Es vergingen viele Wochen. Wochen, die nie schnell zu Ende gehen wollten. Vieles vergaß er mit links, aber vieles blieb noch in seinen Gedanken liegen. Er konnte nicht aufhören an ihn zu denken. Er war ein Idiot. Er hätte einen besseren Weg gefunden und Kaiba war der Schuldige. Aber er lief ihm nicht trauernd hinterher, das war Yugis Job und er war viel zu gut für ihn. Seto packte seinen Koffer und ging aus seinem Büro, vorbei an seiner Sekretärin, heraus. Verabschiedungen waren nicht seins, weder bei dem Pharao noch bei irgendwelchen anderen Leuten. Sein Auto war ganz leise, als es durch den Schnee fuhr. Winter beruhigte ihn, hier gehörte er hin; alles genauso kalt wie er es war und wie seine Seele und sein Herz es sein mochten. Für Mokuba hatte er immer ein offenes, warmes Herz. Was damals passiert ist, wird er nicht mehr vergessen. Seitdem ist er immer für seinen Bruder da und unterstützt ihn immer dort, wo er kann und falls er überhaupt die Zeit dazu hat, auch wenn es eher so aussehen würde, als würde Seto ihm nie helfen, aber das stimmte nicht und das wussten nun beide. Das reichte ja auch.
Sein Haus leuchtete von innen. Ach Quatsch, es war doch kein Haus, es war schon praktisch eine Villa. Sie beinhaltete alles, was man von einem reichem Seto Kaiba erwartet hätte, einschließlich das Sofa, das passte nicht so ganz zur Umgebung, aber es war Mokubas Geschmack und so musste der größere Bruder von den beiden das Sofa wohl oder übel doch noch behalten, egal wie sehr er sich manchmal wünschte, seinem Bruder für solche komischen Ideen eine reinzupfeifen. Kaum hatte er seufzend die Tür geschlossen, schon kam ein kleiner, schwarzhaariger Junge auf ihn zu.
"Seto, wie liefs heute bei deiner Konferenz mit der Firma von Herrn Blattweg?"
"Ich hatte keine Zeit für seine albernen Angeboten, die er mir da erzählt hat. Ich soll meine Arbeitskräfte mit ihm teilen, wenn wir eine Partnerfirma werden? Dass ich nicht lache! Wie dumm denn solche Menschen auch bitte sein können..." Mokuba war der liebere von den beiden, aber das wusste man sofort, auch ohne ihn je mal persönlich kennengelernt zu haben, weil Seto Kaiba schon ein einziges, arrogantes Arschloch war. Er hang ihm den Mantel auf und setzte sich zu seinem großen Bruder auf das schreckliche Sofa, nach dessem Geschmack her. Es schien für eine kurze Zeit still zu sein. Nur das schwache Knistern des Kamins vor ihnen zeigte den Ohren der beiden, dass sie noch lebten.
Mokuba war seit dem Vorfall mit Atemu überaus besorgt. Sein Bruder ging weder an seine Telefonanrufe dran, noch sprach er mit ihm in seiner Firma, wenn er ihn vorbeigehen sah. "Ich bin doch kein Geist für ihn, oder? Ich bin doch sein Bruder!", dachte er sich dann immer wieder aggressiv. Ihm kam es oft so vor, als würde Seto immer noch in der Vergangenheit leben. Dort, wo es den beiden nicht gut ging. Absolut schrecklich. Nach dem Tod beider Eltern wurden Seto und Mokuba von ihren Verwandten, die nur hinter dem Nachlass des Vaters her waren, ins Waisenhaus gegeben. Sein Bruder war zu jener Zeit Acht Jahre alt und man möge sich kaum vorstellen, wie schwer es für den damals acht-jährigen war, seinen noch jüngeren Bruder zu versorgen. Seit diesem Vorfall vertraut Seto niemanden und will nie wieder irgendeine Schwäche zeigen. Er versprach Mokuba sich um ihn zu kümmern und ihn zu beschützen. Mokuba kam es an dem Tag so vor, als würde Seto nicht nur sein großer Bruder sein, sondern auch sein Vater. Es war eine harte Zeit, wo beide im Waisenhaus waren, aber zusammen haben sie alles geschafft. Und nun sitzen beide in dem selben Raum, aber es gab keine glückliche Stimmung wie immer zwischen ihnen. Es war genauso wie damals, diese bedrückende Stimmung zwischen ihnen, als sie erfuhren, dass sie ins Waisenhaus abgegeben werden. Seto hat damals so viel für Mokuba getan. Und heute will Mokuba ihm das alles zurück geben, auch wenn er Atemu nicht komplett zurück bringen konnte, so konnte er Setos guten Erinnerungen an ihn etwas auffrischen.
"Wie gehts dir?", fing er plötzlich zögernd an zu fragen. Seto war kein Herr der Worte. Er zeigte es durch gestikulierungen oder durch Mimiken, die man meist wirklich nicht sehen wollte, weil sie so kalt waren. Aber Mokuba war das gewöhnt. So war nun mal sein Bruder, ob böse oder nicht, er liebte ihn und er konnte es Seto nicht verübeln. Der ältere von ihnen drehte seinen Kopf in die Richtung seines Gegenübers und sein Gesicht verriet keinen einzigen Hinweis auf einen seiner Gefühle. "Wie sollte es mir denn jetzt gehen, Mokuba?" Der kleinere zuckte mit den Schultern. "Ich hoffe doch gut, denn keiner möchte einen schlecht gelaunten Chef in der Kaiba Corporation sehen.", witzelte er langsam. Aber Kaiba verstand den Witz nicht und Mokuba wurde langsam unruhig. Er war es zwar gewöhnt, dass sein Bruder so war, aber er war noch nie so böse am gucken, wie er das gerade tat. "Hör mal, Seto, ich bin doch dein Bruder wir können reden, und ich bin mir ganz sicher, dass Atemu irgendwann wieder zurück kommt oder du ihn holen kannst, aber-" Aber Setos Nerven gingen ans Ende, niemals sollte jemand seinen Namen aussprechen, wenn er in Anwesenheit war.
"Raus hier."
Mokuba dachte, er hörte nicht ganz richtig. Er dachte, Kaiba würde Spaß machen. Aber dem war es nicht so. Ganz und gar nicht. Sein Bruder meinte es ernst. Und als er in diese tiefen, dunklen Augen, wie sie nun geworden sind, weil Atemu erwähnt worden war, hinein blickte, wusste er auch, dass es nicht mehr zu Spaßen war und er mit dem älteren nicht mehr diskutieren konnte. Also seufzte er und stand auf. Ging ganz langsam die Treppen hoch, und schaute ein letztes Mal nach hinten ins Wohnzimmer, bevor er schlafen ging.
"Ich weiß, du liebst ihn. Aber vergiss deine Mitmenschen nicht. Auch wenn meine Freunde dich sowieso nicht interessieren mögen, so vergiss nicht, dass auch ich noch da bin und das alle hier, die ihn kannten, genauso tief verletzt sind und ihn vermissen, wie du es tust."
Mokuba wollte nicht weinen.
Weinen ist nur für schwache Menschen, Mokuba, und wir sind keine von ihnen.
Das hatte er immer gesagt, wenn der kleinere kurz vom Ende war und seinen Tränen den Sieg lassen wollte. Aber heute war etwas anders. Er fing nicht komplett an zu weinen, nein, aber ein ganz kleiner Tropfen verließ sein linkes Auges. Und wäre er vielleicht etwas länger unten geblieben, so hätte er auch einen aufgewühlten, traurigen Seto Kaiba gesehen, den man nur selten so zu Gesicht bekommt. Denn nun war es an der Zeit, die verbannten Gedanken aus seinem schlauen Verstand herauszugraben und etwas zu tun, worauf Yami im stillen stolz auf ihn gewesen wäre.
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Pyramide - Prideshipping
Fanfiction„Ich fordere dich zu einem Duell heraus, Pharao!" Der Raum wurde plötzlich erneut totenstill und Atemu ließ sich seine Panik nicht anmerken. Seto wusste nicht, was ein Duell in dieser Welt ausmachen würde. „Du weißt nicht, was du da tust, Kaiba."...