⟢ 𝐗𝐈𝐕 ⟣

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Ganz kurz ziehe ich in Erwägung die Bombe direkt platzen zu lassen, entscheide mich kurzerhand jedoch dagegen, weil die Verlockung, sein verdattertes Gesicht zu sehen, einfach zu groß ist.

„Hast du Geschwister?", brechen die Worte aus mir heraus ich kann nicht anders als laut über die Enttäuschung in seinem sonnengezeichneten Gesicht zu lachen. Damit hatte er nicht gerechnet.

„Ernsthaft?"
Seine geweiteten Augen spiegeln genau das wieder, was ich gehofft habe und animieren mich dazu, mit Freude weiter zu provozieren und noch nicht aufzulösen.

„Vielleicht..."

Fassungslos lässt er sich schwer zurückfallen, seine Züge entgleiten ihm und völlige Verständnislosigkeit zeichnet sein hübsches Gesicht.

„Alyah-" stößt er mit heiser klingenden Stimme aus.
„du machst mich jetzt schon fertig!", stöhnt er und mühsam unterdrücke ich ein Giggeln.

Seine Hand, die fahrig Richtung Stirn und Haare wandert, ist gebräunt wie der Rest seiner Haut, und bildet zusammen mit den gelockten, häufig der Sonne ausgesetzten Haaren, die sowieso schon naturblond sind, und somit von mal helleren, mal dunkleren Strähnen durchzogen sind, den grauen, funkelnden, fast schon stechenden Augen, der geraden Nase, der klar erkennbaren Linie seines Kiefers und den ausgeprägten Wangenknochen und natürlich mit dem breiten Lachen, das seine geraden Zähne zeigt, einige kleine Grübchen auf sein Gesicht zaubert und wegen seines Dauerzustandes wie fest gewachsen wirkt, ein durch aus, als attraktiv zu bezeichnendes, Gesamtbild.
Lioba behält schon recht, wenn sie ihn einen „hotten Surferboy" nennt, denn, zumindest soweit wie ich es unter dieser Kleidung erahnen kann, scheint er relativ trainiert zu sein, und obwohl es nicht so wirkt als hätte er irgendein Gramm zu viel am Körper, kann man nicht auf die Idee kommen ihn als schmächtig oder knochig einordnen.

Der Ausschnitt seines dunkelblauen, verwaschenen T-Shirts würde bei einem Mädchen als verboten tief bezeichnet werden, doch geht bei ihm als Junge durch und lenkt den ein oder anderen Blick auf seine trainierte Brust, was durchaus auf mehr vermuten lässt.

Nicht dass ich es bewusst darauf anlegen würde. Ich muss mir das alles nur einprägen für die Verrückte am anderen Ende der Welt, schließlich will sie etwas zu hören bekommen und ich nicht von ihr in Grund und Boden geschellt werden, denn wenn ich ihr keine neuen Infos bringe, werde ich etwas zu hören bekommen. Etwas lautes.

Vertrauen ist gut - Vorsorge ist besser!

Doch erst einmal wende ich mich besagtem Informant zu, um ihr nicht noch mehr Grund zu geben. Egal wie oft ich ihr versichere, dass er nicht mein Typ ist, oder egal wie sehr er es ist, für mich nicht in Frage kommt, sie wird es immer wieder probieren mich über die Distanz mit ihm zu verkuppeln, doch wenn sie dann hier ist, werden sich ihre Bemühungen vermutlich nicht länger auf mich beschränken, sondern ganz schnell auf sich selbst erweitern. Denn der Junge auf dem Stuhl mir gegenüber fällt eindeutig in ihre Interessen, deshalb wage ich mich nun auch zu fragen: „Recht hast du, das war nicht die richtige Frage", schließlich habe ich einige Fakten in die folgenden Telefonate einzubringen.

„Aha", erwidert er darauf bedacht wenig begeistert zu klingen, doch seine Mimik spricht eine andere Sprache, als in seine Augen ein kleiner Funke erwacht, der erst erlöschen wird, wenn er die eigentliche Frage hört und beantwortet hat, und seine mürrisch verzogenen Lippen zu zucken beginnen.

Ha! Wusste ich es doch!

„Hast du eine Freundin?", zögere ich und will weiter sprechen, als er mir ins Wort fällt: „Daher weht also der Wind. Soso, Alyah. Aus dem Holz bist du also. Kommst direkt zum Punkt", scherzt er und scheint wie ausgewechselt, wenn man bedenkt, dass er vor zehn Sekunden noch darauf bedacht war, genervt bis zum Geht-nicht-mehr zu wirken.

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