Das Paradies der Hölle

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Mittlerweile hatte die Dämmerung schon eingesetzt. Dieser Tag war ziemlich ereignisreich gewesen. Die anderen und Ich wollten in den Bus und schlafen.

Mein Zeitgefühl war in den letzten Tag vollkommen verloren gegangen. So etwas besaß ich nicht mehr. Ich konnte mich einzig und allein durch die Dunkelheit orientieren.

Nachdem wir, wie jeden Abend an der Bustür klopften öffnete Mike sie wie jeden Abend. Er sah heute einmal nicht so grießgrämig aus wie sonst, zumindest sah sein Gesicht ein bisschen freundlicher aus.

Wir legten uns wie jeden Abend hin. Alles war wie jeden Abend und nichts besonderes ereignete sich an diesem Tag mehr. In der Früh wachte ich zwischen Hazel und Caroline auf. Das erste was ich tat war, aus dem Fenster zu schauen.

Diesmal sah es aus wie am Meer. Es war wirklich schön. Vielleicht wollten die, die das taten uns ja sozusagen einen freien Tag geben, also wenn niemand sterben muss, dass wir es dann wenigstens minimal genießen können. Sogar die Sonne scheinte. Ich freute mich, endlich mal wieder so etwas wie duschen gehen zu können. Ich wusste allerdings noch nicht ob das Wasser Trinkwasser oder vielleicht Meerwasser war. Das musste ich noch herausfinden.

Allmählich wurden alle wach und bestaunten die Landschaft. Es sah wirklich außerordentlich schön aus. Das Meer, grüne Wiese. Es hätte mich nicht gewundert, wenn noch ein Einhorn unseren Weg gekreuzt hätte. Nun ja, vielleicht gab es zumindest eine gute Sache hier und zwar diese Landschaft. Wir stiegen alle aus. Jonas' Blick mied ich. Als wir alle draußen waren rannten wir sogleich zum Meer beziehungsweise zur Wasserquelle. Wir stanken bestimmt schon alle bestialisch und waren voller Dreck.

Hazel lief neben mir zum Wasser und wir sprangen gleichzeitig hinein. Es war sehr erfrischend. Alle fühlten sich wie im Himmel. Endlich konnten wir uns einmal waschen.

Nach wenigen Minuten stiegen alle triefend nass aus dem Wasser. Ein Lächeln lag im Gesicht aller Menschen- außer in Jonas'. Er schaute neutral, Gefühlslos. Ich musste unbedingt noch einmal mit ihm über die Sache von gestern reden. Als wir am Ufer, in der Wiese ankamen, setzten wir uns alle hin. Die Wiese kitzelte auf meinen Füßen. Ich hatte nämlich meine Ballerinas ausgezogen. Mit meinem Kleid war ich ins Wasser gelaufen. Erst jetzt fiel mir auf, dass mein Kleid ja durchsichtig gewesen sein musst. Ach, das wird schon wieder trocknen.

Ich legte mich auf die Wiese und schaute hinauf in den Himmel. Er war blau und wolkenlos. Am liebsten würde ich nur in dem jetzt und hier leben, ohne Angst in den nächsten Tagen umgebracht werden zu müssen.

Irgendwann spazierte ich ein wenig durch die Gegend. Ich fand einen riesigen Baum. Er sah sehr alt aus. Ich ging eine Runde um ihn herum und betrachtete den Stamm. Plötzlich fiel mir ein Zettel ins Auge. Es war ein Stückchen Papier, das zwischen zwei Wurzeln lag, die aus dem Gras ragten. Ich bückte mich mit meinem nassen Kleid hinunter und faltete ihn auf. Ich beäugte das Blatt Papier und öffnete es volldtändig. Als Mein Gehirn das die Worte "Aufgabe 6" wahrnahm, setzte ich aus. Ich rannte zu den anderen, die friedlich in der Wiese lagen und rief: "Anscheinend gibt es doch eine Aufgabe für heute... Hört zu"

Und dann begann ich vorzulesen.

Aufgabe 5
Da ihr ja heute euren freien Tag habt, muss niemand sterben. Allerdings sollt ihr diesen Tag nicht nur genießen...
Ihr müsst für jede Person, die gestorben ist, einen Finger abschneiden und in das Wasser werfen. Ob ihr die Finger von einer Person abscheidet oder jedem einen ist euch überlassen. Diesmal braucht ihr Mike kein Beweismittel zeigen. Er wird euch Verbandszeug geben.
Bleibt im Bus solange er noch fährt.
Die Gequälten

Ich schaute entsetzt zu den anderen. Wir hatten uns wohl zu früh gefreut, denn dieser Tag war alles andere als ein Segen für uns.

Der Bus zur Hölle *Abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt