Ril brannte darauf, einen würdigen Gegner zu finden. Seine selbst für Menschen sichtbar strahlende, goldene Aura äscherte jeden Beißer, Titanen und Seelenjäger auf seinem Weg ein. Biest-Dämonen, die Dämonen, deren Seelen einfach nicht stark genug gewesen waren, waren eine etwas größere Herausforderung. Um die zu schlagen, sah sich der Meister gezwungen, seinen Stab zu benutzen, da die schwache Seele der Biester paradoxerweise eine gewisse Immunität gegen Magie mit sich brachte. Im Gegensatz zu ihren magisch stärkeren 'Brüdern' agierte ihre alle möglichen monströsen Formen annehmende Essenz als Puffer und verhinderte eine spontane Entzündung der Seele.
Ril war das nur zu Recht. Er kämpfte ohnehin lieber im Nahkampf. Besonders gegen einen Drachen. Ein solchermaßen geformtes Biestwesen erhob sich nun über den Überresten einer Großstadt. Die Mittagssonne strahlte auf das Monster herab, die Abendsonne beleuchtete es von hinten. Dies bedeutete, dass der Vortex endgültig geöffnet war. Es war unmöglich, zu sagen, ob Oyerta oder die Erde Schauplatz des Kampfes zwischen Meister und Monster war.
Beides verlief ineinander, verwob sich, glich sich aneinander an. Eine Sonne blieb am Himmel, die andere wanderte langsam unter den Horizont, als sich der Kampf zweier Riesen fortsetzte.
Der Drache war ohne Zweifel eines der stärkeren Haustiere von Omega, hatte zunächst keine Schwierigkeiten, mit Ril mitzuhalten. Der wiederum stach mal das eine, mal das andere Ende seines Stabes vor. An jedem dieser Enden saß ein Kristall in Halbkugelform, der eine grün, der andere magenta. Stieß das grüne Ende vor, entfaltete sich eine schimmernde Blase aus Licht, die verhinderte, dass der Meister von den Klauen des Biestes zermalmt wurde. Der andere Kristall feuerte bei jedem Vorstoß einen Blitz ab, der ein Stück aus der Essenz des Drachen riss.
Doch das Monster war nicht so dumm, wie es zunächst schien. Für eine Weile duldete es die Wunden, die der Stab ihm zufügte, dann schwang es sich in die Luft, riss den Meister samt Schutzschild mit sich. Es benutzte keine Magie zum Fliegen, sondern seine gewaltigen Flügel.
Die dadurch erzeugten Windböen plätteten die Überreste der ehemals florierenden Metropole unter den Dämonen. Selbstverständlich lebten dort kaum noch Menschen. Die Ruinen waren geschwärzt von den Brandspuren all jener, die entweder von ihrer eigenen Magie verbrannt worden waren oder die, berauscht oder fasziniert von ihrer neu gewonnenen Macht, sofort damit begonnen hatten, Dinge anzuzünden.
Ril mochte es nicht, wenn Menschen starben. Er mochte es noch viel weniger, wenn ein Biest-Dämon dafür verantwortlich war. Und am wenigsten mochte er es, von einem Dämon in Form eines Drachen in den Himmel verschleppt zu werden. Also ließ er die schützende Hülle, die ihn umgab, kollabieren.
Dadurch, dass der Drache nun eine deutlich kleinere Last mit sich trug, griffen seine Krallen für eine Weile ins Leere. Da Ril sich nun jedoch rapide in alle Richtungen auszudehnen begann, bekam das Biest bald wieder etwas zu fassen. Und verbrannte sich die Klauen.
Ril nahm nun seine wahre Form an. Mit jeder Sekunde wurde er stärker, öffnete seine Seele und Essenz für die Energie aus Oyerta, die jetzt auch die Erde durchflutete. Er wurde droß, größer noch als zuvor in der Festung, ein goldenes Strahlen ging von seinem Körper aus, in der nächsten Sekunde war er frei von dem Drachen, schwang sich selbst in die Luft.
Bald wirbelte er herum, verstellte dem Drachen den Weg. Rils Stab glühte vor Energie, ein himmlischer Glanz breitete sich um den Geflügelten aus. Dann griff der Meister an. Mit allen sechs Flügeln weit gespreizt stieß er im Sturzflug auf den nun unsicher unter ihm auf der Stelle fliegenden Drachen zu, rammte ihm das eine Ende des Stabes in den geschuppten Nacken. Eine Explosion aus Licht, Feuer, Hitze erstrahlte am abendlichen Nachthimmel. Der Drache brüllte seine Wut mit ohrenbetäubender Lautstärke heraus. Ril ignorierte den Schmerz des Drachen, war zu sehr mit der Tatsache beschäftigt, dass sein Angriff offensichtlich keine bleibenden Effekte hinterlassen hatte. Drachen waren schon immer sehr zähe Dämonen gewesen, genau wie die mittlerweile ausgestorbenen irdischen Exemplare. Aber dem Angriff eines Meisters konnten sie eigentlich nicht widerstehen.
Ein zweites mal stieß er auf den Drachen hinab rammte seinen Stab tief in die ungeschützte Essenz des Rachens. Diesmal saß der Treffer. Der gesamte Dämon blähte sich durch die Explosion in seinem Inneren auf, der Drache krächzte. Hustete Rauch und Feuer, nahm seine ursprüngliche Gestalt an. Dann traf sein hasserfüllter Blick auf den des Meisters.
"Hallo, Ril", erklang eine Stimme aus den Tiefen des Dämons. Eine übelkeitserregende Stimme, die Ril nur zu gut kannte. Seine strahlende Hand schloss sich fester um seinen Stab. "Omega"; sagte er mit glühenden Augen. "Ganz recht", erwiderte der Erzdämon. "Ich wollte nur mal sehen, wie es meinem Lieblingsfeind so geht", sprach der Drache weiter. "Selbstverständlich werden wir uns auch noch von Angesicht zu Angesicht unterhalten, aber das wird noch warten müssen. Wie du dir vermutlich denken kannst, setzt unsere geliebte Heimat meinen Körper gerade Stück für Stück wieder zusammen. Der einzige Nachteil, den das Nutzen von Inkarnationen mit sich bringt: Man muss immer so lange warten... Wie dem auch sei, ich freue mich auf deinen Tod."
"Träum weiter." Rils Stimme war ruhig, kalt und beherrscht. "Du wirst nicht siegen. Wie stark du auch immer bist, du wirst es nicht mit uns allen aufnehmen können." "Doch." Omega gab sich nicht die Mühe, Schwäche zu heucheln. "Nicht einmal der neue Chet ist auch nur annähernd stark genug, um mich zu besiegen." "Woher weißt du von Chet?" "Nun, er war am Tod zwei meiner Inkarnationen schuldig, ich bin mir durchaus bewusst, das er stark ist. Was den Unterhaltungsfaktor in seinem letzten verzweifelten Kampf sicherlich noch viel unterhaltsamer machen wird."
Ril atmete tief ein, wieder aus. "Ich bin mir sicher, er wird seinen Spaß dabei haben, dich auseinander zu nehmen. So, wie ich jetzt dieses Biest auseinander nehmen werde!"
Die folgende Explosion ließ Ril zu menschlicher Gestalt schrumpfen und erzeugte eine Druckwelle, die in beiden Welten gleichermaßen zu spüren war. Anstelle des Drachen war anschließend nur noch ein Krater zu sehen.
"Mein armes Tierchen!", erklang Omegas Ausruf. Keuchend blickte Ril sich um. Mit dem Biest hätte der Dämonenkönig auch sein Sprachrohr in diese Welt verlieren müssen. Doch als er nach oben blickte, verstand er. "Das kann doch wohl nicht sein Ernst sein!", stöhnte er auf. Sein ganzer Körper leuchtete auf und er schwang sich wieder in die Luft, erneut zu seiner riesigen Gestalt anwachsend. Den dutzenden turmhohen Drachen entgegen, die von allen Seiten auf ihn zuflogen.
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Seelenjagd
Fantasi"Er war auf der Erde. So viel war klar. Mehr war auch nicht wichtig. Er war Chet, einer der Alten Seelenjäger." Chet hat viel gesehen, viel erlebt, viel getan. Nicht auf alles ist er stolz, aber er musste tun, was getan werden musste. Nach Jahrtause...