Kapitel 3 - die Wahrheit

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<<aus der Sicht von Liz>>

Ob ihm das mit meinem Handgelenk, oder dass er mich mehr oder wenig entführt hatte leidtat, wusste ich nicht, aber wie ich das Oma erklären sollte, dass machte mir viel mehr Sorgen. Doch als ich von meinem Handgelenk aufsah konnte ich meinen Augen nicht mehr trauen. Eine riesige Bibliothek, tief unter der Erde überwältigte mich. Es war alles voller Bücher. Links und rechts, einen endlos scheinenden Gang entlang, vollbepackt mit Büchern. Aber es schienen nicht irgendwelche Bücher zu sein. Ich trat näher an den Anfang des langen Gestells heran und musterte die Buchdeckel der Bücher. Alle waren über unsere Gaben! Genaue Analysen und Forschungen über unsere Kräfte, schienen hier unten versteckt zu sein. Doch was wirklich besonders war, waren die Regale. Sie gingen viele Meter nach oben, nicht einmal das Ende war zu sehen! Ich konnte mich nicht erinnern so viele Treppenstufen gelaufen zu sein... Wie war das möglich? Der Gang, der nach vorne führte, schien ebenso unendlich lang zu sein. Es endete nicht, ging immer weiter und weiter. War dieser Ort etwa... magisch? Noch nie habe ich einen magischen Ort mit meinen eigenen Augen gesehen. Es gab nicht viele auf der Erde. Vielleicht 3, oder 4. Niemand weiss es genau. Ich war stark beeindruckt und fühlte mich sehr geehrt, dass er mir diesen Ort gezeigt hatte. "Wer bist du?", fragte ich ihn. Eine Frage, die mich schon den ganzen Weg bis hierhin beschäftigt hatte. Wer war er? Mittlerweile war ich mir ziemlich sicher, dass er ein tempus viatorem war. Aber was machte er hier? In so einem abgelegenen Dorf, hatte er nichts Besseres zu tun? Er zögerte ein bisschen mit seiner Antwort, er schien doch eher schüchterner zu sein, als ich erwartet hatte. "Ich bin Mikail", sprach er. Und dann begann er zu erzählen. Wie er hier aufgewachsen sei, ganz alleine ohne Eltern und nun die Verantwortung für die Bibliothek trug, nachdem der alte Besitzer leider verstorben war. Wie er erfuhr, dass er durch die Zeit reisen konnte und nicht der einzige Begabte auf der Welt war.

Mittlerweile hatte er sein Selbstbewusstsein gefasst und redete drauf los. Seine Augen begannen förmlich zu strahlen, während er davon erzählte, wie er die Bibliothek entdeckte und hier aufwuchs. Ihm musste wohl wirklich vieles an diesem Ort liegen. Das konnte ich natürlich sehr gut verstehen. Wäre ich an so einem Ort aufgewachsen hätte ich nie Probleme gehabt mich in die Umgebung zu integrieren. Ich hätte es gar nicht einmal nötig gehabt. Alles was ich bräuchte, wäre hier, in der Bibliothek. Er fuhr fort: "Der Besitzer war ein sehr alter motus imperium. Nun passe ich hier auf alles auf! Er hat mir die Augen auf diese Welt geöffnet und mir alles beigebracht was ich wissen muss" "Und was genau bist du?", fragte ich etwas unsicher, "Also ähmm welche Gabe hast du?" Bei dem Wort "Gabe" stotterte ich. Noch nie habe ich mit einem Fremden oder einen mit einer anderen Gabe über diese Dinge gesprochen. "Ich bin ein tempus viatorem und ich nehme an das du ein animo lectorem bist, oder?", fragte er mich. Seine Stimme klang laut und stark, hingegen war meine nur mickrig und ängstlich. Deshalb nickte ich nur leicht mit dem Kopf und starrte auf den Boden. "Was ist denn los? Willst du dir denn nicht all diese Schätze ansehen?", fragte er mich schmunzelnd. Mit diesen Worten riss er mich aus meinen Gedanken. "Doch, doch natürlich", stotterte ich. Ich ging vorsichtig ein paar Schritte nach vorne und strich mit meinen Fingern über einige Bücher, bis mir ein spezielles ins Auge fiel. Das Buch sah alt aus, sehr alt. Der Einband war hellbraun und schon etwas abgenutzt, die Seiten ein wenig vergilbt. Vorsichtig nahm ich es aus dem riesigen Regal und wischte die dünne Staubschicht vom Buchdeckel. "Die Geschichte der animo lectorem" stand in goldener Schrift auf dem Buchdeckel geschrieben. Ein Buch über uns? Ich öffnete wahllos irgendeine Seite. Das Buch begann plötzlich eigenartige Geräusche zu machen. Auf der Seite, die ich aufgeschlagen hatte, war ein Bild zu sehen, welches vermutlich aus dem Mittelalter stammte. Es war ein schreckliches Bild. Mir stockte der Atem. Überall war Feuer, riesige Rauchwolken und unzählige Menschen. Ein grosser Teil davon waren vermutlich animo lectorem. Sie wurden aus der Menge weggezerrt und in die Mitte des Platzes gebracht. Ich konnte ihre Schmerzensschreie hören, während sie in den Flammen verbrannt wurden. Das Bild bewegte sich, passend zu dem was dort gerade geschah. Das Buch zeigte mir die Wahrheit. Das, was damals mit den animo lectorem wirklich geschah. Nun wurde mir auch klar warum es nur noch so wenige von uns in der gesamten Welt gab. Weil wir gejagt wurden.  

Der Schatten an meiner SeiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt