerade dabei, das gleiche zu tun, und beginnt auf einmal zu sprechen: „Frag lieber nicht. Sie hat öfters ihre fünf Minuten. Dann kann sie irgendwie nicht einsehen, dass sie 34 ist, und keine 17. Und dann hatte sie gerade fünf Wochen Urlaub. All das kommt gerade zusammen... Deshalb nimm sie einfach nicht ernst!" Sein Blick sucht den meinen. „Sonst geht sie aber voll klar", schiebt er grinsend nach.

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