Vogelgezwitscher. Wasserplätschern. Blätter im Wind. Ein herrlicher Frühlingsmorgen.
Doch dann; ein schrilles Trillern in meinen Ohren. Ich schrecke hoch und finde mich nicht auf einer Lichtung im Wald wieder, sondern in einem purpurnem Himmelbett.
Das war also doch kein Traum... die Entführung und die damit verbundenen Umstände. Wäre es doch nur ein Trugbild meiner Fantasie gewesen. Offensichtlich nicht.
Verängstigt setze ich meine viel zu kleinen Füße auf den dunklen Boden und tappse Richtung Tür."Hallo?", rufe ich leise.
"Ich habe Hunger! Bitte!"Keine Antwort.
Meine Fäuste hämmern auf die massive Tür ein. Erst als sie weh tun, höre ich damit auf. Verdammt. Warum hört mich denn keiner?
Den Rücken an die Tür gelehnt, sinke ich auf den Boden und spiele gelangweilt mit meinen Haaren. Nach kürzester Zeit habe ich lauter Zöpfe geflochten, gehe zu dem Spiegel der Kommode und sehe mich an. Ein müdes Mädchen mit matter Haut und dunklen Ringen unter den Augen blickt mir verdrusst entgegen. Zu allem Überfluss stehen ihr die unzähligen Zöpfe kreuz und quer vom Kopf ab, also wuschele ich ein paar mal durch meine Haare, um dieses Chaos zu beseitigen. Falsch gedacht. Die junge Frau hat nun ein Massaker an roten Locken um ihr Gesicht zu ertragen.
Genervt schreie ich: "Aaaaaarrrggghhhh!", in den Spiegel, setze mich wieder auf mein Bett und starre meine Reflexion an.
Zu ausgelaugt um etwas zu tun, sitze ich einfach nur so da, säubere hilflos meine Nägel und suche nach Hinweisen auf die Anwesenheit irgendeines Menschen in diesem Gebäude. Doch ich höre keine Geräusche und bekomme auch keinen Besuch.
Fünfeinhalb Stunden später tritt die ältere Dame in mein Zimmer.
"Bist du hungrig?", fragt sie vorsichtig.
"Nein überhaupt nicht", antworte ich ironisch und stolpere auf sie zu, als sie am Verlassen des Zimmers ist.
"Das... das war Ironie", stammele ich und warte auf ihre Reaktion.
Mit neutraler Miene presst sie ein: "Mhm", hervor und bedeutet mir, mich auf den Stuhl vor der Kommode zu setzen, bevor sie wieder verschwindet.
Wieder beobachte ich mich selbst in der glänzenden Oberfläche und pfeife "Mr. Lonely" vor mich hin. Natürlich die Version von Bobby Vinton. Höher komme ich mit meinen Pfeifern nicht.
Es klopft zweimal schnell an der Tür und ich blicke in ihre Richtung. Endlich Essen. Doch passiert nichts. Wieder zweimaliges Klopfen, diesmal etwas dumpfer. Verwirrt und leicht genervt öffne ich und stehe dem Mann in den dreckigen Klamotten gegenüber. Reflexartig will ich die Tür wieder schließen, als er einen Fuß zwischen Tür und Angel stellt und mich am Hals packt.
Er schüttelt mich und brüllt in lautem Ton: "WO IST ER!?"
"W... wo ist... wer?", bringe ich gerade noch so hervor.
"DAS WEIßT DU GENAU!"
"Nein... wirklich..."
"LÜG MICH NICHT AN DU FLITTCHEN!"
Sein Handy klingelt in seiner Hosentasche und er lässt mich unsanft fallen.
"Ja, ich bringe das Paket bald vorbei, keine Sorge", spricht er in den Hörer. "Herr Iwanow, alles wird ablaufen wie besprochen. Keine Fehler. Versprochen. Ja. Mhm. Gut bis dann", verabschiedet er sich und legt auf. Er blickt nach unten, doch ich bin weg.
Während des kurzen Telefonats ist es mir gelungen an seinen Beinen vorbeizukrabbeln und nun renne ich den langen Gang hinab. Sport zu machen ohne vorher etwas gegessen zu haben erweist sich allerdings als sehr anstrengend, also verstecke ich mich in einem nicht abgeriegelten Raum.
Die Schritte des Mannes werden immer lauter, genau wie mein Herzschlag. Bedacht darauf, kein Geräusch zu verursachen, halte ich die Luft an, als die Klinke heruntergedrückt wird.
DU LIEST GERADE
Red Curly Hair
Mystery / ThrillerMan hört in den Nachrichten davon. Mädchen werden entführt und tauchen nie wieder auf. Als ich in einem kühlen Raum auf einem Untersuchungstisch aufwache, realisiere ich: Jetzt ist es mir passiert. Scheiße.