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Voller Panik schlage ich meine Hände vor die Augen und schicke ein Stoßgebet gen Hölle.

Die alte Dame sieht mich mit ihren Kulleraugen an.

"Ist alles in Ordnung?", fragt sie vorsichtig.

"A... aber...", stammele ich mit einem Puls von 200.

Vorwurfsvoll schaut sie zurück in den Gang aus dem sie kam und deutet auf das Tablett am Boden, welches voller Essen ist. Ich zucke peinlich berührt ein mal mit den Schultern und rappele mich auf und gehe zum Tablett, bücke mich und erhalte einen bösen Blick von ihr.

"Ich will Ihnen nur helfen."

Ihre Mine verfinstert sich noch mehr, sie geht zu mir und flüstert: "Das ist meine Arbeit", und hebt es mühsam auf.

Da ich mir den Weg eingeprägt habe, finde ich auch alleine zu meinem Zimmer. Weil ich deutlich schneller als die Dame bin, komme ich zuerst an. Von meinem Entführer fehlt jede Spur. Als ich hinter mich blicke, kann ich die Frau immer noch nicht sehen und beschließe deshalb einen Ausbruch zu wagen.

Mit meiner Höchstgeschwindigkeit (vermutlich würde ich Außenstehenden wie eine Schildkröte vorkommen) sprinte ich wieder von meinem Zimmer weg und suche einen Ausgang. Dieser Ort hier ist komisch, mal sieht er aus wie eine Fabrikhalle und im nächsten Moment befindet man sich scheinbar in einem viktorianischem Landhaus. Um die nächste Ecke, durch die nächste Tür und vorbei an dem nächsten Wandschrank, immer weiter verirre ich mich in diesem Labyrinth. Wo ist nur dieser verdammte Ausgang? Es gibt doch einen... oder?

Endlich! Eine große und offensichtlich schwere Eisenpforte. Gebückt hinter ein paar Kisten warte ich ab und beobachte das Geschehen. Mehrere Personen tragen weitere dieser seltsamen Kisten hin und her. Ich schaue mir die vor mir stehenden Pakete genauer an. In einer mir unbekannten Sprache wurden darauf Warnhinweise verfasst und mit leuchtenden Stickern in allen möglichen Farben versehen. Sieht nach was explosivem aus... oder Drogen. Hm. Das könnte aber auch was ganz anderes sein. Ich will ja keine voreiligen Schlüsse ziehen. Plötzlich wird das Tor angehoben, doch dringt kein Tageslicht in die Halle ein. Meine Chancen abwägend nähere ich mich dem Ausgang an, packe meinen ganzen Mut zusammen und schlüpfe unter ihm hindurch. Die kalte Nachtluft brennt wie kleine Nadeln auf meiner Haut, tut aber unbeschreiblich gut. Ein grässliches Stechen durchfährt meine Brust, als eine metallene Kugel diese durchbohrt. Schreiend, blutend und sterbend sinke ich auf den Boden und meine Vorstellung eines Ausbruchversuchs findet ihr Ende.

Ich schüttele meinen Kopf und beschließe doch nicht auszubrechen. Nach fünf Minuten ist die Dame immer noch nicht angekommen, also mache ich kehrt und eile zu ihr. Der metallene Geruch von Blut steigt in meine Nase und renne noch schneller. Sie liegt mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, das ganze Essen vor ihr verteilt und die Lache aus Blut bildet einen nahezu perfekten Heiligenschein um ihren Kopf. Zitternd überprüfe ich ihren Puls, doch kann ich keinen fühlen. Voll Hektik drehe ich sie um und erblicke eine hässliche Wunde auf ihrer Stirn. Der rote Lebenssaft fließt in kleinen Rinnsalen an ihren weißen Augenbrauen vorbei bis hin zu ihren kleinen Ohren und tropft schlussendlich auf den kalten Boden. Ich reiße ein Stück meines Kleides ab und presse den Stoff auf das klaffende Loch. Innerhalb weniger Sekunden ist der Fetzen komplett rot und fördert somit meine Panik. Ich nehme ihn sofort von ihrer Stirn und mache einen neuen. Immer und immer wieder versuche ich sie anzusprechen und überprüfe ihren Puls. Jetzt hilft nur noch eine Herzdruckmassage. Wie im Erste-Hilfe-Kurs gelernt, führe ich diese durch und beatme auch ein paar mal. Keine Reaktion, also rufe ich laut um Hilfe. Mehrmals. Doch es scheint mich niemand zu hören.

Tränenüberströmt drücke ich immer weiter auf ihre zierliche Brust und halte mich an jedem Schimmer Hoffnung fest. Sie darf einfach nicht sterben. Sie ist meine einzige Freundin hier. Sie ist nett zu mir. Sie hilft mir. Ich... ich muss ihr deswegen auch helfen. Unbedingt.
Wie zur Hölle ist das überhaupt passiert?
War es mein Entführer?
Wenn ja, wo ist er jetzt?
Ich brauche Hilfe.

Ich merke wie meine Kraft nachlässt und realisiere, dass damit auch die Wiederbelebung nicht wirklich Sinn ergibt. Nach ein Paar Beatmungsversuchen gebe ich schließlich auf. Sie ist tot. Für immer von mir gegangen. Zu viel Blut verloren. Es tut mir leid.
Sanft schließe ich ihre Augen mit meiner Handfläche, nehme sie vorsichtig bei ihren Fußknöcheln und ziehe sie langsam etwas auf die Seite.
Nun liegt sie dort. Das Blut muss weg.

Einige Zeit später sitze ich in Unterwäsche neben dem leblosen Körper an der Wand und esse die Kekse, welche auf dem Tablett waren.

"Tut mir leid, dass ich nicht freundlicher zu Ihnen war", murmele ich,"danke für alles."

Ihre Hand ruht kalt auf der meinen, als ich mit der anderen über ihre streichele. Die Leichenstarre setzt langsam ein, und das sonst so liebliche Gesicht sieht eingefallen aus.
Ich döse ein.

In dem Moment, in dem ich meine Augen wieder öffne, höre ich ein seltsames Brummen und ein leises Knirschen, sehe übermäßig viele Fliegen und Ratten auf dem kleinen Körper der Frau und muss mich sofort übergeben.
Dieser Anblick würde jeden zum oralen Entleeren des eigenen Mageninhalts bringen. Ehrlich. Noch nie habe ich etwas abstoßenderes gesehen, gerochen oder gehört.
Beschämt beobachte ich wie die Insekten und Nager über mein Erbrochenes herfallen und unterdrücke ein weiteres Aufstoßen.

"Geht weg! GEHT WEG! HAUT AB! Bitte... lasst uns in Frieden. Bitte..."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 13, 2020 ⏰

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