Kapitel 1

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Kapitel 1

"Hallo Schatz!", ruft meine Mom mir aus der Küche entgegen. "Hey", murmele ich. "Es gibt gleich Essen, wasch dir schon mal die Hände und komm dann bitte an den Tisch", weist sie mich an. Wie immer muss ich schlucken als ich sie ansehe. Für ihre 36 Jahre ist sie wunderschön. Glatte zarte Haut, große schokobraune Augen und perfekte dunkelbraune Haare, die ihr fast bis zur Taille gehen und immer bei jedem Schritt sanft mitwippen. Und ich? Klar, meine Mom beteuert immer dass ich auch wunderschön sei, aber ganz ehrlich: Mit ihr kann ich nicht mithalten. Klar, die Haare und die Augen habe ich definitiv von ihr, deshalb sind sie auch meine Lieblingsteile in meinem Gesicht, aber der Rest? Gut, Stupsnase zählt auch noch, aber ich bin klein. Zu klein. Und ich hasse meine Beine. Während ihre lang und schlank sind, sind meine kurz und (wie ich finde) dick. Jedenfalls meine Oberschenkel. Und genau auf die starre ich jetzt. "Was gibt es denn Leckeres?", fragt mein Dad fröhlich, als er zur Tür hereinschneit. "Gemüselasagne. Und... PAUL!! FINGER WEG VON DER LASAGNE!" Ich zucke von dem leichten Aufkreischen meiner Mutter zusammen und muss gleich lachen. Typisch Dad, immer mit dem Finger gleich ins Essen tatschen. "Och, komm schon", stöhnt er sehnsüchtig. "Nur ein ganz kleines bisschen!" "Nein. Und jetzt wasch dir endlich deine Hände!", befiehlt Mom. Maulend macht mein verrückter Vater sich auf ins Badezimmer. Mom lacht, stellt die Lasagne ab und sieht mich an. Ihre Miene fällt gleich ein bisschen bei meinem Gesicht. "Ist alles in Ordnung, Liebes?", erkundigt sie sich besorgt. "Ja. Nein. Ja. Das Übliche, du weißt schon." Sie seufzt und stemmt die Arme in die Seiten, wie immer wenn sie entweder besorgt, wütend oder traurig ist. "Wir hatten doch darüber gesprochen, Meg. Es gehört eben zu unserem Leben dazu, auch mal schlechte Schlagzeilen zu bekommen. Ich dachte, du hättest dich endlich daran gewöhnt." Ich springe auf, wütend wie immer wenn sie andeutet dass ich ein kleines Kind bin. "Ich kann mich aber nun mal nicht daran gewöhnen, Mom. Ständig diese unheimlichen Typen, die mich bis aufs Klo verfolgen! Ich hasse es! Ich will auch mal ein Leben ohne Paparazzi und Reporter führen, die jeden noch so kleinen Schritt von mir analysieren! Ich will mitten auf der Straße eine Freundin anschnauzen können ohne dass gleich am nächsten Tag die Zeitungen davon vollstehen! Ich will in Ruhe shoppen gehen ohne dass irgendwelche Mädchen auf mich zukommen und mich um ein Autogramm anbetteln! Aber das ist mir ja anscheinend nicht gegönnt!" "Aber du kennst doch gar nichts anderes! Du lebst so schon seit du auf der Welt bist! Ich denke nicht dass du dich einfach von einem Tag auf den nächsten umstellen könntest! Was willst du denn machen, dass du nicht mehr belästigt wirst? Auswandern?" "Zum Beispiel?! Ich will endlich auch mal mein eigenes Leben führen!", schreie ich und laufe aus dem Esszimmer. Auf halbem Weg komme ich an Dad vorbei der mich verblüfft fragt."Hab ich was verpasst?" "Frag doch deine tolle Frau, die glaubt über mich Bescheid zu wissen!", zische ich ihm zu und verschwinde in meinem Zimmer. Dort werfe ich mich schluchzend auf mein Bett und reiße eine Tafel Schokolade auf. Eigentlich sollte ich jetzt keine Schokolade essen, aber das hier ist eindeutig ein Notfall. So heule ich noch eine Weile vor mich hin, bis mein Handy "Save you tonight" von One Direction spielt. Ich wische meine Tränen ab, schlucke den riesigen Kloß in meinem Hals herunter und nehme mein iPhone mit zitternden Fingern in die Hand. "H-hallo?" "Meg? Gut dass du drangegangen bist, ich muss dir unbedingt was erzählen..." Eleanor. Ich unterdrücke ein Seufzen. "Hey El. Du, ist gerade schlecht. Kann ich dich später zurückrufen?" "Aber es hat mit dir zu tun!" "Gut, dann erzähl. Aber fass dich kurz!" "Also ... Du kennst doch James aus der Stufe über uns, oder?" Ich überlege einen Moment. "Ach, du meinst den mit den braunen Haaren?" "Ja, genau den. Ich habe mich heute mal so ein bisschen mit dem unterhalten und ihn unauffällig ausgequetscht. Und weißt du was er mir gestanden hat? Er hat gesagt dass er auf mich steht!" Den letzten Satz kreischt sie mit einer so hohen Stimme heraus, dass ich mein Ohr kurz mit einer Hand bedecke. So ist meine beste Freundin eben: Laut, schrill und total unsensibel. Ich habe ja selber keine Ahnung warum ich mit ihr befreundet bin. "Wow! Bist du mit ihm zusammen? Glückwunsch? Okay, tschüss!" Und aufgelegt. Gereizt gehe ich zu meinen Fotoalben. Dort sind die Bilder meiner Familie. Ich sehe sie mir immer an wenn ich traurig bin. Ich öffne eins, dass ich schon länger nicht mehr angeguckt habe. Auf der ersten Seite ist ein furchtbar altes Foto, wo meine Mom noch ein kleines Mädchen ist. Sie rennt gerade mit einem großen Sommerhut auf dem Kopf über eine Wiese, gejagt von einem etwas größeren Mädchen. Tante Rachel, ihre Schwester. Sie lebt, so weit ich weiß, alleine in Irland in einem kleinen Dörfchen und hat dort ein wunderschönes Haus. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Ich werde einfach für eine Weile zu Tante Rachel ziehen! Dort könnte ich etwas entspannen und mich zurückziehen vor der Presse, und Mom würde es sicher auch ganz gut tun. Ich beschließe, Tante Rachel jetzt sofort anzurufen und Mom die Entscheidung später mitzuteilen. Jetzt wieder gut gelaunt springe ich auf, schleiche leise die Treppe herunter zum Telefon und tippe Rachels Nummer in mein Handy ein. Dann verziehe ich mich wieder in mein gemütliches Zimmer und setze mich im Schneidersitz auf mein Bett. Ich wähle die Nummer und warte gespannt darauf dass jemand abnimmt. Nach ein paar Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen, hebt eine junge Frauenstimme ab. "Hallo?", fragt sie freundlich. Vor Aufregung bleibt mir das Wort im Halse stecken. "Hallo?", fragt sie verwirrt. "Hey", bringe ich endlich hervor. "Wer ist denn da?" "Hier ist Megan. Megan Young." Kurzes Schweigen in Irland. "Megan? Die Tochter von Ruby?", fragt sie. "Ja, richtig." "So. Meldet ihr euch also auch noch irgendwann mal. Wenn deine Mutter nicht so berühmt wäre, hätte ich glatt geglaubt ihr wärt tot! Also, kleine Megan, was willst du von deiner alten Tante?" Und so erzähle ich ihr die ganze Geschichte. Sie schweigt die ganze Zeit und hört geduldig zu bis ich geendet habe. Dann meint sie:"Das sieht Ruby ähnlich. Sie interessierte sich noch nie für mich. In den Augen unserer Eltern war sie immer die Begabte, die, die man unbedingt fördern musste. Ich war nur unnützer Ballast für sie. Ruby stand immer im Licht und sonnte sich darin, während ich im Schatten umherschlich. Ich kann dich besser verstehen als du glaubst, Megan. Und meinetwegen kannst du eine Zeit lang bei mir wohnen. Mein Haus ist groß genug, und die Bewohner meines Dorfes hier sind sehr freundlich und liebenswürdig. Du musst das nur mit deiner Mutter abklären, dann kannst du morgen schon kommen." Mir stockt der Atem. Morgen schon? Morgen könnte ich schon in Irland wohnen? Wow, eigentlich gar nicht mal so schlecht ... Jetzt muss es nur noch Mom erfahren.

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"DU WILLST WAAAAAS?!", schreit Mom auf und geht schnell auf mich zu. "Du wirst NICHT nach Irland zu deiner verrückten Tante ziehen! Das verbiete ich dir! Du ... du kannst doch nicht einfach ..." "Mom", versuche ich sie zu beruhigen, "es ist doch nicht für Jahre! Höchstens bleibe ich ein paar Monate oder Wochen. Du wirst das schon überleben." "Nein, Fräulein. Hier kommt es nicht darauf an ob ich das überlebe, sondern darauf dass du mich einfach im Stich lässt! Wie kannst du nur so etwas sagen!" Plötzlich kommt mir eine Erkenntnis. "Du kannst einfach nicht ohne Aufmerksamkeit, was Mom? Du brauchst sie wie die Luft zum Atmen. Deshalb willst du auch nicht dass ich gehe. Du willst nicht, dass ich meine Aufmerksamkeit jemandem anderen widme, weil du dann weniger bekommst. Stimmt's, Mom?" Meine Mutter ist plötzlich leichenblass. Sehr lange sagt sie nichts. Schweigt einfach. Dann sagt sie:"Pack deine Koffer. Zieh nach Irland und werde dort glücklich. Ich will dich nicht eine Sekunde länger in meinem Haus haben." "W-was?" "RAUS!", schreit sie, packt mich am Arm und schleift mich zur Treppe. "In fünf Minuten bist du mit Packen fertig, dann verlässt du mein Grundstück! Und komm ja nie wieder!" Völlig geschockt starre ich sie an, dann werde ich von ihr die Treppe hinaufgestoßen. "Du hast nur noch 4,5 Minuten. Beeil dich!" Total benommen drehe ich mich um und wanke in mein Zimmer. Dort zerre ich meine beiden roten Koffer hervor und stopfe wahllos Klamotten, Bücher, Schminksachen und Geld rein. Nachdem ich fertig bin, rufe ich rasch Tante Rachel an und berichte ihr von Mom's Ausraster und dass sie mich rausgeworfen hat. "Ja, so hat sie auch immer reagiert als ich mit ihr Streit hatte. Wie die größte Diva überhaupt. Warte, ich buche dir rasch einen Flug, Liebes. Wo wohnst du überhaupt?" "Los Angeles. Und ... du hast mir noch gar nicht erzählt wo genau du in Irland eigentlich lebst." "Ich wohne in der Nähe von Ballydooneen, das ist ein recht kleines Dörfchen an der irischen Küste. Es ist wunderschön hier, dir wird es sicher gefallen. Also, du suchst heute noch einen Flug? Dann landest du am besten in Cork ..." "MEGAN! ICH KOMM JETZT HOCH UND SCHLEIFE DICH HIER RUNTER, WENN DU NICHT AUF DER STELLE SELBER KOMMST!" "Du, Tante Rachel, ich muss jetzt los. Ruf mich am besten nochmal an wenn du alles geregelt hast, okay?" "Ja, mach ich Kleines. Und mach dich nicht verrückt." Dann lege ich auf. Da kommt mein Dad in mein Zimmer, nimmt mir die Koffer ab und trägt sie schweigend nach unten. Mom erwartet mich schon böse anguckend im Flur, ihr Fuß wippt die ganze Zeit auf dem Boden. Sie weiß genau dass mich das wahnsinnig macht. "Auf Wiedersehen. Falls du mich doch zurückwillst, ruf mich an. Du hast ja meine Nummer", sage ich kühl zu ihr. Sie verengt die Augen zu Schlitzen und öffnet die Tür. Kaum bin ich draußen, fällt sie mit einem lauten Rumms! zu.

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Hey,

yaaaaaay, das erste Kapitel !! :D

Love, found in IrelandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt