Teil 1

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Ich saß mal wieder mit meinem Vater im Garten vor unserem kleinen Häuschen und er fing an mir von meiner Geburt zu erzählen. Ich hatte die Geschichte schon mindestens tausendmal gehört, aber trotzdem hörte ich sie immer wieder gerne.

„Es war der 18. Mai 1531", begann er. „Als du, Fire, die Welt das erste Mal erblicktest. Deine Mutter Viola und ich nannten dich Fire, da du schon als Baby feuerrote Haare hattest, impulsiv und temperamentvoll warst, wie das Feuer. Es war früher Morgen, die Sonne ging gerade auf. Ich hielt dich in den Armen, stand am Fenster und schaute in die gerade aufgehende Sonne. Der Himmel leuchtete kurz grün auf, als die Sonne sich über den Horizont schob."

An meine Mutter erinnere ich mich kaum, sie starb, als ich gerade drei Jahre alt war. Ich kannte sie nur aus den Erzählungen meines Vaters. Sie soll rotes Haar gehabt haben und so lebendig und fröhlich gewesen sein. Mein Vater erzählte mir stets wie ähnlich ich ihr doch war. Ich kannte das Leben nur mit meinem Vater. Ich hatte keine schlechtere Kindheit dadurch, aber wirklich Freunde hatte ich nie, die Mütter in der Nachbarschaft machten sich sorgen, dass ich ihre Kinder verziehen würde.

Ich konnte sie da schon ein wenig verstehen, ich meinte, wer nahm sein Kind mit vier Jahren mit auf ein Boot und erklärte ihm, wie es mit einem Speer einen Fisch fangen konnte? Mein Vater sagte, ich sei sehr geschickt darin und mit sechs konnte ich es schon fast besser als er selbst.

Ich wurde von allen für komisch gehalten, weil ich Dinge tat, die unüblich waren für ein Mädchen. Ich war oft im Wald, lernte mit acht Jahren jagen. Ich war geschickt darin und fast niemand konnte es mir gleich tun, nicht mal die erfahrenen Jäger. Luchse töten war ein leichtes für mich, ich beherrschte sogar die verschiedensten Techniken. Am liebsten nutzte ich meine selbstgebauten   Schleuder. Diese bestand aus einem elastischen Leder, welches ich zwischen eine Astgabel befestigte hatte. Mit eine angespitzten Stein konnte ich die Schleuder nun spannen und dann hieß es warte bis der Luchs eingeschlafen war.

Ich legte mich dazu auf die Lauer bis der Luchs unaufmerksam war. Dann spannte ich meine Schleuder und schoss dem Luchs an den Hinterkopf, sodass es ihm das Genick brach. Anschließend sprang ich aus meinem Versteck und schnitt dem Luchs zusätzlich noch die Kehle durch, damit er auch wirklich tot war. Man wusste ja nie, diese Viecher war äußerst zäh und beinahe hätte mich einer erwischt.

Eines Tages gelang es mir nicht ganz das Genick eines Luchsweibchens zu treffen und sie konnte ihr Männchen alarmieren. Ich geriet schrecklich in Panik und wurde unaufmerksam. So merkte ich auch nicht, dass das Männchen von hinten auf mich zu kam und mich um ein Haar attackiert hätte, wäre da nicht im letzten Moment ein fremder Junge von einem Baum gesprungen und hätte den Luchs mit seinem Messer erstochen. Der Luchs hatte mich trotzdem gestreift und ich hatte selbst jetzt noch eine feine dünne Narbe auf meinem Arm, die mich stets an dieses Missgeschick erinnern würde. Ich konnte mich kaum rühren, stand da wie ein Stock. Der Junge kam auf mich zu und half mir auf. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich noch auf dem Boden gesunken war. Langsam erwachte ich aus meiner Starre.



Die Nacht der feuerroten SonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt