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„Hey Dad.. Warum nimmst du nie ab, wenn ich dich anrufe? Ich würde wirklich gern mit dir sprechen.. Versuch bitte, so schnell wie möglich zu antworten, ja? Tut mir leid, wenn ich dich störe..", ich legte mein Handy beiseite und begann, leise zu Schluchzen.

In der vergangenen Nacht hatte ich für keine Sekunde auch nur ein Auge zu gemacht, ich war hundemüde, konnte jedoch einfach nicht einschlafen.

Wimmernd vergrub ich mein Gesicht in meinem Kopfkissen und schluchzte leise vor mich hin, ließ den Tränen einfach ihren Lauf.

Ich hasste mich selbst dafür, so sensibel und eine wahrhaftige Memme zu sein, die bei jedem Bisschen gleich herum heulen musste.

Kein Wunder, dass in meiner Schule niemand etwas mit mir zutun haben wollte..

Ich konnte gut verstehen, dass David wütend auf mich war, weil ich in seinen Sachen herumgeschnüffelt hatte, aber warum musste er gleich so aggressiv reagieren?

Und was, wenn er gegenüber meinen Geschwistern auch mal die Kontrolle verlieren sollte? Laurie oder Nico waren noch zu jung, um einigermaßen damit klarzukommen. Die beiden hatten das nicht verdient.

Als es dann an meiner Tür klopfte, erhob ich mich und wischte mir mit meinem Ärmel schnell die restlichen Tränen aus dem Gesicht, bevor ich schließlich zur Tür ging.

Ich öffnete sie bedächtig und sah meine Mum, meine Geschwister und David vor mir stehen.

Ich versuchte so gut es ging, seine Anwesenheit weitestgehend zu ignorieren, dennoch spürte ich erneut seinen durchdringenden Blick auf mir.

„Morgen, Schatz. Wir wollten nur Bescheid sagen, dass wir jetzt mit Laurie und Nico zum Spielplatz gehen. Kommst du mit?", sie sah mich mit einem breiten Lächeln an, während sich in meinem Hals ein Kloß bildete.

Ich warf David einen Blick zu, welcher mich wieder mit seinem typischen Grinsen beobachtete, schüttelte dann jedoch leicht den Kopf.

„Ich bleibe lieber hier, mir geht es heute nicht so
g-gut und..", setzte ich an, wurde dann jedoch von ihr unterbrochen, indem sie ihre Hand auf meine Stirn legte.

„Du hast Recht, du siehst heute gar nicht gut aus. Du bist ganz blass und deine Augen sind angeschwollen.. Sag mal, hast du geweint?", fragte sie plötzlich und sah mich traurig an, wobei sie doch eben noch gelächelt hatte.

Sie schien so glücklich mit David zu sein, und ich machte ihr alles kaputt..

„N-nein! Mir geht es nur nicht gut. Mach dir keine Sorgen!", versprach ich ihr und zwang mir ein unechtes Lächeln auf, während Ihres auf ihr Gesicht zurückkehrte und sie mir liebevoll durch meine dunklen Haare wuschelte.

„Ruh dich gut aus, Lucas.", sagte sie bestimmend und schenkte mir noch ein schönes Lächeln, ehe sie sich umdrehte und im Hausflur verschwand.

Laurie und Nico folgten ihr sofort und schrieen fröhlich herum, während David jedoch noch kurz vor meiner Tür stehen blieb.

„Überleg dir gut, was du tust, kleiner. Vergiss nicht, ich sehe alles!", prophezeite er mir und seine Augen funkelten bösartig, als ich ängstlich schluckte und anschließend nickte.

„Kommst du, Schatz?", hörte ich meine Mum von der unteren Etage aus rufen, woraufhin mich David noch ein letztes Mal angrinste, ehe davon schritt als wäre nichts gewesen.

Schluckend schloss ich meine Tür hinter mir und wollte mich gerade wieder auf mein Bett werfen, als ich mich im Vorbeigehen im Spiegel betrachtete und kurz davor stehen blieb.

Ich selbst war schockiert von meinem Anblick.

Meine Augen waren rot und angeschwollen, ich hatte bereits tiefe Augenringe und meine Haare standen in alle Richtungen ab.

Was war nur los mit mir? Warum musste ich mir ständig meinen Kopf über alle möglichen Dinge zerbrechen? Und warum hatte ich absolut kein Selbstbewusstsein?

Ich fühlte mich in diesem Haus nicht mehr sicher, sobald David hier war. Ich hatte ständig das bedrängende Gefühl, beobachtet zu werden, was ich mir einfach nicht erklären konnte.

Sein Blick, der auf mir lag, durchbohrte mich stets wie eine Pfeilspitze und ließ mich automatisch unwohl und eingeschüchtert fühlen.

Warum konnte ich mich nicht einmal zusammenreißen?

Ich seufzte leise und warf sicherheitshalber noch einen Blick auf den Bildschirm meines Handys, um zu überprüfen, ob mir mein Dad möglicherweise eine Nachricht geschickt hatte, doch da war nichts.

Ich setzte mich auf und schaute kurz aus meinem Fenster, als die Sonne begann kräftig zu scheinen und mein trübes Zimmer zu erhellen.

Vielleicht würde mir ein Spaziergang an der Luft jetzt guttun und mich auf andere Gedanken bringen?

Kurzerhand beschloss ich, mir eine dünne Decke einzupacken, um es mir auf der grünen Wiese des schönen Parks gemütlich zu machen.

Ich stopfte sie in meinen alten Rucksack, gemeinsam mit meinem Zeichenblock und meiner Federmappe, in welcher lediglich ein paar verschiedene Bleistifte und ein Radiergummi zu finden waren.

Ich schwang mir meinen Rucksack über die Schulter und machte mich auf den Weg zu dem Park, in welchem ich mich schon immer oft und gerne aufhielt.

Ich liebte die Natur, das sanft plätschernde Wasser des kleinen Flusses und den angrenzenden Wald.

Ich lauschte dem sanften Klang der Singvögel während eine angenehme Windbrise durch meine Haare streichelte, und die Sonne auf mich herab schien.

Ich atmete fröhlich die frische Luft ein. Es war eine wirklich gute Idee, hier her zu kommen.

Ich breitete meine Decke im frisch gemähten Gras aus und setzte mich lächelnd darauf, als ich meinen Zeichenblock und ein paar Bleistifte aus meinem Rucksack kramte, um mich an einer neuen Zeichnung zu versuchen.

Glücklicherweise hatte ich einen kühlen Platz im Schatten gefunden, unter einem hohen Baum, welcher stolz seine starken Äste in die Höhe reckte.

Niemand anderes war weit und breit zu sehen, wodurch ich die umliegende Natur nur noch mehr bewundern konnte und beschloss, die schöne Umgebung in einer Zeichnung zusammenzufassen. Ich fokussierte mich auf den prächtigen Springbrunnen in der Mitte des Parks und fuhr mit meinem Bleistift sanft über das Papier, völlig ungestört und frei.

Das alles brachte mich auf andere Gedanken und ich begann, die Einsamkeit und Ruhe wahrlich zu genießen.

Ich war schon immer ein Einzelgänger, jemand der Gruppenarbeiten in der Schule nicht ausstehen konnte und sich in der Pause in eine einsame Ecke verzog, um Musik zu hören oder zu zeichnen.

Jemand, der von anderen nicht respektiert wurde und sich meistens völlig in sich zurückzog.

Der Tag verging wie im Fluge, doch ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich überhaupt nicht mitbekam, wie spät es eigentlich schon war.

Auch mein Handy hatte ich in meinem Zimmer vergessen, was mich jedoch in diesem Moment nur wenig störte.

Ich dachte überhaupt nicht daran, dass sich meine Mum hätte Sorgen um mich machen können, weil ich noch nicht daheim war. Gewöhnlich war ich um diese Uhrzeit schon längst zurück, doch ich war zu sehr auf meine Zeichnung konzentriert, als dass ich daran auch nur einen Gedanken verschwendet hätte.

Dies änderte sich jedoch, als ich hinter mir schnelle Schritte hörte...




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Wie hat es euch gefallen? Und was denkt ihr, könnte jetzt passieren? ;)

Stepfather Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt