Sophia brach nach nur wenigen Stunden zusammen. Von dem Ausbrennen ihrer Aura hatte sie sich erholt. Das war nicht ihr Problem. Ihr Problem war, dass sie mit Rose und Lilly im Schnellmarsch unterwegs war, und die beiden den ganzen Weg nicht den Mund gehalten hatten! "Nur noch ein Stückchen!", feuerte die eine an. "Wir sind fast da!", rief die andere. Sophia quälte sich stöhnend auf die Beine. "Nur unter einer Bedingung: Ihr haltet für den Rest des Weges die KLAPPE!" Dafür erntete sie verdutzte Blicke. Entschlossen stapfte sie an den beiden vorbei.
Die Schwertlilien sagten tatsächlich kein Wort mehr. Erst als sie auf einer Hügelkuppe ankamen, hielten sie Sophia wieder zurück. "Hier schlagen wir für die nächste Woche" "unser Lager auf." Sophias Rucksack landete scheppernd auf dem Boden. Natürlich hatten sie sie die Ausrüstung tragen lassen. "Vorsichtig! Da sind" "zerbrechliche Dinge drin!", riefen Lilly und Rose.
Sophia hatte genug."Warum macht ihr es nicht einfach mal so, dass nur eine von euch spricht? Merkt ihr gar nicht, wie ihr andere damit nervt? Und was sollen wir überhaupt hier?" Die Schwertlilien schienen erschüttert. Traurig sahen sie einander an. "Sie versteht nicht" "Natürlich nicht. Wie" "denn auch? Sie war" "nie wie ich. Sie kann" "es gar nicht verstehen." Traurig wandten sie sich Sophia zu. "Wir können nichts für" "unseren Zustand. Wir sind" "einfach so. Und wir drei sind" "jetzt hier, um mit" "dir die Stadt da unten zu" "beschützen. Chet sagte, wir sollen" "dich in einer Woche kampfbereit" "machen. Also lassen wir dich kämpfen." "Für die Menschen."
Anscheinend hatte Sophia die zwei tiefer getroffen, als sie gedacht hätte. Traurig saßen die beiden Rücken an Rücken am Boden. "Warum sagt ihr mir nicht einfach, warum ihr so seid, wie ihr seid?"
Synchron blickten die Schwertlilien zu ihr auf. "Jetzt ist nicht die" "Zeit dafür. Lass dir so viel" "gesagt sein: Wir merken nicht, wann" "wer von uns beiden spricht." "Es passiert einfach. Und jetzt" "geh da runter und kämpf!"
Diese Art von Antwort war nicht diejenige, die Sophia sich erhofft hatte. "Und ihr haltet es so wie Chet?" Beide nickten. "Dann mache ich auch nichts." Rose stand auf und ging zum Rand der Hügelkuppe. Lilly blieb bewegungslos sitzen, ihre Augen schlossen sich. Rose deutete mit ihrem schlanken Finger hinunter zur Stadt. "Diese Stadt wird in diesem Moment von Dämonen attackiert. Die Menschen sind hilflos. Und du willst lieber hier bleiben, nur weil du mit unseren Trainingsmethoden nicht einverstanden bist?" Sophia blieb der Mund offen stehen. Nur Rose hatte geredet. Lilly blieb still sitzen. "Wenn ich sage, ich halte es wie Chet, dann meine ich das genau so. In dem Augenblick, in du in Bedrängnis gerätst, werde ich- werden wir beide da sein, um zu helfen. Versprochen."
Eilig nickte Sophia. So sehr es sie nervte, wenn die Schwertlilien stundenlang durcheinander redeten, so sehr beunruhigte es sie jetzt, nur eine von beiden reden zu hören. Es war einfach zu ungewohnt. So schnell sie konnte machte sie sich auf den Weg.
In der Stadt war die Hölle los, aber das war nichts ungewöhnliches. Großstädte hatten den Hang dazu, chaotisch zu sein. Wozu sie eher selten den Hang entwickelten, war die Schar von Dämonen, die über den Menschen schwebte. Nur Beißer bisher. Der eilige Beobachter konnte sie leicht mit Mücken verwechseln, die zu einer für sie vollkommen unpassenden Jahreszeit in der Luft umher tanzten.
Sophia zerstörte so viele von ihnen, wie sie nur konnte, während sie gleichzeitig versuchte, niemanden auf sich aufmerksam zu machen. Mühevoll transportierte sie die Energie in Form von Windstößen von ihrer Aura zu den Beißern, wo sie sich dann in die Dämonen entlud und sie zu Rauch zerfallen ließ. Mit einem Mal sah die Wirklichkeit seltsam verschoben aus. In der Luft vor ihr stand ein schmaler Riss, gerade breit genug, dass sie sich hindurzwängen könnte. Auf der anderen Seite lag eine graue Welt. Dünen aus grauem Sand, Felsformationen, vom gleichen Grauton. Zwischen den Sandkörnern stiegen winzige schwarze Punkte in die Luft und wirbelten davon. Beißer schwirrten umher, einige durch den Spalt. Sophia vernichtete sie.
Der Spalt glühte einladend. Sein Rand war kaum wahrnehmbar, eine schwache weiße Linie, mehr nicht. Magie quoll hindurch, wehte in Sophias Gesicht wie ein warmer Frühlingswind. Verträumt trat sie auf den Riss zwischen den Welten zu. Mit einem Mal lag eine Hand auf ihrer Schulter. „Ich würde da nicht hin gehen“, erklang der leise Rat von der Person hinter ihr. Es war Lilly. Rose stand daneben. "Es ist nicht so ungefährlich, wie es aussieht. Hier." Rose zog ihren Degen und schob ihn durch den Übergang. Es knallte, und die Waffe begann leicht zu glühen. Schnell zog Rose den Degen mit verkniffenem Gesicht zurück und steckte ihn weg. Neben ihr sah auch Lilly aus, als ob sie Schmerzen erlitt.
"Von der anderen Seite sieht" "das ganz anders aus", sagten sie, als wieder einige Beißer die Seite wechselten. "Eine der Inkarnationen wird den Vortex" "von der anderen Seite her stabilisieren." Sophia schüttelte sich. Wenn sogar das Schwert eines Seelenjägers bei dem Versuch einer Passage Schaden nahm, hätte ein Mensch es mit Sicherheit nicht überlebt. Dann fiel ihr an einer Aussage etwas auf. "Moment. Das ist der Vortex? Sieht ziemlich mickrig aus", bewertete sie den Riss zwischen den Welten. Beide Schwertlilien mussten auflachen. "Das ist höchstens ein Ausläufer!" "Der ganze Vortex ist" "größer. Groß genug, um" "die ganze Erde einzufassen!"
Sophia machte große Augen. Wenn das so war, dann war der Vortex wohl doch nicht so mickrig. Da kam ihr eine Idee. Keine gute Idee wahrscheinlich, aber eine Idee. Als sie den Impuls aussandte, um die nächste Welle von Beißern zu verdampfen, schickte sie einen Suchimpuls hinterher. Irgendwie hatte sie aus dem Gebrabbel der Schwertlilien doch etwas gelernt. Der Suchimpuls näherte sich der Grenze. Wurde zurückgeweht. Die Magie von der anderen Seite war stark. Sophia legte mehr Kraft hinein und zwang den Impuls wieder auf Kurs. Sie brauchte so viel Kraft, dass die Luft zwischen ihr und ihrem Zauber begann, zu glühen.
Dann stieß der Impuls gegen die Barriere. Ein Klingen wie von einer kleinen Messingglocke ertönte. Die Welt auf der anderen Seite wurde schwarz. Glühende rote Augen erschienen. Ein Maul, bestückt mit unzähligen Zähnen, jeder so lang und scharf wie ein Dolch. Vor Schreck feuerte Sophia all ihre Kraft in den Suchpuls, der nun vom Vortex eingesogen wurde. Sie selbst wurde hinterher genau auf das Maul zu gezogen. Verzweifelt legte sie mehr Kraft in ihren Zauber und schoß einen dünnen Flammenstrahl hinterher.
Zu viel Energie. Der Ausläufer des Vortex war klein und instabil, und die Menge an Magie, die dieser Mensch hinein pumpte, war zu viel. Blitzschnell erweiterte sich der Riss um mehrere Meter, ein gewaltiger Sog setzte ein, und bevor Sophia durch den Riss gesogen wurde, spürte sie nur noch die Hand von Lilly auf ihrer Schulter, in dem hilflosen Versuch, sie aufzuhalten. Beide verschwanden nach Oyerta, dann kollabierte der Vortex auf einen weiß strahlenden Punkt und war verschwunden.
Rose stand allein mitten auf einer verlassenen Straße. Sie hatte keine Angst um Sophia und Lilly. Sie waren in der Welt der Dämonen, ja. Aber es gab eine Verbindung zwischen den Schwertlilien, die stark genug war, um die Welten zu überbrücken. Wenn sich Rose nur genug konzentrierte, würde sie Lilly zurück ziehen können. Und wenn Sophia sich festhielt, würde sie ebenfalls zurückkehren.
DU LIEST GERADE
Seelenjagd
Fantasía"Er war auf der Erde. So viel war klar. Mehr war auch nicht wichtig. Er war Chet, einer der Alten Seelenjäger." Chet hat viel gesehen, viel erlebt, viel getan. Nicht auf alles ist er stolz, aber er musste tun, was getan werden musste. Nach Jahrtause...