Kapitel 4 - die Realität

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>>Sicht von Mikail<<


Ihr Gesicht sah traurig, geschockt und gleichzeitig auch irgendwie wütend aus. Ich nahm ihr das Buch aus der Hand und blickte auf die Seite, welche sie so sehr verunsichert hat. Nun verstand ich. Abgebildet war ein Bild von den Massakern des Mittelalters. Schreckliche Zeiten damals. Ich kannte sie nur aus Geschichten und Sagen die unter den Begabten erzählt wurde. Sie hatte wohl noch nie davon gehört, auch wenn ich mich fragte wieso das so war. Ich wusste nicht wie ich sie genau fragen sollte. Doch es interessierte mich einfach viel zu sehr also schoss ich mit der Frage förmlich heraus: "Wusstest du nichts davon?". Wie eigensinnig, hier stach wieder mal die Seite von mir heraus, die ich selber nicht mochte. Wie auch immer, ich hätte sie nicht so bedrängen sollen. "Entschuldigung, ich bin einfach nur neugierig", fügte ich beschämt hinzu. Doch sie schien kein grosses Problem mit der Frage zu haben. "Kein Problem, ich erkläre es dir. Die einzige Person, mit der ich über unsere Gaben sprechen kann, ist meine Grossmutter, aber sie erzählt nicht gerne von den vergangenen Geschehnissen. Nur mein Vater war sonst noch ein Begabter in meiner Familie, aber ich habe ihn nie richtig kennengelernt. ", antwortete das Mädchen mit einer überraschend starken Stimme. Sie hat ein großes Durchsetzungsvermögen, das erkenne ich daran wie sie redet. "Ehrlichgesagt habe ich bis jetzt gedacht, dass es schon immer so wenige von uns gab...". Jetzt wurde ihre Stimme sanft und fein. Es hörte sich schon ein bisschen zerbrechlich an. Ich wollte eigentlich noch etwas darauf erwidern, aber ich verstummte ganz plötzlich. Dieses Mädchen hatte bis zu diesem Moment nicht gewusst, dass sie zu den wenigen Überlebenden gehört? Niemand hat ihr erzählt, dass alle ihre Vorfahren bei so einer Schlacht gestorben sind. "Macht es dir was aus über deinen Vater zu erzählen?", fragte ich, um auf ein anderes Thema zu kommen. Dann begann sie an zu erzählen: Nun ja, das war so: ..."

"Dann ist er verschwunden und nie wieder zurückgekehrt. Seitdem lebe ich alleine mit meiner Mutter", erwiderte sie. Es sah so aus als hätte sie es mit der Zeit schon akzeptiert, dass sie nicht viele Bezugspersonen hatte. Doch sie tat mir leid, es ist schwierig als Begabte in so einer Familie und Umgebung zu leben. Niemanden zu haben, mit dem man darüber reden kann. Sie hatte bestimmt schon schlimme Zeiten durchstehen müssen, ganz alleine. Alles für sich selber zu behalten, ich kannte dieses Gefühl. Mehr als mir lieb war. "Sag mal hast du schon mal von einem magischen Buch gehört?", fragte ich sie plötzlich aus dem nichts heraus. Jetzt war ich gespannt was sie mir sagen würde. "Ja das habe ich tatsächlich. Mein Traum ist es schon seit einigen Jahren eines der besagten Bücher zu finden.", antwortete sie begeistert. Ihre Augen begannen förmlich zu strahlen. "Ich bin mir sicher, dass es sich irgendwo hier in der Nähe aufhält und ich suche es nun schon seit Ewigkeiten, doch ich habe es immer noch nicht gefunden. Wieso fragst du?", fragte sie mich. Ich begann zu schmunzeln. "Oh, ich glaube da habe ich etwas, was dir sehr gefallen wird!", sagte ich. "Wirklich?", fragte sie. Ich konnte schon förmlich das Glitzern in ihren Augen erkennen, bei denen es sich wahrscheinlich nur um die Spiegelung der Glühbirnen handelte. "Liz mein Name ist Liz. Es freut mich deine Bekanntschaft zu machen!", sagte sie lachend. Ich konnte mir auch kaum ein Lächeln verkneifen. "Darf ich dich noch einmal entführen, Liz?", fragte ich sie. "Nichts lieber als das", entgegnete sie schmunzelnd. Ich begann zu lachen. Liz, ein schöner Name. Eines wurde mir jetzt klar, dieses Mädchen war ganz und gar aussergewöhnlich.

Der Schatten an meiner SeiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt