Kapitel 14

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In seinen Augen funkelt immer noch die Erregung. Ich versuche mir vorzustellen wie es sich für ihn angefühlt haben muss, endlich Mana sehen zu können - auch wenn es nur für einen kurzen Moment war. Ich folge mit den Augen den scharfen Kanten seiner Nase, über seine angespannte Mundpartie hin zu seinen leicht bebenden Schultern. Ich traue mich nicht meine Gedanken laut auszusprechen. Stattdessen streiche ich den schwarzen Stoff meines Etuikleides glatt. Zwinge mich aus dem Fenster zu schauen.

Draußen ziehen die Straßen Shanghais an uns vorbei, während sich das Taxi seinen Weg durch die Menschenmassen bahnt. In diesem Bezirk scheint keinerlei Ordnung zu herrschen. Die Wolkenkratzer und modernen Glasfronten haben wir schon lange hinter uns gelassen. Nun schlängeln sich Fahrradfahrer zwischen stehenden Autos hindurch. Mopeds transportieren Käfige voller gackernder Hühner. Überall hängen rote Papierlaternen knapp über den Köpfen.

Der angenehme Geruch von frisch Gegrilltem findet seinen Weg durch die Lüftung ins Wageninnere. Mein Magen knurrt. Askyell schnaubt verächtlich. Und wieder einmal frage ich mich, wie jemand bei seiner Größe nur so wenig essen kann ohne wie ein Klappergestell herumzulaufen! „Können wir nicht kurz halten und eine Kleinigkeit zu uns nehmen?", frage ich erwartungsvoll. Er ignoriert mich. „Bitte?", flehe ich, betone jede Silbe. Dabei verdrehe ich mich so, dass er mir direkt ins Gesicht gucken muss. Askyell wendet sich ab und plötzlich scheint für ihn die Umgebung sehr viel interessanter. Arsch!

Aber noch gebe ich nicht auf. Ich schnalle mich ab und rufe dem Fahrer zu: „Please stop!" Prompt fährt der Wagen rechts ran. Ehe Askyell richtig reagieren kann, stehe ich auf der Straße und nehme die Atmosphäre in mich auf. Verschiedene kleine Läden reihen sich aneinander. Überall preisen Menschen ihre Waren an. Straßenköche fordern sich gegenseitig heraus. Gebratene Nudeln, Fleischspieße, Meeresfrüchte und Nudelsuppe so weit das Auge reicht. Im Laufschritt steuere ich den erstbesten Imbissstand an. Askyell wird mich schon nicht allein hier sitzen lassen!

Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, während ich dem älteren Herrn mit Stirnband beim Brutzeln zusehe. Ich schwanke noch zwischen dem Reis und den Spießen, als mir plötzlich ein wichtiges Detail auffällt. Ich habe ja gar kein Geld mit! Missmutig drehe ich mich um und laufe in einen grimmig dreinblickenden Großmagier. Seine Wutader pocht mal wieder auf der Stirn. Ich muss mir ein Lachen verkneifen. In lauter Hektik hat er doch glatt seine Maske vergessen! "Mach das nie wieder!" Ich verdrehe die Augen. Er greift nach meiner Hand. Ein Blitzgewitter geht los. Irritiert folge ich seinem Blick. Hinter vorgehaltenen Händen tuscheln junge Damen, machen Selfies mit uns im Hintergrund. Es ist wirklich genauso wie er es prophezeit hat! Ich habe fast schon Lust mich an ihn zu schmiegen, um zu sehen, ob hier wer einen Herzinfarkt erleidet. Aber für meinen eigenen Seelenfrieden unterdrücke ich dieses Bedürfnis.

Mein Magen knurrt bei dem Duft von mit Honig mariniertem Fleisch. Askyell schenkt mir einen abschätzigen Blick, während der Koch mir mit breitem Grinsen zulächelt. Peinlich berührt möchte ich am liebsten im Erdboden versinken. Aber da kommt der ältere Herr mit zwei Spießen auf uns zu. Verwirrt will ich ihn abwimmeln. Askyell zückt widerwillig sein Portemonnaie. Der Mann winkt ab. Essen umsonst? Ich glaub ich bin im Himmel! Herr Obergroßmagier gibt sich endlich geschlagen und organisiert mir sogar noch ein paar Servietten. Offenbar hat er Angst, dass ich mein schickes Kleid mit Marinade besudele.

Wir lassen uns auf einer Bank neben dem kleinen Kanal nieder. Die Sonne scheint mir ins Gesicht, Kinder spielen im Wasser. Trotz dem wilden Treiben empfinde ich eine angenehme Ruhe. Genüsslich koste ich von dem Spieß. Gott ist das lecker! Ich grinse, wackle mit dem Kopf und trapple mit den Füßen.
„Hast du irgendeinen Anfall?"
Ich verdrehe die Augen. „Nein, aber ich weiß gutes Essen sehr zu schätzen."
„Ich fasse es nicht, dass du das so seelenruhig genießen kannst, nachdem wir gerade erst angegriffen wurden. Du machst mich echt fertig!" Ich ignoriere seine Ansage und halte ihm auffordernd den Spieß unter die Nase.
„Hier, du musst auch mal was essen!"
Er zieht die Augenbrauen hoch, während er mein Gesicht eingehend mustert. „Ich habe keinen Hunger."
„Du hast gefühlt nie Hunger. Stell dich nicht so an!"

Malachit und TigeraugeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt