Chapter 1

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Sofort als Grace aus dem Flieger stieg, der sie nach London gebracht hatte, bereute sie es, sich vor Abflug doch noch die weißen Chucks und nicht die schwarzen dickeren Adidas Schuhe angezogen zu haben. In London regnet es. Sowas sollte man eigentlich wissen. Mit angeekeltem Blick sah sie auf die nun mittlerweile braunen, dünnen Stoffschuhe, welche grade Bekanntschaft mit einer auch für Englands Verhältnisse großen Pfütze gemacht haben. Egal, da sie sowie schon durchgefroren und hungrig war, kam halt auch noch nass dazu. Die nächste Woche über würde sie wohl mit einer Erkältung zu kämpfen haben. Mit ihrem Rucksack auf dem Rücken, der übrigens so grade als Handgepäck durchgegangen ist, macht sie sich mit den anderen, passenderen angezogenen Passagieren auf dem Weg in den Flughafen um ihre zwei Koffer und den neu gewonnenen Vierbeiner zu holen. 'Das sind doch mit Sicherheit alles Briten' dachte sie sich und sah eine Frau Mitte vierzig an, die aus ihrem Handgepäck einen kleinen Regenschirm rausholte. Ihre Chucks machten mittlerweile bei jedem Schritt ein schmatzendes Geräusch, welches ihr wirklich unangenehm war. Leider ließ sich das Geräusch aber auch nicht vermeiden, indem sie auf Zehenspitzen ging. 'Naja, noch kennt mich ja keiner.'

Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch ging sie in Richtung des Kofferbandes, wo mit großer Verwunderung Aller, die Koffer recht schnell ihre Runden drehten. Nachdem sie ihre beiden Koffer eingefangen hatte, machte sie sich auf den Weg zu der Abteilung, wo die Haustiere ausgegeben werden. 'Hoffentlich hat er alles gut überstanden' dachte sie sich und ihr mulmiges Gefühl wurde etwas stärker. Mein Gott, sie hatte diesen Welpen doch erst seit 2 Wochen, wie schnell konnte ein Tier einem ans Herz wachsen?

Die Box mit dem blauen Geschenkpapier dran, um die Box leichter zu erkennen, bewegte sich leicht hin und her und eine Flughafen-Mitarbeiterin schien großen Spaß mit dem Inhalt zu haben. 'Hallo, ich wollte meinen Welpen hier abholen. Es ist die Box mit dem blauen Bändchen.' trotz der Tatsache, dass Grace alles andere als gut drauf war, versuchte sie nett und höflich zu klingen. Schließlich ist sie hier in Groß-Britannien. 'Oh, ja sicher gib mir bitte die Papiere und setz dich doch kurz. So eine süße Maus hast du!', dass der Welpe ein Rüde namens Toby war, ist der Frau wohl entgangen. 'Vielleicht liegt es an dem roten Halsband' dachte sich Grace, lächelte die Dame aber nur an und gab ihre Papiere ab.

Auch eine Stunde nachdem die Pfütze mit ihren Schuhen Bekanntschaft gemacht hatte, hatte es nicht aufgehört zu regnen. Daran wird sie sich wohl echt gewöhnen müssen. Immerhin ist es schon Mai, es sollte wohl also selbst in England irgendwann wärmer und sonniger werden. Mit zwei kleinen Koffern, einem wirklich nicht angenehm sitzenden Rucksack und einer Hundebox in der Hand war es doch sichtbar schwierig, sich durch den riesigen Flughafen bis zu dem Taxistand durchzuschlagen. Dort angekommen, half ein wirklich zuvorkommender Taxifahrer ihr das Gepäck in den Kofferraum zu packen und hielt ihr sogar noch die hintere Tür zum Einsteigen auf. Mit Toby auf dem Sitz neben ihr, kramte sie ihr iPhone raus, um dem netten Fahrer ihre neue Adresse zu nennen. Burton Road 43 in Kingston upon Thames. Obwohl die Adresse wirklich leicht zu merken war, musste Grace doch immer wieder nachsehen. Der kleine braun-weiße Isländische Schäferhund neben ihr winselte. 'Gleich sind wir da und dann gehen wir eine große Runde, okay?' der Taxifahrer beobachtete Grace, wie sie versuchte, den kleinen Welpen mit ihrem Finger zwischen den Gitterstäben zu beruhigen. 'Laut deinem Akzent kommst du nicht aus London, richtig? Etwas britisch ist deine Aussprache aber schon.. ' merkte der Mann durch den Rückspiegel. 'Nein, ich komme ursprünglich aus Neuseeland. Mein Dad ist Brite, ich denke daher kommt der kleine Akzent. Ich bin erst ein paar Mal hier in London gewesen.' antwortet Grace abwesend, während sie in der Ferne aus dem Auto die Themse sehen konnte. Ob Toby wohl Wasser mag? 'Wow, Neuseeland. Was verschlägt dich dann in das verregnete England?' Eine nette Geste, Small Talk zu halten. Allerdings nicht, wenn man durchgefroren, hungrig, nass und mittlerweile auch noch durstig ist. 'Ich habe mein Master gemacht und fange ein Praktikum und eine längere Fortbildung in einer der Unis hier an.' 'Darf ich fragen, in was du deinen Master gemacht hast' Das Taxi bog in eine Straße ein, deren Name Grace bekannt vorkam. Burton, das war doch richtig, oder? 'In Physik.' Die allgemeine Reaktion die das wirklich hübsche Braunhaarige Mädchen bekam, war ein erstauntes 'Wow' und ein Hochziehen der Augenbrauen. Dies war auch hier der Fall. 'Dann bist du ja echt ein Genie, ich hatte für Physik nie etwas über.' grinste der Taxifahrer, als das Auto langsamer wurde und neben der Hausnummer 43 anhielt. 'Für ein Genie halte ich mich nicht, aber für den Abschluss hat es gereicht.' Für den besten Abschluss der Universität seit genau 23 Jahren und eine fette Auszeichnung mit Preisgeld hat es übrigens auch gereicht, aber Grace war nicht eine von denen, die damit angeben würde. 'Da wären wir, möchtest du bar oder per PayPal bezahlen?' 'Mit PayPal bitte.' Sie wusste, dass das Englische Geld ihre letzten nerven vermutlich überstrapazieren würden. 'Danke für die angenehme Fahrt.' mit einem Lächeln und einem kleinen Winken, das Grace doch etwas übertrieben schien, fuhr der Taxifahrer los und weiter die Straße entlang, die wohl nun ihr neues Zuhause sein würde.

Der Regen hatte nachgelassen, was nur gut war, denn die Schlüssel aus der kleinen Innentasche ihres Rucksackes zu ziehen, erwies sich schwerer als gedacht. Toby winselte um Aufmerksamkeit, langsam aber sicher musste der kleine Hund mal sein Beinchen heben. 'Ja, ich hab's ja gleich' stöhnte Grace auf und nahm zusammen mit dem Schlüssel eine Leckerlitüte raus. Nachdem sie zwei der kleinen braunen Chips durch das Gitter gesteckt hatte, nahm sie die Hundebox hoch und schloss die schwarze Tür auf. Das kleine Haus hatte ihr Vater ihr besorgt. Ein Freund der Familie wohnte hier, zurzeit ist er aber in Guatemala und solange Grace kein eigenes Apartment hat, konnte sie hier wohnen. Um ehrlich zu sein hoffte sie darauf, länger hier wohnen zu können. Der Umzug der vor ca. 1,5 Wochen stattgefunden hat, war wirklich nicht das schönste Ereignis gewesen, das bräuchte sie so schnell wirklich nicht noch mal. Obwohl sie eigentlich nicht so viele Umzugskartons hatte, staunten ihr Dad und ihr großer Bruder Josh nicht schlecht, als sie vor dem Haus standen und den Helfern beim Ausräumen zugesehen hatten. Die meisten Sachen befinden sich noch in Kisten, welche im Wohnzimmer sowie im Flur und in der Küche rumstanden. Es sah chaotisch aus. Aber das machte Grace nichts. Sie war einfach nur froh, endlich da zu sein. Da Toby erneut anfing zu winseln, suchte sie im Rucksack nach der ebenfalls roten Leine und öffnete die Hundebox um das kleine Fellknäul anzuleinen. 'Na komm, ich bin ja noch nicht nass genug.' murmelte Grace und zog den Welpen mit nach draußen, wo er sich direkt neben den nächst besten Busch hockte. Mit dem Handy in der einen Hand und der Leine in der anderen machten sich die beiden auf den Weg die Straße herunter. Mittlerweile mussten ihre Füße von den nassen Schuhen echt ekelig aussehen. Vielleicht wäre es doch sinnvoll gewesen, sich noch eben umzuziehen. Auf Google-Maps speicherte sie sich ihr vorübergehendes Zuhause ein, da Grace geografisch gesehen wohl eher eine Niete ist. Auf der Karte sah sie ganz in der Nähe einen großen Park, den Richmond Park, und das erste Mal an diesem doch eher recht bescheidenen Tag, freute sie sich. Ein Park in der Nähe ist perfekt, hoffentlich sind dort Hunde auch erlaubt.

Nach dem ausgiebigen erkunden des Parks kamen die beiden nass aber zufrieden wieder in dem kleinen Haus an. Das, was sie bisher von Kingston gesehen hatten, gefiel den beiden. Das Gassi gehen und das, wirklich ganz seltene Joggen, sollten kein Problem darstellen. Grace steckte Toby in den großen Käfig, worin sein Kissen und sein kleines Stofftier waren und machte sich auf dem Weg zu der Dusche, die im zweiten Obergeschoss war. Es war gut gewesen, dass sie schon vor 1,5 Wochen hier geschlafen hatte, es gab ihr ein sicheres Gefühl und eine Art Vertrautheit. Das warme Wasser und die an der Heizung aufgewärmte Jogginghose, die in ihrem Koffer natürlich ganz weit oben gelegen hatte, machten Grace direkt wieder bessere Laune. Was gut war, denn sie bereitete sich darauf vor, mit Ihrer Familie zu Facetimen.

'Na, sind die nassen Haare vom Duschen oder von der Regenfront, die über London hängt?' fragte ihr überaus witziger Bruder Josh und grinste in die Kamera. 'Die Regenfront hat mich kalt erwischt, das muss ich wohl zugeben.' grinste Grace und ihr Herz wurde schwer, als auch ihr Dad und ihre Stiefmutter Sarah neben Josh auftauchten. 'Alles gut, Spatz?' fragte er und Grace musste doch tatsächlich mit den Tränen kämpfen. Tat sie hier wirklich grade das richtige? 'Ja, schon. Es ist irgendwie komisch hier zu sein. Aber das wird schon.' 'Hattest du einen angenehmen Flug? Wie geht es Toby?' Sarah war schon eine Ewigkeit die inoffizielle Stiefmutter von Grace und Josh, jedoch hatte ihr Dan, so der Name ihres Vaters, es noch nicht übers Herz gebracht, sie zu seiner Frau zu machen. Woran das lag, wusste wohl nur er selber. 'Ja, der Flug war okay. Ich habe mein Buch von Stephen Hawking durchbekommen und etwas geschlafen. Toby war ziemlich aufgeregt nach dem Flug, aber nach einem ausgiebigen Spaziergang durch Kingston haben wir auch das hinbekommen. Ich glaube, er pennt schon unten.' Ein Grinsen zog sich durch die drei Gesichter und wieder hatte sie nur ganz kurz das Gefühl, der Hund wurde mehr vermisst als sie. 'Schön.. dann genieße noch deine letzten freien Tage bevor es losgeht mit dem Ernst des Lebens.. und melde dich bitte kurz jeden Tag, ja?' Dan war kein Mann der großen Worte. Seine einzige Tochter ist ans andere Ende der Welt gezogen und das machte ihm zu schaffen. Er wusste das, und Grace wusste das. Nach der Verabschiedung legte Grace das Handy auf ihren Nachtisch und freute sich darüber, keinen Wecker stellen zu müssen. Toby würde schon bellen, wenn er raus müsste. 

From Space With Love - (TOM HOLLAND)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt