{𝟹} 𝙳𝚎𝚛 𝚂𝚘𝚖𝚖𝚎𝚛𝚊𝚋𝚎𝚗𝚍

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Nun, mein geschätzter Mitbewohner und ich hatten uns auf ein kleines Abenteuer in ein altes Krematorium gewagt, welches ständig einen Hauch der Musik in seinem Inneren erlebte. Fast jedes Wochenende findet dort ein kleines aber doch sehr gutes Konzert statt, in der Mitte von schon längst verstorbenen Menschen. Ständig dachte ich über dieses Gegenteil nach, die Musik, das wirklich lebendigste Ding auf dieser Erde in der Mitte vom Tod. Fand ich irgendwie faszinierend.

Jedenfalls saßen wir da mit anderen Menschen, die die Liebe zur Musik mit uns teilten. Es war alles so locker, aufregend und auch irgendwie schräg. Es gab ältere Erwachsene, die mit ihrem Glas voll Sekt in der Hand und ihrem doch scheinbar erwachsenem Grinsen uns fragten: ,,Aus welchem Grund seid ihr beide denn Heute hier?", und ich würde am liebsten jedes Mal antworten: ,,Aus welchem Grund geht man denn auf ein Konzert? Um 'n Sektchen zu trinken?"

Aber ich glaube das wäre ein wenig geschmacklos. Das dachte ich mir zumindest schmunzelnd währenddessen Filios für mich das Beantworten übernahm.

Das Konzert verlief überragend gut, eine Acapella Gruppe, die es wichtig fang ihren Auftritt auf Humor zu basieren. Genial dachte ich. Sie beziehten das Publik mit ein, entweder mit Gesang, Aufgaben oder Sympathie. Ja die Sympathie durch den Humor kennen wir alle.

Zusammengefasst war dieser Abend wunderbar vollkommen. Es ist Sommer, der geliebte Sommergeruch der Sonne und die Menschen auf der Straße, die alle das Zusammensein genießen.

Also saßen wir um den Abend auszuklingen auf unserem Balkon, es war schon dunkel geworden und wir rauchten beide Eine. Gelegenheitsraucher, ich schwöre.

Filios saß mit einer Hand gestützt auf dem Oberschenkel und der anderen Hand mit der Zigarette in der Hand, angelehnt an seiner Backe, in einem alten Gartenstuhl und schaute auf die doch so stille Straße. Ich lachte.

,,Was denkst du gerade?"

Seine Augen blickten zu mir. Und gingen wieder zurück mit dem Blick auf die Straße.

,,Ist es nicht komisch, dass dieser Tag so schön war aber ich dennoch irgendwie, eine gewisse Traurigkeit empfinde?"

Mit dem rechnete ich nicht. Ich sah ihn an. Und ich wusste er spürte meinen besorgten Blick. Deswegen antwortete er schnell hinterher:

,,Es ist nicht so wie du denkst Hannah, ich glaube ich bin einfach noch nicht so zufrieden wie ich es mir immer in meiner Jugend ausgemalt hatte."

Das machte Sinn.

,,Was würde dich denn Zufrieden empfinden lassen?" was ich sanft lächelnd sagte, ich wusste ja nicht wie ernst ihm es war.

,,Freiheit."

,,Freiheit?" fragte ich sehr interessiert.

,,Meine liebe, ist dir schon mal aufgefallen, dass unser Menschensystem uns quasi den Weg schon vorgelegt hat? Kindergarten, Schule, Arbeit, Familie, Tod. Wo bleibt die Kreativität?"

Er lachte.

,,1:0 für dich." Wir beide lachten.

Man muss wissen, Filios liebte das Leben. Er war ein absolut positiver Realist. Er hörte fast jeden Abend Elvis Presley's Platten durch, er tanzte mit geschlossenen Augen ganz sanft im Rhythmus und er spürte das vollkommene Leben und all die Reize die er nur aufsaugen konnte.
Er kochte Abends, meist aus dem französischen Kochbuch welches er von seiner Tante bei seinem Auszug bekam und versuchte sich an Omelett mit Schnittlauch, oder was auch immer das war. Ich war natürlich dann sein Testobjekt. Er ist zwar nicht ganz begabt im Backen aber das Kochen liegt ihm in den Adern, das sagen zumindest meine Geschmacksnerven meiner Zunge. Er sieht das Kochen als eine Art Selbstliebe. Das fängt schon beim Einkaufen an, wenn seine funkelnden Augen sich in der Gemüseabteilung nach Zucchini und Pilzen umsehen und er an der Kasse nochmals betont wie sehr er sich auf das Kochen freute. Ich glaube ich kenne niemanden, der das Kochen und die Mühe um gutes Essen so sehr als Selbstliebe sieht wie Fillios.
Das machte ihn interessant, als ein Gesicht in meiner Menschensammlung, das ich davor noch nicht kannte.

,,Bist du denn zufrieden?", konterte Filios.

,,Mit meinem Leben oder mit dem Leben?"

Er zog eine Augenbraue hoch und schmunzelte.
,,Du hast es verstanden."

,,Ja. Ja ich glaube auch."

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Ich war glaube ich schon immer ein kleiner Verächter der Welt. Vielleicht weil ich ein so großer Realist bin und ständig meine Meinung zu gesellschaftlichen Themen egal wo und wann ich bin mit Genuss raus lasse.

Wie oft ich in der Schule saß und dachte wie oberflächlich die ganzen Menschen sind mit ihrem Menschenideal und wie sehr ich sie oftmals verabscheute. Ich dachte ich wüsste es besser. Aber heute weiß ich, niemand ist besser oder schlechter. Ich kann mir das Recht über diese Einordnungen von böse und gut nicht nehmen. Auch die oberflächlich-denkenden Jugendlichen in meinem Freundeskreis oder in meiner damaligen Klasse haben alle ihre Motivation und Gründe so zu denken. Sie sind deswegen keine schlechte Menschen.

Ich habe wirklich lang gebraucht mich selbst von diesem hohen Ross zu stürzen, dass ich es besser wüsste als die Anderen.

Das Mädchen welches ständig darüber Witze in der Schule machte, dass ein anderes Mädchen in der Stufe unter uns einen Katzenohr-Haarreif trug, wurde ständig von ihren Eltern für die kleinsten Dinge bestraft, durfte Daheim kaum was sie wollte und hatte null Selbstwertgefühl.

Wir Menschen haben Bedürfnisse und wenn diese nicht befriedigt werden dann erleben wir eine Frustration, was wir ja nicht wollen. Deswegen versucht das Mädchen, dass sich ständig über andere negativ äußert, ihr Selbstwertgefühl von Zuspruch durch negative Äußerungen und ihre Anhängsel zu holen.

Ich sagte ja, ein wenig schräg ist unsere Welt schon. Aber es ist natürlich auch hochinteressant.

Natürlich erwische ich mich immer noch oft beim Verurteilen von anderen Menschen. Ich denke aber das es etwas menschliches ist, weil wir ja im Laufe unseres Lebens lernen Menschen in Kategorien einzuordnen. Familie, Freunde, Feinde und solche Dinge. Diese Einordnungen haben Kriterien wie Vertrauen, Verhalten und unseren Moralvorstellungen.

Um so länger ich darüber nachdenke um so mehr merke ich wie umfangreich dieses Thema ist. Aber ich habe ständig das Gefühl mit dieser Art zu Denken alleine zu sein. Zumindest hatte ich das Gefühl, bis Sebastian Filios in mein Leben trat.

Was würde ich nur ohne ihn sein, welche Art zu denken hätte ich nur ohne ihn?

Und ja, ich habe eine verdammt emotionale Seite. Ich empfinde liebende Gefühle sehr intensiv und ich bin höchst dankbar dafür.

Und dankbar für den besten Freund auf dieser Welt. Der verdammt gut in meine Kategorie 'Bester Freund' mit seinen ganz persönlichen Kriterien passt

Ach, Hannah.

The freedom of dreams [DE]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt