Sirrend sauste Leas Sense durch die Luft. Mit dem Schwert in der Rechten fing Chet den Schlag ab, wirbelte herum und entfesselte einen Strahl aus Feuer aus seiner linken Hand. Lea duckte sich, stampfte mit dem Fuß auf und eine Erdsäule schleuderte Chet hoch in die Luft. Aus eigenem Antrieb schmetterte er sich mit voller Wucht in den Boden. Da er seinen Sturz mit einer übermäßigen Stoßwelle in den Boden unterstrich, flog nun Lea durch die Luft in einen nahe gelegenen Baum. In der Baumkrone federte sie ab, machte einen Rückwärtssalto und zerhackte einen herannahenden Titanen, während Chet einen anderen einfach in die Luft sprengte.
Dann stürzten sie sich wieder aufeinander. Lea war gut, das musste Chet anerkennen. Ihre natürliche Begabung für sowohl Magie als auch Nahkampf sorgte dafür, dass die Übungskämpfe von Mal zu Mal interessanter wurden. Chet stieß die lange Klinge nach vorn, wurde von der Sense zur Seite gedrängt. Demnächsten Schlag von oben wich er aus, balancierte kurz auf dem Sensenwurf und stürmte dann vorwärts. Genau in einen gewaltigen Aufwind, der ihn plötzlich erfasste und wieder durch die Luft segeln ließ. "Sehr interessante Taktik", lobte er und blieb in der Luft stehen. "Allerdings auch noch zu leicht vorauszusehen. Außerdem gibst du stärkeren Gegners einen Höhenvorteil." Mit diesen Worten ließ er sich fallen. Der Aufschlag entwurzelte einige nahe stehende Bäume. Lea rammte mit verbissenem Gesicht die Sense in den Boden und blieb stehen.
Als sich der Staub wieder legte, stand Chet genau hinter Lea, seine Klinge an ihrer Kehle. "Du wirst besser. Ich denke, du könntest schon gegen einen Riesen kämpfen, wenn der ernst macht." "Ein Riese?", fragte Lea. "Ja, ein Riese. Zweiäugiger Titan, etwas größer und intelligenter als die anderen. Manchmal kann man sogar mit ihnen reden. Sie sind außerdem die ersten mit einem t'urbesim. Das sind allerdings alles die Keulen, die Titanen und Zyklopen noch aus Essenz bilden. Man kann Riesen nicht wirklich als Individuen bezeichnen. Kennt man einen, kennt man alle." Er zuckte mit den Schultern. "Sie sind brutal, stark und bis zu einem gewissen Grad immun gegen Magie. Ansonsten gibt es nicht viel, was man über sie sagen kann.
Na gut, genug gefaulenzt", wechselte er dann das Thema. "Ich denke, die Übungskämpfe reichen erst mal. Jetzt kämpfen wir ernsthaft." Auf Leas verwirrten Blick fügte er hinzu: "Natürlich nicht gegeneinander. Wir müssen uns nur langsam darum kümmern, die Dämonen wirklich loszuwerden." Die Beißer kümmerten weder ihn noch Lea. Die Winzdämonen verbrannten sofort, da ihre Seelchen sofort ausbrannten, sobald sie in die Auren der ungleich stärkeren Seelenjäger gerieten. Jetzt, da Chet wieder über seine ganze Kraft - zumindest über die, die nicht versiegelt - verfügte, starben auch Schnapper sofort.
"Hier scheint nichts mehr in der Nähe zu sein. Wir müssen uns wohl erst noch ein wenig umsehen", sagte Chet stirnrunzelnd. Nach dem ersten Angriff öffneten sich immer mehr und immer größere Ausläufer des Vortex, willkürlich über den Planten verteilt. Dies bedeutete für Dämonen eine 75%-Chance, sofort zu sterben, falls sie über dem Ozean auf der Erde erschienen. Allerdings kamen auch so genug durch. Gerade, als sie sich auf den Weg machen wollten, hallte ein lang gezogener Schrei durch die Luft. Dann flog Melchior, noch immer schreiend, gegen einen Baum. Stumm betrachteten Lea und Chet, wie er auf dem Boden aufschlug, sich dann mühevoll wieder aufrappelte. In seinen Ohren steckten Kopfhörer, er schien Musik zu hören.
Als der Magier die beiden Seelenjäger bemerkte, hellte sich sein Gesicht auf. "Euch habe ich gesucht!", rief er zufrieden aus. "Riese", erklärte er knapp auf einen fragenden Blick von Chet hin. Der Blick blieb fragend. "Plural. Riesen. Wir konnten nicht mehr alle gleichzeitig in Schach halten. Ich habe keine Ahnung, wie jetzt schon so viele hier sind, aber wenn Caspar und ich das allein übernehmen müssen, werden die Riesen noch zu viel Schaden anrichten, bevor wir alle erledigt haben." Chet hob die Hand, Melchior verstummte. "Wo?" "Zehn Kilometer nordöstlich, auf einer großen Wiese." Chet streckte die Arme aus, Melchior und Lea ergriffen je einen, dann sprang er.
Zehn Kilometer nordöstlich landeten sie auf einer großen Wiese. Eine Gruppe von zwei Dutzend Riesen war bereits im Begriff, auseinander zu laufen, um überall in der näheren und ferneren Umgebung Chaos zu entfesseln. Das plötzliche Aufleuchten dreier starker Seelen unter ihnen brachte sie dazu, sich wieder umzuwenden. Das würde vier überaus beachtliche Energieschübe abgeben, den zeternden Magier dazugerechnet, der sie schon die ganze Zeit zum Bleiben hatte zwingen wollen.
"Macht das Vierundzwanzig?", fragte Chet einige Minuten später. "Noch nicht ganz, Melchior ist noch beschäftigt", rief Caspar zurück. "Wozu braucht er denn so lange", wunderte sich Chet. Dann rannte er zu dem Magier hinüber, der die Riesenessenz im Takt der Musik aus seinen Kopfhörern mit seinen Fäusten bearbeitete.
Chet konnte nur zu gut hören, welches Lied gerade lief. Another One Bites the Dust. "Diese Wahl finde ich einfach nur geschmacklos", ließ der Seelenjäger verlauten. Melchior kümmerte das wenig. "Bei diesem Lied kann ich mich einfach besser konzentrieren. Und es lenkt mich ein wenig davon ab, dass ich schon wieder eine zumindest halbwegs intelligente Kreatur töte, um mich selbst zu beschützen." "Du kämpfst nicht für dich!" "Wen denn sonst noch?", fragte Melchior seelenruhig, während er dem Riesen mit einem gewaltigen Schlag endgültig den garaus machte. Die Essenz verflüchtigte sich.
"Du kämpfst, um alle Menschen zu beschützen." Melchior lachte nur. "Diesen idealistischen Schrott kannst du doch kaum einem heute lebenden normalen Menschen erzählen! Mir erst recht nicht. Ich kämpfe nicht, um meine Spezies vor der Vernichtung zu bewahren. Ich kämpfe nicht einmal, um diesen Planeten zu retten. In den letzten zwanzig Millenien habe ich genug von beidem gesehen. Nein, Chet, ich kämpfe nur noch, um selbst zu überleben. Und ich weiß auch nicht, wie lange ich das noch möchte. Ich bin das alles hier so dermaßen satt." Chet blickte in den blauen Himmel auf. "Wo ist bloß dein Idealismus von damals geblieben, Melchior?" "Das kann ich dir beantworten." Melchior klang mit jeder Silbe verbitterter. "Untergangen. Zusammen mit Atlantis, zusammen mit meiner Frau, zusammen mit meinem Sohn, zusammen mit meiner ganzen verdammten Familie und allen Menschen, die mir sonst noch wichtig waren. Reicht das?" Er stapfte davon.
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Seelenjagd
Fantasi"Er war auf der Erde. So viel war klar. Mehr war auch nicht wichtig. Er war Chet, einer der Alten Seelenjäger." Chet hat viel gesehen, viel erlebt, viel getan. Nicht auf alles ist er stolz, aber er musste tun, was getan werden musste. Nach Jahrtause...