Kapitel 4

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Jaron hatte den Kampf für sich entschieden, aber auch Navid hatte sich gut geschlagen. Zu zweit saßen wir am Rand der Arena auf einem kleinen Fleck Gras. Bald begannen die Magieprüfungen. Hier in der Akademie waren sie ebenfalls auf das Kämpfen ausgelegt. Nervös rupfte ich die kläglichen Grashalme aus dem Boden und zerrieb sie zwischen meinen Fingern. Ich hasste das. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, nur weil ich keine Magie hatte.

"Wenn das vorbei ist, ziehe ich in eine Stadt ohne Magier", murmelte ich.

Solche Städte gab es durchaus. Aber Magier besaßen Macht und häuften Reichtümer an. Städte ohne Magier waren oft arm und verwahrlost. Auch Magier mit sehr wenig Magie ließen sich manchnal dort nieder. Jene, die zum Beispiel nur eine Kerze anzünden konnten.

"Tust du nicht", behauptete Jaron, "das wäre dir zu langweilig. Du würdest vielleicht von Ort zu Ort ziehen, aber dich niemals dort niederlassen."

Ich seufzte. Vermutlich hatte er recht.

"Was willst du machen, wenn du die Prüfung bestanden hast?", fragte ich Jaron, ließ den Grashalm los, welchen ich malträtiert hatte und stützte mich auf meine Hände ab.

"Ich denke, ich werde für eine Weile zu meiner Familie ziehen. Ich habe sie lange nicht gesehen, aber nun, wo ich meine Ausbildung beendet habe, möchte ich mehr Zeit mit ihnen verbringen."

Das verstand ich, sehr gut sogar. Auch ich liebte meine Familie. Aber ich würde nicht wieder bei ihnen einziehen wollen, obwohl sie mich mit offenen Armen aufnehmen würden.

"Und du?"

Ich legte den Kopf schräg und betrachtete den Himmel.

"Wer weiß, vielleicht ziehe ich ja wirklich von Stadt zu Stadt und reise durch das Land."

"Solltest du irgendwann einmal nicht wissen wohin du gehen kannst, meine Tür steht dir offen."

Überrascht sah ich zu Jaron. Sein Blick war ernst und offen. Ich kannte ihn eher fröhlich als tiefgründig. Aber auch diese Seite stand ihm gut.

"Das Gleiche gilt für dich", erwiderte ich dankbar, "ich wäre immer glücklich, dich an meiner Seite zu haben."

Jarons Augen leuchteten auf bei meinen Worten. Er nickte und ließ sich dann ins Gras sinken, um die Augen zu schließen. Ich hätte nie gedacht, auf der Akademie Verbündete zu finden. Ich war als misstrauisches, abweisendes Mädchen hier angekommen. Ich hatte den Magiern nicht mehr vertraut. Ich hatte niemandem mehr vertraut. Und dann war ich Jaron über den Weg gelaufen. Er hatte sich von meiner kalten Art nicht abschrecken lassen. Er war immer freundlich gewesen und hatte ganz langsam das Eis um meinem Herzen geschmolzen. Ich legte mich ebenfalls ins Gras und schloss die Augen. Gleich würden die Magieprüfung beginnen. Aber bis dahin wollte ich die letzten gemeinsamen Momente mit Jaron genießen.

Ein Schatten fiel über mich. Blinzelnd öffnete ich die Augen. Durch die Sonne sah ich nur eine Silhouette. Ich drehte den Kopf. Jaron lag noch neben mir. Schnell stützte ich mich auf die Arme und stand auf. Jaron wurde dadurch ebenfalls aufgeschreckt.

"Mariko Young?", fragte mich die Person.

Ich trat einen Schritt zur Seite, um den Mann besser sehen zu können. Längeres schwarzes Haar mit grauen Strähnen war zu einem Zopf zurück gebunden. Der Mann trug die Uniform der Königsgarde. Mit wachem Blick wartete er bis ich meine Musterung beendet hatte.

"Das bin ich", sagte ich schließlich.

Der Mann nickte nur als wäre seine Frage nicht wirklich eine gewesen.

"Es wird gewünscht, dass du nach Beendigung deiner Prüfung mit zum Palast reist. Aufgrund des Vorfalls wird eine Zeugenaussage benötigt."

Ich runzelte die Stirn.

Legenden der Magie - Gefährliche MachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt