Rogues: Jedes Mal

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Leonard

Es war nicht das erste mal gewesen, dass er betrunken nachhause kam und auch nicht, das erste Mal, dass er sie schlug, doch es war das erste mal, dass sie sich wehrte.

Nur leider ohne Erfolg.

Ich hatte mich versteckt, ganz hinten im Schrank mit klein Lisa im Arm. Ich schaukelte sie hin und her.

Bitte jetzt nicht weinen, dachte ich. Sonst findet er uns auch noch!

ich war jung und naiv ,genug um zu glauben keiner könnte uns dort suchen oder die Tür aufbrechen, die mit einem einfachen Schliss gesichert war.
Ich meine es war bloß ein Schrank. Bei jedem Versteckspiel war er mein Lieblings Platz, weshalb ich auch immer gefunden wurden.
Doch ich war gerade mal 8 und noch besaß noch etwas, was man wohl Hoffnung nennt.

kein Wunder , dass uns dann doch jemand fand. Ich hörte die Schritte, die auf den Schrank zukamen. Energisch. In Wahrheit waren sie wahrscheinlich ziemlich leise. Doch meine Neven hätten sich so angespannt, dass sie mir in diesem Moment unnatürlich laut vorkamen.
Die Schritte blieben stehen. Er war da. Und öffnete den Schrank.

Aus lauter Angst, es könnte unser Vater sein Schloss ich die Augen. Presste sie fest zusammen. Ich wollte sein Gesicht nicht sehen. Nicht die Wut, den Zorn oder sonstiges , was sich darin abspielen könnte. Die verzerrte Fratze hätte ich nicht ertragen.

Langsam und vorsichtig legte sich eine weiche Hand auf meine Schulter, das war nicht Dad. Als ich meine Lieder wieder aufschlug kniete Mom vor mir und sah mir eine Zeitlang in die Augen.
Mein Herzschlag der gerade noch schneller und lauter gewesen war, als je zuvor, beruhigte sich allmählich wieder. Der Anblick ihrer Augen hatte das zur Folge.

Ihre waren so schön. Braun mit goldenen Sprenkeln und einer unglaublichen Tiefe. Aufgequollen vom weinen. Doch trotzdem Wunderschön.
Kein blau, was so kalt und unnahbar war, wie das meines Vaters, sondern warm und weich.
Eine einzelne Träne rann noch aus ihrem Auge. Funkelnd wie ein Edelstein.
Ich erinnere mich noch genau an dieses Bild. Fast wie in Zeitlupe rollte die Träne über ihre rote Wange, wo er sie scheinbar geschlagen hatte, bis zum Kinn und tropfte dann auf den Boden des Schranks.

sie beugte sich vor und gab meiner kleinen Schwester einen Kuss auf die Stirn.
Nahm mich in den Arm und flüsterte „Alles wird gut. Sei stark mein Kleiner."
Dann stand sie auf und ging.
Sie ging einfach.

Und kam nie wieder...
Wie konnte sie nur?

Als ich später verstand das sie nie wieder kehrte, redete ich mir ein, er hätte sie getötet. Aus versehen, als er sie mal wieder schlug. Mein Vater das Monster.

Doch heute ist selbst mir klar was wirklich geschah. Sie ist geflohen solange sie noch konnte. Und überlies Lisa und mich unserem Schicksal. Beide waren sie Monster. eines mit Krallen und Messern, was kratze und wild Umsicht schlug, das andere scheinbar zart und wunderschön, doch es zerbrach einem das Herz und lies dich hoffnungslos zurück.

Und ich sollte stark sein.? Wie Mom? Wie?
Wenn selbst du es doch nicht konntest.? Nicht einmal für uns.

Knapp ein halbes Jahr später, nahm mein Vater mich das erste mal mit zur Arbeit.
Kleine Finger. Gut zum neu verkabeln der Sicherheitsysteme. Oder zum Schlösserknacken.  Mir war es recht. Oder zumindest egal. Solange er Lisa in Ruhe lies.

Diese war gerade knapp ein Jahre alt. Er lies sie einfach zuhause. Ohne Essen, ohne Trinken und ohne Erklärung. Einfach in den Schrank eingeschlossen.
Doch sie weinte nicht, schrie nicht, wehrte sich nicht. Sie war tapfer. War schon immer die mutigere von uns.
Egal was er ihr antat, sie war still. Genau wie ich.
Gehorsam.
Kein Aufsehen erregen.
Ihn nicht verärgern.
Das Monster nicht wecken.

Doch trotzdem wachte es allzuoft auf. Nach einem gescheiterten Job, einer zulangen Sauftour, oder einfach weil es mal wieder an der Zeit war.

An diesen Tagen erlaubte ich Lisa nicht einmal aus dem Schrank zu kommen.
Zu gefährlich war es für sie von einem Teller, einer leeren Flasche oder einer Faust getroffen zu werden.
Jeder kleinste Fehler war ein Fehler Zuviel. Ein Vergehen, für das jemand bestraft werden musste.
Egal was es war. Von Niesen bis zum schlecht getimeten Atmen oder einem falschen Blick, war alles verboten. Selbst auf eine lockere Diele treten war ein Anlass aus der Haut zu fahren.

Jedes Mal.
Ein Fehler Zuviel.
Jedes Mal.
Ein Schlag ins Gesicht.
Jedes Mal.
Etwas fester.
Jedes Mal.
Einer Mehr.
Jedes Mal.
Versuchte ich stark zu bleiben.
Jedes einzelne, verdammte Mal.

Er stand vor mir. Groß. Muskulös. Breitschultrig.
Die Hand zur Faust geballt.
jeder mit klarem Verstand hätte angefangen zu flehen oder zu betteln.
Nur ich nicht.
Ich wollte stark sein und ich wollte es ihm beweisen. Ich, ein drei Käse hoch, der nichts hatte außer seinen Willen.

Also tat ich das was ich immer tat. Ich war still. Sah ihn bloß an. Sah ihm ins Gesicht. Direkt in seine Augen. Dieser tiefe alles verschlingende Ozean.

Jedes Mal.

Drohte ich, in dem Sturm dieser Augen unterzugehen.

Doch damit kam ich klar. Es war okay. Solange es Lisa gut ging. Ich tat alles für sie, und würde es wieder tun.

Jedes Mal.
Würde ich die Strafe für Ihre Fehler auf mich nehmen.
Jedes Mal.
Einen neuen Schlag ins Gesicht riskieren, nur um sie zu schützen.
Jedes Mal.
Auch bei den härtesten nicht anfangen, die Schuld auf sie zu schieben.
Jedes Mal.
Egal wie viele es sein würden, für sie verkraftete ich es.
Jedes Mal.
Würde ich ihn doch anschreien, falls er ihr auch nur ein Haar krümmen wollte.
Jedes Mal.
Würde ich für sie sterben.
Für das einzig gute in meinem Leben.

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