Ich werde den Tag nicht so durchstehen, wie ich es mir vorgestellt habe. Zehn nach halb vier. Da bin ich endlich eingeschlafen. So lange habe ich wach gelegen, ständig diese digitale Uhr anstarrend. Die neongrünen Zahlen haben mir spöttisch die Zeit vor Augen gehalten. Was ich getan habe? Über das Geschehen des gestrigen Tages nachgedacht. Über den Nachmittag, die Onlinepartie mit Mikołaj. Dann habe ich angefangen, irgendwann über diesen Jungen nachzudenken, der mich seit gestern nicht mehr in Ruhe lässt. Der den Herzschlag etwas erhöht. Als der Wecker geklingelt hat, habe ich mich murrend auf die Seite gedreht und nach dem Handy getastet. Ein Glück, dass es am Ladekabel gehangen hat – es hat das Gerät vor einem unschönen Fall gerettet. Nur langsam erhebe ich mich. Kann erst einmal nichts Klares erkennen. Ich wische mit der freien Hand den Schlaf aus den Augen. Blinzele schnell. Ich hasse diesen ekligen Geschmack im Mund, den man jeden Morgen hat. Ich verziehe das Gesicht und gähne herzhaft. So, der Dienstag steht auf dem Plan. Gibt es irgendetwas Wichtiges? Chemie, die letzten beiden Stunden. Wir würden mit den Vorbereitungen weitermachen. Vielleicht auch mit den Experimenten. Sport? Allein der Gedanke an das Laufen zieht die Laune ganz schnell nach unten. Ausdauerlauf. Laufen ist nie mein Fall gewesen. Ich kriege mich nicht motiviert.
Erste Sonnenstrahlen schieben sich in das Zimmer und werfen kleine Punkte auf den Boden. Das Zimmer ist in schummriges Licht getaucht. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Fünf Uhr fünfundfünfzig. Um spätestens sieben Uhr fünfzehn will Mikołaj vor dem Tor stehen. Jetzt driften sämtliche Gedanken zum Neunzehnjährigen ab. Ist vielleicht auch dem geschuldet, dass er mir bereits um fünf nach halb fünf geschrieben hat.
Mikołaj: Guten Morgen, Jess. Hoffe, du hast gut geschlafen. Ich bin gerade so dermaßen am Arsch, dass ich 'mal beschlossen habe, das Gym aufzusuchen. Um so'n bisschen wach zu werden.
Da ist man selbst nicht 'mal richtig wach oder aufgestanden, und er muss sich in einem Fitnessstudio aufhalten. Um vier Uhr fünfunddreißig. Braucht er keinen Schlaf? Ich schüttele langsam den Kopf, allerdings ertappe ich mich dabei, wie ich lächele. Das Handy findet seinen Platz zurück, und ich schiebe mich aus dem weichen Bett. Tappe verschlafen zum Fenster. Bereite mich auf die folgende Lichtexplosion vor, sobald ich die Jalousien hochziehe. Ich kneife murrend die Augen zusammen – der Nachteil meines Zimmers ist die Lage. Ich habe eines bezogen, das sich der Sonne zugewendet hat. Das gleiche Spiel, jeden Morgen und jeden Abend. Ich kann bis zu der meterhohen Hecke sehen. Was dahinter liegt, kann ich nur erahnen. Die Straßen, die aus der Nachbarschaft führen. Die anderen Anwohner, die sich gerade auf dem Weg zur Arbeit machen oder dabei sind. Kinder, die man aus den Betten jagt, damit sie sich für die Schule fertigmachen.
Ich wende mich vom Fenster ab. Befreie das Handy vom Kabel und verlasse das Zimmer. Dass mein Vater längst wach ist, wundert mich nicht mehr. Sein Schlaf ist mit den Jahren immer unruhiger geworden. Es ist keine Seltenheit, dass er mehrere Tage am Stück wach ist. Und trotzdem aufmerksam und konzentriert bleibt. Aus dem großen Bad und den anderen drei Zimmern tritt warmes Sonnenlicht hervor, sodass der Flur erhellt wird. Ich peile die Treppe an. Lege die rechte Hand auf das kunstvolle schwarze Geländer. Die Stufen knarzen leise unter den Schritten. Aus der Küche kommt leise Musik. Ich lächele kurz, als ich von der Diele aus in die Küche sehe. Modern und doch einfach gehalten, eine Harmonie aus schwarz und weiß.
„Guten Morgen, Kleines." Es ist egal, wie viele Kaffees er getrunken hat; mein Vater hört sich trotzdem verschlafen an. „Und? Wie sieht es aus? Bereit für den heutigen Tag?" Er deutet zu dem spärlich gedeckten Tisch. „Wenn du irgendetwas Bestimmtes haben willst, musst du es sagen. Brötchen liegen im Korb." Das blaue T-Shirt liegt eng am Körper. Meine Mutter kann sich glücklich schätzen, dass er sich für sie entschieden hat.
„Morgen", erwidere ich glücklich und fasse die Haare zu einem kleinen Knoten, während ich zu dem Tisch schreite. „Wenn ich ganz ehrlich bin, nicht wirklich. Ich könnte mich gleich wieder hinlegen und nicht mehr aufstehen." Ich lasse mich auf den barhockerähnlichen Stuhl sinken. Hole die Tasse mit dem heißen Tee zu mir. „Bin müde." Ich gähne demonstrativ. „Warum bist du eigentlich wach? Ich dachte, du hast morgens nie 'was vor?"
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Teach me love, good girl
General Fiction„Willst du mit mir Drogen nehmen?" „Bei uns werden aber keine roten Rosen vom Himmel fallen." Jess Evert hält nicht viel von Mikołaj Nowak, als sie ihn zum ersten Mal sieht. Er ist das völlige Gegenteil eines normalen Austauschschülers: Statt Rückha...