Kapitel 10

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Alexas Sicht:

Die Bäume hinter den Fenstrscheiben sogen so schnell an mir vorbei, dass ich sie nur in verschwommen Farbklecksen wahrnahm. Wäre die Situation eine andere, würde ich wahrscheinlich über das rasante Tempo jubeln, doch ich war immer noch  leicbt wütend, also blieb ich mucksmäuschenstill  und starrte weiter nach draußen.

Nachdem ich vorgestern noch bei Lola angerufen hatte,akzeptierte ich diese blöde Kur dank Lolas Beruhigungskünsten zwar, freute mich aber immer noch keineswegs auf Langeoog.

Ich meinte, so eine Kur nur wegen ein paar Kreislaufproblemen war doch ernsthaft unnötig.

Mam hat von dieser Insel nur in höchsten Tönen geschwärmt.

Halt eine lange Insel. Keine Autos, nur eine Inselbahn für den Transport vom Schiff bis in die Stadt. Dann gibt es noch den berühmten Wasserturm von Langeoog und den endlosen Strand mit dem Meer. Die Stadt soll ganz in Ordnung sein und das Kurhaus soll etwas weiter außerhalb im Pyroler Tal liegen.

Die Schule, auf die ich in der Zeit gehen sollte, liegt hingegen fast in der Stadt. Auch gegen die Schule hatte ich anfangs protestiert.

Wenn ich schon in Kur fuhr, dann gefälligst auch ohne Schule, doch Mom war natürlich ganz anderer Meinung.

"Mam, wie lange noch?" Meine Mutter antwortete angesicht meines Tonfalls genauso zickig wie ich: "In einer viertel Stunde kommen wir im Hafen an! Durch dein Verhalten kannst du meine Entscheidung auch nicht mehr ändern. Also sei jetzt bitte leise und lenk mich nicht weiter ab!"

Beleidigt schnaufte ich auf und suchte in meinem Rucksack entnervt nach meinem iPod. Meine Finger striffen die Ohrstöpsel und ich ziehe sie mit einem Ruck aus der Tasche. Leider habe ich vergessen, dass mein iPod, der da auch noch dranhängt, damit rauskatapultiert wird und so landet das Gerät mit einem klatschen in meinem Gesicht. "Uahh, Hilfe!" Ich versuche panisch meinen iPod wieder aus meinem Gesicht zu entfernen und halte mir schließlich mein wehtuendes Gesicht. Das reicht jetzt! So viel Pech in ein paar Tagen kann doch gar nicht erlaubt sein!

"Warum muss dieses Mist Teil auch in mein Gesicht fliegen? Das ist doch sowieso alles Mist! Und seit wann sind iPods bitteschön so hart? Warum müssen die auch aus Metall oder so sein? Man sollte die erst gar nicht in so was hartes stopfen! Am besten wäre es sie würden in Kissen gesteckt werden! Das wär erstens umweltfreundlicher und zweitens, für alle leicht verblödeten Leute viel ungefährlicher! Oh ja, man sollte sie in pinke Kissen stecken, mit rosa Einhörnern bestickt! Genau! So sollte man es machen! Und oben drauf dann noch rote Glitzerherzen, um es so richtig kitschig zu machen. Dann würden schmerzende Nasen plötzlich anstatt geprellt, mit roten Herzchen bestückt sein! Das wär's!"

Der Aufschrei vom Fahrersitz unterbricht meinen hitzigen Redeschwall und ich verstumme augenblicklich. "Alexa Blackwell! Es reicht jetzt! Was soll dieses unnütze Gerede überhaupt? Und wenn du jetzt nicht für die nächsten 10 Minuten, also bis wir am Hafen ankommen, still bist, dann kannst du genau hier aussteigen und zu Fuß bis Bensersiel laufen, also sei jetzt bloß still!"

Ich bin schlau genug und halte sofort meine Klappe. Aber ich meine, eigentlich ist der iPod dran schuld. Jetzt etwas vorsichtiger nehme ich mir das Mist- Teil und stecke mir die Ohrstöpsel in meine Ohren.

Suchend nach irgendeinem akzeptablen Lied, scrolle ich den Display mit meinem Finger rauf und runter. Letzendlich ist es Ed Sheeran, dem ich wahrscheinlich hinterher meine Taubheit zu verdanken haben werde. Die Bässe wummern in meinen Ohren und ich gucke wieder gelangweilt nach draußen.

Gerade zieht eine Mühle an mir vorbei und die Jugendherberge von Esens kommt gleich darauf. Die Jugendherberge erinnert mich an die sechste Klasse, in der wir in dieser Jugendherberge für drei Tage waren. Damals war das alles noch total cool gewesen, aber mittlerweile? Eher nicht.

EngelsbluttropfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt