Breathe in. Breathe out. This wave will recede too.
Die nächsten Wochen verstreichen. Kühl und silbern hängt der Nebel über dem See und in den Spitzen der Baumwipfel des verbotenen Waldes fest. Der Novemberwind fegt über das Schloss hinweg und lässt uns atemlos und vor Kälte bebend zurück. Scheiß Isolierung wirklich. Ich wickle meinen Umhang fester um mich, als ich zum Gryffindorturm hinauf haste, Pergamentrollen, die gerade in der Bibliothek mit ellenlangen Aufsätzen verziert wurden, unter meinen Arm geklemmt und Haarsträhnen überall, aber ja nicht in meinem Zopf. Nach Luft schnappend komme ich endlich oben an. Die Sonne ist schon lange verschwunden, sodass nur die langen Schatten der flackernden Fackeln am Gang Licht spenden. Die fette Dame öffnet das Portraitloch, sobald sie meinen finsteren Blick bemerkt. Wundervoll.
„Danke", murmle ich und husche schnell in den Gemeinschaftsraum. Die Wärme, die mir entgegenströmt, lässt mich wohlig schaudern. Die Spannung in meinen Muskeln löst sich etwas, als ich mich die vertraute Treppe hinaufbegebe, die Schlafsaaltüre aufstoße und eben jenen durchquere, um mein Zeug auf meinem Bett abzuladen. Ein erleichtertes Seufzen entfährt mir. Endlich.
„Wo sind die andren?", will ich wissen, während ich meinen Umhang von meinen Schultern gleiten lasse.
„Ausgeflogen", erwidert Mary und sieht von ihrem Buch auf, „Alice bei Frank, Marlene wollte mit Victoire noch in die Küche, Lily weiß ich nicht, aber Juliet ist bei Black." Ich muss grinsen. Die beiden sind so süß zusammen. Sie sind zwar noch in der „verliebt, aber schüchtern" - Phase (Sternchen schüchtern!), aber sie können trotzdem keine fünf Minuten voneinander getrennt sein, habe ich das Gefühl.
„Apropos ausgeflogen. Eine Eule hat einen Brief dagelassen. Ich hab ihn auf dein Nachtkästchen gelegt."
„Mh", mache ich erfreut, „Danke." Benj. Seit seinem letzten Brief sind fast eineinhalb Wochen vergangen. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, obwohl ich versucht habe mir zu sagen, dass er vermutlich nur viel für die Ausbildung zu tun hat. Ich greife nach dem Kuvert neben meinem Bett und breche mit flinken Fingern das Siegel, um das Pergament herauszuholen. Ich entfalte es hastig und beginne zu lesen.
Hey Emmi,
ich weiß, es ist viel Zeit seit meinem letzten Brief vergangen und das tut mir leid. Es war einfach so viel zu tun. Nachdem sie die Dauer der Aurorenausbildung auf ein dreiviertel Jahr gekürzt haben, wird unser Pensum immer mehr gestaucht und ich komm kaum noch mit dem ganzen Zeug nach. Es ist gerade halb eins in der Nacht und wir sind immer noch im Ministerium. Nur noch zwei Stunden, dann können wir nach Hause. Ich vermisse dich, ich bin so müde und würde gerade nichts lieber tun, als mich zu dir in ein Bett zu kuscheln und zu schlafen. Naja, ein bisschen mehr als ein Monat noch. Merlin, du fehlst mir.
Mein Mentor hat mit mir über die Möglichkeit gesprochen, ihn gegen Ende des Trainings auf einer Mission zu begleiten. Ich bin mir noch nicht sicher, aber ich denke, dass wäre eine super Gelegenheit, um Erfahrung für die folgenden Missionen zu sammeln. Ich weiß, du machst dir Sorgen, aber ich denke ich werde sein Angebot annehmen. Aber darüber reden wir zu Weihnachten, okay?
Erzähl, wie war die Woche so? Wie geht es unseren geliebten Ships? Wie siehts bei Lily und James aus? Tut mir leid, dass der Brief so kurz geworden ist, ich hab nicht lange Pause.
Ich vermisse dich.
In Liebe
Benj
Das Pergament in meiner Hand bebt. Sie haben was? Die Aurorenausbildung gekürzt? Um ein dreiviertel Jahr?? Eisig hängt ein Kloß in meiner Kehle fest, während die Schrift vor meinen Augen verschwimmt, meine Sicht verschwimmt und das Dröhnen in meinem Kopf anschwillt wie ein Gebirgsbach an einem warmen Tag im beginnenden Frühling. Ich versuche ruhig zu atmen. Das ist nicht lange genug. sie werden nicht gut genug sein. Sie würde ausgelaugt und zu wenig ausgebildet auf das Schlachtfeld geschickt werden, um dann von Todessern wie Mastschweine hingerichtet zu werden. Vor meinem inneren Auge flackern Bilder von umherwirbelnden Flüchen und spritzendem Blut auf. Und ich komme nicht umhin Benj zu sehen, wie er kämpft, wie er fällt. Der Schmerz in meiner Brust wird immer stärker, hüllt mich ein und lässt mein Denken vernebeln. Ich ringe nach Atem. Ein durch die Nase, aus durch den Mund. Ich streite mich mit meiner Panik um die Kontrolle über meinen Körper, zwinge mich zu atmen und für einen Moment an nichts andres zu denken als zu atmen. Ein durch die Nase, aus durch den Mund.
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Mondwinde - weiß wie das Vertrauen
FanfictionFortsetzung von Tollkirsche - schwarz wie die Verzweiflung 4. Teil der Karneolreihe Coverbild taken and edited from: @My favourite wallpaper, 18. Jänner 2019 Der Sturm klingt etwas ab. In all der Dunkelheit scheint das Licht wieder zwischen den Wo...