Schade eigentlich. Er war ja doch ganz nett gewesen. Die ganze Aufregung um sonst, dachte Manon noch, doch nur ganz kurz und sie meinte das auch nicht ganz ernst. Manon war heilfroh, dass Noah, so nannte sie ihn jetzt auch in Gedanken, offenbar ein recht netter Mensch war, der genau wie sie etwas schüchtern und unsicher beim Schreiben war. Manon strahlte. Die letzten zwei Stunden gingen wie im Flug vorbei. Schon stand sie vor der Schule und verabschiedete sich von Finn. Er umarmte sie kurz und wünschte ihr einen schönen Tag bei IKEA bevor er ins Auto stieg und ohne sie nach Hause fuhr. Ann würde bald hier mit Al ankommen und sie direkt mit zu IKEA nehmen.
Manon wartete zehn Minuten vor der Schule, bis schließlich ihr Familienwagen auftauchte. Zum Glück hatte der morgendliche Regen schon aufgehört und es war sogar warm. Lächelnd stieg sie ins Auto. "Hey Mama, Hi Al!" , begrüßte sie die beiden. "Da hat aber Eine gute Laune." , bemerkte ihre Mutter sofort. "Ich freue mich auf IKEA" , begründete Manon möglichst unauffällig ihr Lächeln nach der Schule, "und es ist Wochenende." Das war zwar eher etwas negatives aus ihrer Sicht, doch sie würde ihrer Familie nichts von Noah erzählen. Manon kam sich komisch vor ihrer Mutter etwas zu verheimlichen, doch sie blieb bei ihrem Beschluss. Kein Wort von Noah an ihre Familie. Naoh war ihre Sache.
"IKEA!" , krähte Al von der Rückbank. "Ja." , lachte Manon und drehte sich zu ihm um, um ihm durch die Haare zu wuscheln. Jetzt konnte sie Noah getrost eine Weile ausblenden. Sie hatte im Moment den Job große Schwester. Manon liebte Alin um einiges mehr, als sie die Zahlen liebte.
"Manon, CD?" , fragte Al von der Rückbank. "Wenn du richtig fragst, ja." , antwortete Ann an Stelle von Manon. "Manon? Kannst du bitte die CD anmachen?" , fragte Al erneut. Manon schob ihre und Alins gemeinsame Lieblings-CD ins Laufwerk. Kurz darauf beschallten die Beach Boys das ganze Auto.
Schon von der Autobahnabfahrt aus konnten sie die riesige IKEA-Filiale sehen. Alin fing an zu singen und hörte nicht mehr auf, bis sie im Parkhaus ausgestiegen waren. "IKEA,IKEA,IKEA,IKEA!" , sang er auf die aktuelle Melodie der Beach Boys. Manon nahm ihn an die Hand und lächelte. Sie lächelte sowieso die ganze Zeit über. "Ich will ins Småland!" , rief er, als sie den Eingangsbereich betraten. "Alin, wir holen nur schnell das Bett ab. Wir brauchen kürzer, als es dauert in der Schlange hier zu stehen.", Ann deutete auf die geschätzten zwanzig Mütter und Väter, die mit Kindern an den Händen warteten. "Das glaub ich dir nicht!", schmollte Al und verzog trotzig den Mund, "Bestimmt dauert es eeeeeeeeeeeeeeeewig!"
"Wenn du möchtest können wir es ausprobieren, Al. Wir beide stellen uns hier an und Mama holt das Bett. Wenn sie nicht schon wieder da ist bis wir dran sind darfst du rein." , versuchte Manon die Situation zu entspannen. "Und wenn sie schneller ist, dann krieg ich zwei Hot Dog!" , bestimmte Alin. "Okay." , seufzte Ann und machte sich auf den Weg zum Lager. Manon stellte sich mit Al in die Schlange. Es dauerte nicht lange bis Alin komplett von der Wiki-Folge, die auf einem großen Bildschirm über ihnen lief in Beschlag genommen war. "Du kannst dich auch zu den anderen Kindern auf die Bank setzen." , schlug sie ihm vor. Al nickte und setzte sich mitten unter die anderen Kinder.
Eine viertel Stunde später kam Ann mit einem großen Wagen voller Pakete und einem ewig langen Kassenzettel zurück. Es standen inzwischen nur noch drei Mütter vor Manon, doch sie verließ schnell die Schlange, damit Al das nicht sah. "Schau dir das an, Manon!", rief Ann ihr schon drei Meter bevor sie Manon erreicht hatte zu und wedelte mit dem halben Meter Kassenzettel in ihrer Hand, "so ein langer Zettel für ein Bett!". Manon seufzte. "Tja, wir können nichts machen, Mama. Außer du hast Spaß daran einen armen Mitarbeiter voll zu jammern."
"Ich weiß das doch, Schatz. Und trotzdem regt es mich jedes Mal auf, wie viel Müll so unnötig produziert wird." , jammerte Ann nun Manon voll und nicht den armen Mitarbeiter. "Komm, wir gehen Hot Dog essen." ,sagte Al, der plötzlich aufgetaucht war und zog an Anns Ärmel. "Okay mein Großer. Wir gehen Hot Dog essen." , bestätigte Ann ihm und Al strahlte. "Ist das mein Bett?" , fragte er und setzte sich auf den Wagen mit den Paketen. "Ja, Al. Pass besser auf, dass nichts runter fällt." , warnte Manon ihn und hielt Al vorsichtshalber fest. "Ich kann sitzen, Manon!" , beschwerte er sich. "Ist schon gut, Al.", Manon ließ ihn los, doch sie behielt den ganzen Weg zum Hot Dog Stand ein Auge auf Alin und den Paketen.
Dort sicher angekommen bestellte auf eigenen Wunsch Alin die Hot Dogs für alle drei. "Wir wollen vier Hot Dogs. Drei normale und eins ohne Wurst." , sagte er todernst zum Mann hinter der Theke. "Bist du dir da sicher junger Mann? Mir selbst schmeckt ein Hot Dog mit Würstchen deutlich besser, als eines ohne." , erwiderte letzterer freundlich lächelnd. "Meiner Schwester schmeckt es ohne Würstchen besser." , sagte Alin bestimmt, "Aber ich verstehe das auch nicht." , fügte er leise verschwörerisch hinzu, als ob Manon es dann nicht hören würde. Sie schmunzelte nur. Al hatte ja recht. Ihr als Vegetarierin schmeckte es ohne Wurst wirklich besser.
"Na dann wollen wir deiner Schwester mal ein Hot Dog ohne Würstchen machen. Aber erzähl ihr dann ruhig, was ihr entgeht!" , erwiderte der nette Mann ebenfalls in verschwörerischem Ton und reichte Alin drei Hot Dogs und ein Hot Dog Brötchen über die Theke. Alin gab Ann und Manon jeweils ihren Anteil der Hot Dogs und bezahlte mit Anns Geld. Stolz wie Oscar verabschiedete er sich von seinem Verbündeten hinter der Theke und führte sie alle zu einem Tisch. "Das hast du toll gemacht,Al. Du hast ihm sogar einen Extrawunsch abgequatscht!" , lobte ihn Ann, wodurch Al nur noch breiter grinste.
Wieder zuhause nahm Manon die CD aus dem Laufwerk, um sie mit ins Haus zu nehmen. Dann trugen Ann und Manon die Pakete ins Haus. Jedenfalls versuchten sie es. "Papa! Wir brauchen dich! Schnell!", schrie Manon Richtung Haus. Das Paket rutschte ihr langsam, aber sicher durch die Finger und würde, wenn nicht gleich jemand sie rettete auf ihren Zehen landen. "Papa! Schneller!" , versuchte sie es nochmal. "Manon, geht es?" , fragte Ann überflüssigerweise. "Nein, Mama. Es zermatscht gleich meine Zehen!" , rief sie. Sie spürte wie das Paket ihren Fingern entglitt. Sie wartete schon auf den Schmerz, doch der blieb aus. Ein Junge war wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte das Paket im letzten Moment aufgefangen.
"Alles gut?" , fragte er Manon. "Ja, alles klar. Danke." , überwand sie sich zu sagen, dann rannte sie ins Haus und verzog sich mit den Beach Boys in ihr Zimmer. Das war ein sozialer Kontakt zu viel gewesen. Für den heutigen Tag war sie mehr als ausgelastet.
Erst als Ann Manon zum Abendessen holte verließ Manon das sichere Zimmer wieder. "Was war denn vorhin los, dass du so schnell rein gerannt bist?" , fragte ihre Mutter sie besorgt. "Alles gut, Mama. Ich war nur etwas überfordert mit der Situation. Heute habe ich genug fremde Leute kennengelernt, der letzte war einer zu viel. Tut mir leid, dass ich einfach gegangen bin."
"Schon okay. Wen hast du denn heute kennengelernt?"
"Ich habe mich mit einem Freund von Finn unterhalten. In der Pause."
"Schön, Manon. Also hast du doch noch Freunde gefunden!" , überschätzte Ann die gegebene Situation komplett. "Mama, ich habe mich nur mit ihm unterhalten! Das heißt ja nicht, dass wir gleich Freunde sind."
"Ach Schatz, bei dir heißt Unterhalten ganz schön viel, seit wir nicht mehr in München sind. Was noch nicht ist kann ja noch werden. Er muss ein netter Mensch sein. Bestimmt werdet ihr gute Freunde." Manon glaubte das nicht wirklich, doch sie nickte und gab ihrer Mutter das Versprechen sich Mühe zu geben. Sie würde Finn wohl oder übel nach dem Namen seines Freundes fragen müssen. Peinlich...
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Damit wir leben
Teen FictionUrsprünglich war Manons Plan zwei Jahre in ihrem neuen Kaff zu überleben ohne dort ernsthaft Wurzeln zu schlagen. Doch dann kam Noah. Und mit ihm eine wunderbare Brieffreundschaft, die Manons Leben veränderte. Sie begann sich ihrem Leben gegenüber z...