Kapitel 12

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Hayden PoV

Stürmisch betrete ich das Apartment, lehne die Tür bloß an. Ich rufe nach meiner Tante, aber niemand antwortet mir. Alles dreht sich, wirkt verschwommen, so unrealistisch. Ich taumele in die Küche, versuche mich an den Holzstühlen zu halten. Es knarzt bloß und ich falle auf den Boden. Tränen rennen über meine Wangen. Ich bin überrascht, dass es so früh geschieht. Ich dachte ich habe mehr Zeit. Mehr Zeit mit ihm.
Als ich hier so auf den alten Holzdielen liege, die Kälte langsam meinen Körper einnimmt, frage ich mich ob es das alles Wert gewesen ist.
Ob er das alles Wert gewesen ist.
Der plötzliche Geschmack von Kaffee taucht in meinem Mund auf, erinnert mich an Dylan.
An seinen Kuss.
Er sieht mich immer so an, als sei ich ein Diamant, etwas ganz besonderes. Er kann sein Glück nicht glauben, das sehe ich ihm an.
Wie hätte ich ihm sagen können, dass er der Grund für mein Verderben ist?
Wie hätte ich ihm sagen können, dass wir uns nie mehr wieder sehen konnten, dass wenn wir es doch tuen, ich ein wenig mehr sterben würde. Ich hätte es nicht ertragen ihn zu verlassen. Ich konnte es ihm nicht erzählen. Also schwieg ich und nahm in Kauf für ihn und seine Liebe zu sterben. Dylan ist es Wert gewesen. Selbst wenn ich die Chance dazu gehabt hätte, alles ungeschehen zu machen, hätte ich nichts verändert, hätte die gleichen Entscheidungen immer und immer wieder getroffen.
Ich gluckse und erschrecke, als eine dickflüssige Masse mein Kinn hinunterläuft. Ich fasse an meinen Mund. Blut.
Der Geschmack von Kaffee ist weg, wird durch den metallischen Blutgeschmack gnadenlos ersetzt.
Ich verkrampfe kurz als die Kälte meine Beine hinauf kriecht. Eine Gänsehaut übermannt mich, nimmt mich von Kopf bis Fuß ein. Ein unkontrollierter Schrei, so laut wie noch nie verlässt meine Kehle.
Ich entspanne mich nach und nach, lasse den Tod kommen. Das ist deine Strafe." , flüstert die Stimme in meinen Kopf. Wer sich auf einen Menschen einlässt, bekommt den Tod zu spüren." , flüstert die kratzige Stimme wieder.
Es fühlt sich an, als würde jemand all das schöne, all das Leben aus mir heraus saugen. Die Kälte ist nun bis hoch zu meinem Hals hervorgedrungen. Eingefroren. Ich liebe dich." , leise verlassen diese Worte meine Lippen. Meine letzten Worte, mein letzter Gedanke, bevor auch mein Kopf einfriert und meine Gedanken Eiskalt werden, gelten einzig und alleine Dylan.

402 Wörter

Der Schrei Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt