Kapitel 35

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Etwas angespannt stand ich im Studio und tippte auf dem Mikrofon herum, das vor mir stand. Niall und Liam waren gestern wieder nach Hause gefahren und das, obwohl Niall der Meinung war, dass er mich nicht allein lassen könnte. Er hatte mindestens 100 mal nachgefragt, ob es denn auch wirklich okay sei, dass er und Liam wie geplant fahren würden oder ob er seine Termine nicht lieber umlegen sollte, um noch mehr Zeit bei mir zu verbringen.

Ich konnte Niall erst zum Fahren überreden, als ich ihm versichert hatte, dass ich ihn jeden Abend anrufen würde und ich ihm die Wahrheit sagen würde, wie es mir geht. Für ihn schien es wohl nicht verständlich zu sein, wie ich es am Morgen überhaupt aus den Bett schaffte, obwohl ich in einer Woche Noah verloren und Louis aus meinem Leben verbannt hatte.

Wenn ich ehrlich zu mir selber war, wusste ich auch nicht warum ich noch so gut funktionierte. Irgendetwas in mir schien Frieden damit zu finden, dass Louis mich nie wieder lieben würde und ich beginnen musste, nach vorne zu sehen.

Um dies zu können, schien ich mich genau dieser Situation stellen zu müssen. Ich hatte es vor mir her geschoben das Lied aufzunehmen, doch nun waren alle Lieder fertig und nur dieses hier fehlte.

Ich hörte auf, auf das Mikrophon zu klopfen und sah zu wie sich Sam auf der anderen Seite der Glascheibe niederließ.

"Können wir anfangen?"

Ich zeigte Sam meinen Daumen nach oben und im nächsten Moment hörte ich die Melodie von Falling auf meinen Kopfhören und so begann ich zu singen.

Eine Gänsehaut breitete sich auf meinen ganzen Körper aus, sobald die ersten Worte meine Lippen verließen.

Ich schüttelte kurz deswegen meinen Kopf, konzentrierte mich dann aber weiter auf das Lied. Was brachte es mir auch, mich über eine körperliche Reaktion von mir zu ärgern.

Kaum hatte ich das Ende der erste Strophe erreicht, breitete sich ein flaues Gefühl in meinem Magen aus.

I can't unpack the baggage you left

Vielleicht musste ich aber genau dies tun. Ich muss die Erinnerungen die er zurückgelassen hat in ihrer vollen Gänze zulassen, damit ich mit ihm abschließen konnte.

Und während ich den Refrain sang, gingen meine Erinnerungen an den Tag zurück, an dem wir uns versprochen hatten, es gemeinsam zu schaffen. Der Tag, nachdem Louis erfahren hatte, dass er Vater werden würde.

Ich zog meine Beine näher an mich heran und umschloß sie mit meinen Armen. Ich war alleine zu Hause. Louis war gestern nach unseren kurzen Gespräch verschwunden und nicht mehr nach Hause gekommen. Er meinte, dass er Zeit für sich bräuchte, um zu verdauen, dass er Vater werden würde.

Er schien dabei vergessen zu haben, dass ich auch etwas verdauen musste. Ich musste verdauen, dass er in unserer Datingphase mit einer Frau geschlafen hatte und sie geschwängert hatte. Und er schien vergessen zu haben, zu fragen, ob er gehen konnte oder ob ich ihn hier bräuchte.

Hätte er mich das gefragt, hätte ich ihm gesagt, dass er hier bleiben soll. Ich hätte ihn bei mir gebraucht. Ich hätte ihn spüren wollen. Er hätte mir das Gefühl geben müssen, dass er mich liebt.

Denn ich liebte ihn so sehr, doch meine Liebe schien gerade mit meiner Wut auf ihn zu kämpfen und seine Abwesenheit sorgte dafür, dass die Wut die überhand ergreifen würde.

Plötzlich hörte ich, wie meine Haustür aufgeschlossen wurde und ein riesen Stein fiel von meinem Herzen, als Louis wenig später im Wohnzimmer auftauchte, in dem ich saß.

Mir wurde jetzt erst klar, dass ich mir große Sorgen um ihn gemacht hatte und sehr erleichtert war, dass es ihm gut ging.

Ich hatte das dringende Bedürfnis ihn zu umarmen, um ganz sicher zu gehen, dass alles gut war, doch die Vernunft, dass er das nicht verdient hatte, siegte und so blieb ich sitzen.

Louis kam auf mich zu und setzte sich, in einem gewissen Abstand, mit auf das Sofa.

„Harry? Meinst du wir können reden?", waren dann die ersten Worte, die Louis Lippen verließen.

Die Wut in mir wuchs. Ich hätte gestern schon mit ihm reden wollen. Doch er war gegangen. Er war wieder weggerannt. Er hatte sich wieder nicht dem Problem gestellt. Etwas was er sehr gut konnte. Vor Problemen davonlaufen.

„Ich möchte ein paar unschöne Dinge sagen und ich möchte, dass du zuhörst, ohne dass du unsere Beziehung beendest oder weggehst.", erklärte ich ihm schließlich.

Ich hatte das Gefühl, wenn ich der Wut nicht etwas Platz einräumen würde, wenn ich sie nicht laut aussprechen dürfte, dann würde ich platzen, also musste Louis da jetzt durch.

Louis musterte mich besorgt und nickte dann.

„Ich bin sauer, dass du mit jemand anderen geschlafen hast. Ich weiß, dass wir da noch nicht fest zusammen waren, trotzdem bin ich sauer. Und ich möchte, dass du mir dieses Recht nicht absprichst. Du hast mit dieser Frau geschlafen und jetzt ist sie von dir schwanger. Ich habe dich endlich wieder. Ich dachte, jetzt beginnt unsere Zukunft und du stellst alles auf den Kopf. Plötzlich ist es nicht mehr unsere Zukunft. Plötzlich ist da ein Kind. Dein Kind. Und jetzt weiß ich nicht mehr, ob wir überhaupt eine Zukunft haben."

Zum Ende hin würde ich immer schneller und das Gefühl, noch viel mehr sagen zu wollen blieb, als ich meinen letzten Satz beendete.

Louis sah mich mit großen Augen an. Er schien erst jetzt zu verstehen, dass er gestern nicht hätte gehen dürfen, weil ich nun unsere ganze Beziehung in Frage stellte.

„Ich habe das nicht geplant. Okay? Ich habe nichts von all dem hier geplant. Ich wollte diese Zukunft mit dir, in der nur wir beide von Bedeutung sind, mindestens genauso sehr, wie du sie wollest. Aber in Briana wächst mein Baby heran, das in ein paar Monaten sein Leben mit uns teilen wird und deswegen kann es nicht mehr, nur noch uns beide geben. Aber ich ... ich will dich unbedingt mit einplanen. Ich will, dass wir das gemeinsamen durchziehen. Ich will dich an meiner Seite wissen. Ich weiß, dass das viel verlangt ist, aber als ich die ganze Nacht durch die Straßen gelaufen bin, um mir bewusst zu machen, dass ich Vater werde und wie mein Leben sich verändern würde, da ist mir bewusst geworden, dass ich mir dieses neue Leben nur mit dir vorstellen kann."

Louis Worte erreichten nur gedämpft mein Gehirn. Ich verstand den Inhalt und ich verstand auch, wie ernst er seine Worte meinte, doch die Wut in mir verhinderte, dass die Worte den Wunsch in mir erweckten, ebenfalls diese Zukunft zu wollen.

Ich hob meinen Blick und guckte Louis zum ersten Mal richtig an, seit er das Wohnzimmer betreten hatte. Ich sah seine wunderschönen Augen, die von dunklen Augenringen untermauert wurden. Er hatte wirklich in dieser Nacht, keine Minute geschlafen. Und ich sah seine Lippen die nicht wie sonst einladend weich wirkten. Sie waren rau und spröde. Und ich sah seine Haare, die in alle Richtungen abstanden. Es schien ihn aber, anders als sonst, völlig egal zu sein. Louis sah fertig aus. Er wirkte gebrochen.

Irgendetwas in mir sagte, dass dies nicht am Baby lag. Louis wollte immer Kinder haben. Louis sah so aus, wie er aussah, weil die Angst mich zu verlieren, ihn in einen dunklen Abriss zog und das wusste ich, weil es mir genauso gehen würde, wenn ich ihm, dem Baby und unserer gemeinsamen Zukunft keine Chance geben würde.

„Ich ... ich bin dabei. Aber du musst mir unbedingt .... du musst mir.... Ich bin noch so unglaublich sauer auf dich. Du musst mir einfach noch Zeit lassen."

What if I'm someone you won't talk about?
I'm falling again, I'm falling again, I'm falling

Mit den letzten Worten des Liedes verblasste auch meine Erinnerung. Ich atmete laut auf. Louis hatte mir nicht wirklich Zeit gegeben. Sobald es sich abzeichnete, dass ich ihn nicht einfach so verzeihen konnte, rannte er weg und verließ mich.

"Harry das war schon echt gut, aber kannst du das Lied nochmal singen? Ich will mir zwei Stellen nochmal anhören.", sagte Sam, auf der anderen Seite der Glasscheibe.

Ich nickte und fing von vorne an. Ich konzentrierte mich nur noch auf den Text und versuchte nicht in weiteren Erinnerungen zu versinken, denn das würde ich heute nicht mehr ertragen.

Falling || Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt