Was wäre, wenn... (Teil 2)

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Er lächelte sie an und winkte ihr zu.
Jane war zuerst völlig überfordert, lächelte und winkte ihm aber trotzdem zurück. Die Jungs bogen in eine Seitenstraße und Jane blieb kurz stehen, um das eben Geschehene zu realisieren.
Hatte ihr gerade ein Junge zugewunken?
Erneut schüttelte sie den Kopf und lief weiter.

Jane hatte sich eigentlich fest vorgenommen, hier in Hawkins keine Freundschaften zu schließen. Sie wollte diese Stadt nicht mögen, also auch keine Freunde haben. Doch dieser Junge...er hatte in weniger als einer Sekunde alles auf den Kopf gestellt.
‚Er hat dich doch nur angelächelt, mein Gott, wahrscheinlich wirst du ihn nie wieder sehen!', sagte sie zu sich selbst in Gedanken.
Sie beschleunigte ihren Schritt und lief weiter die Straße entlang.

Als nach ein paar Minuten immer noch keine Bank in Sicht war, wollte Jane schon aufgeben und umdrehen.
Doch gerade, als sie abermals die Stadt verfluchen wollte, dass sie nicht einmal Sitzbänke hatten und sie jetzt zurück zu ihrer Familie musste, hörte sie etwas. Es hörte sich an wie...Räder, und etwas, das auf die Straße krachte, und...ein Fluchen?
Jane drehte sich um und entdeckte in der Nebenstraße ein Mädchen, das von ihrem Skateboard gestürzt war und nun auf der Straße saß.
Sie sah nicht wirklich so aus, als hätte sie sich ernsthaft verletzt, ganz im Gegenteil, sie sah eher wütend aus.
Jane lief trotzdem auf sie zu, was sollte sie sonst tun? Nach Hause gehen war keine Option.

Das Mädchen bemerkte sie zuerst überhaupt gar nicht. Sie hatte Kopfhörer auf dem Kopf, aus denen ziemlich laut Musik dröhnte, die Jane nicht kannte. Ihr Skateboard war ein paar Meter weiter weg von ihr auf die Straße gerollt und Jane hob es auf und brachte es zu ihr. Erst als sie neben ihr stand, bemerkte das Mädchen sie und nahm die Kopfhörer ab.
„Hey, ich hab dich stürzen gesehen und wollte fragen ob alles okay ist?"
Zuerst blickte die Rothaarige sie einige Sekunden verwirrt und misstrauisch an, stand dann aber doch auf nahm ihr Skateboard entgegen.
„Oh, ja, danke. Mir geht's gut. Das passiert ständig."
Sie musterte Jane ausgiebig von Kopf bis Fuß bevor sie fragte: „Kannst du Skateboard fahren?"
Unwillkürlich huschte Jane ein Lächeln über die Lippen.
„Ich habe es mal probiert, bin aber kläglich daran gescheitert."
Das andere Mädchen lächelte auch und hielt ihr die Hand entgegen.
„Ich bin übrigens Max."
Jane nahm ihre Hand und schüttelte sie. „Ich bin Jane."
Max begutachtete sie noch einmal, so, als müsste sie abwägen, ob man ihr vertrauen könne oder nicht.
Doch der skeptische Blick wurde augenblicklich durch ein Lächeln vertauscht, eines, das diesmal ernst und aufrichtig zu seinen schien.
In diesem Moment war das Eis gebrochen.

„Ich kann es dir beibringen wenn du willst! Du bist neu hier, oder? Wo wohnst du?"
Max ließ ihr Skateboard wieder auf den Boden un stieg drauf.
„Ich bin erst vor einer Stunde oder so hier angekommen. Meine Familie und ich wohnen vorne an der Ecke, in dem weißen Haus mit den blauen Fensterläden.", antwortete Jane.
„Oh! Das alte Haus der Derrys! Das ist wirklich ein schönes Haus. Aber ich war ewig nicht mehr dort hinten. Die Straße führt gleich weiter zur Spielhalle, die Jungs nehmen sie recht oft, glaub ich. Aber ich nehme eine andere."
Max hatte inzwischen angefangen, mit ihrem Skateboard Schlangenlinien zu fahren.
„Die Jungs? Meinst du deine Freunde?"
„Ja, sie sind meine besten Freunde. Es sind vier, um genau zu sein. Ich habe nur sie, sonst niemanden. Ich bin auch erst vor einem Jahr hierher gezogen.", erklärte Max weiter.
Jane dachte kurz über ihre Aussage nach, dann fiel ihr etwas ein. „Oh, ich hab vorhin vier Jungs an meinem Haus vorbeifahren gesehen! Und sie kamen genau aus der Richtung der Spielhalle."
„Ja, das waren sie bestimmt. Du wirst dich sicher auch mit ihnen anfreunden! Sie sind alle total nett, aber versteh mich nicht falsch, manchmal nerven sie mich schon. Gott, ich bin so froh das du jetzt da bist!"
Jane runzelte die Stirn. „Warum?"
Max schaute sie amüsiert an und sprang von ihrem Board.
„Na, weil ich jetzt endlich eine Freundin habe! Endlich! Ich hatte, glaube ich, noch nie eine Freundin. Nein, warte, wir werden beste Freundinnen!"
Max schien es überhaupt nicht zu kümmern, dass sie sich eben erst kennengelernt haben und sie Jane eigentlich noch gar nicht kannte.
Sie ging einfach davon aus, dass sie Freundinnen werden würden, ausnahmslos.
Jane hatte ja eigentlich den Vorsatz gehabt, keine Freunde haben zu wollen, doch als sie in die strahlenden Augen von Max blickte, konnte sie auch nicht nein sagen.
Und um ehrlich zu sein, wäre sie total gerne mit ihr befreundet.

„Komm, ich zeig dir mein Zimmer. Wann musst du denn wieder daheim sein? Oh, ich kann dich dann ja begleiten! Wir können mein Fahrrad nehmen."
Max schnappte Jane's Hand und ging mit ihr ins Haus.
Jane lächelte. Vielleicht war Hawkins gar nicht so übel.

Nachdem die Mädchen gefühlte Stunden in dem Zimmer von Max damit verbracht haben, sich Comics und Zeitschriften anzuschauen und zu quatschen, verriet Jane ein Blick auf die Uhr, dass sie gehen musste.
„Ich will nicht zu diesem blöden Essen", sagte sie kläglich, als sie die Haustür öffnete, um nach draußen zu gehen. „Sei doch froh, dass es nur ein Essen ist und nicht, keine Ahnung, ein gemeinsamer Ausflug oder so. Du kannst sitzen, soviel leckeres Essen essen wie du willst, den anderen zuhören und entspannen. Glaub mir, es hätte viel schlimmer sein können.", versicherte Max ihr, die gleich hinter ihr lief.
„Morgen komm ich wieder zu dir. Oder hey, willst du zu mir? Wir könnten zusammen mein Zimmer einräumen.", schlug Jane vor.
„Oh ja! Ich würde echt gern mal euer Haus sehen."
Max hatte inzwischen damit angefangen, ihr Fahrrad aus der Garage zu schieben. Als sie Jane fragen wollte, wann sie denn kommen soll, sah sie vier Gestalten auf Fahrrädern in die Straße einbiegen.
„Na, sieh mal wer da kommt!", sagte sie lachend und stellte das Fahrrad ab.
„Sind sie das? Deine Freunde?"
„Yep! Obwohl, ich muss dazu sagen, mit einem bin ich zusammen."
Jane ertappte sich dabei, wie sie innerlich hoffte, dass es nicht der Junge war, der ihr zugewunken hatte.
Und dann fiel ihr ein, dass sie vorhin noch geglaubt hat, ihn nie wieder zu sehen.
Tja.

Max war inzwischen auf die Straße gelaufen, um die Jungs zu begrüßen. Jane wusste nicht so recht, was sie tun soll, also stellte sie sich einfach neben sie. Und in dem Moment, als sie sich zu ihrer neuen Freundin gesellte, galt die Aufmerksamkeit der Jungs nicht mehr Max, sondern sofort ihr.

„Hey, du bist doch das Mädchen, das vorne in das Haus der Derrys gezogen ist, stimmt's?"
„Oh stimmt! Wir haben dich vorhin gesehen."
„Du hast sie nicht nur gesehen, Mike. Du hast ihr strahlend zugewunken."
Mike wurde augenblicklich rot im Gesicht und Max schlug Jane leicht mit dem Ellenbogen. „Hey, das hast du mir ja gar nicht erzählt?!"
Jane fing zu stottern an und wusste nicht so recht, was sie darauf sagen sollte, doch die Jungs waren mittlerweile alle von ihren Rädern gestiegen und wollten sich mit Jane anfreunden.

„Hi. Ich bin Dustin. Freut mich, dich kennenzulernen. Wie heißt du überhaupt?"
Jane nahm seine Hand entgegen: „Ich bin Jane. Die Freude ist ganz meinerseits."
Lucas und Will stellten sich ihr auch noch vor, dann war Mike an der Reihe.
„Ja..ähm...hi. Ich bin Mike."
Jane sah ihm an, dass er total nervös war. Er sah verlegen aus und hatte immer noch rosa gefärbte Wangen.
Ihr machte das nichts aus. Im Gegenteil, sie fand es sogar süß.

Die Gruppe quatschte noch ein bisschen, bis Jane irgendwann drängte, das sie nun wirklich los musste. Die Freunde verabschiedeten sich, und Jane und Max fuhren mit dem Fahrrad zu ihr nach Hause.
„Gott, Mike hat es aber ganz schön erwischt. Er steht total auf dich Jane!"
„Was? Stimmt doch überhaupt nicht."
„Stimmt wohl. Und gib es zu, du findest ihn auch toll."
„Könnten wir das Thema wechseln?"
„Aha! Du findest ihn toll."
„Max!"
„Okay. Entschuldige. Dann erzähl mir was anderes. Wie findest du Hawkins so bis jetzt?"
„Um  ehrlich zu sein, ich wollte am Anfang überhaupt nicht hierherziehen. Aber inzwischen mag ich es ziemlich."
„Wieso wolltest du zuerst nicht herziehen?"
„Naja weißt du...diese Stadt und ich haben eine nicht so schöne Vorgeschichte."
„Vorgeschichte? Was meinst du?"
„Oh, ich weiß nicht, ob du dafür bereit bist. Sie ist ziemlich...gruselig, weißt du?"
„Ich bin für alles bereit. Komm, erzähls mir!"
„Na gut. Als ich hier geboren worden bin wurde ich... naja... fast entführt."
„Entführt?! Du?! Hier in Hawkins?!"
„Du glaubst mir nicht."
„Doch, total! Mensch, das ist spannender als ich dachte. Erzähl weiter."
„Also..."

———

So, das war die Kurzgeschichte! Ich hoffe, sie hat euch gefallen. Ich finde es immer ganz interessant, sich zu überlegen, was passiert wäre, wenn bestimmte Ereignisse nicht passiert wären.
Wie fandet ihr denn diese Geschichte?
Schreibt es mir gerne in die Kommentare! ;)

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 03, 2020 ⏰

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