1. Mein Alpha

11.9K 330 27
                                    


Warum kann ich nur nicht einfach aufhören mir über Morgen dem Kopf zu zerbrechen? Dann könnte ich endlich einschlafen. Schon seit Stunden liege ich hier wach im Bett, in meinem kleinen Zimmer, und denke über den morgigen Tag. Ich kann sowieso nichts daran ändern. Sie werden mich, wie alle anderen vor mir auch, an meinem sechzehnten Geburtstag zu meinem Alpha bringen, dem ich versprochen wurde. Oder eigentlich, der mit mir kompatibel ist - was auch immer das bedeuten mag.
Jedenfalls gibt es angeblich zu wenige Omegas, weshalb sie sehr begehrt sind. Früher haben Alphas deshalb um sie bis auf den Tod gekämpft. Etliche Omega wurden entführt, weshalb es damals für Omega sehr gefährlich war ihr Haus zu verlassen. Nachdem die Kämpfe um die Omegas immer brutaler wurden, hat die Regierung beschlossen alle ungebundenen Omegas in gesicherten Heimen unterzubringen, die abgelegen von jeglichen Städten liegen. Dort werden sie großgezogen bis sie sechzehn Jahre alt sind. Jeder Omega wird in diesem Alter zu seinem Alpha gebracht und dann... Ja keine Ahnung. Keiner sagt uns was danach passiert geschweige denn, warum anscheinend jeder Alpha einen Omega haben will. Was bringt ihm das? Immer, wenn jemand von uns Omega danach fragt, wird die Frage ignoriert oder es heißt, dass wir das mit sechzehn dann schon erfahren werden.
Ich hasse diese Unwissenheit. Ich weiß noch nicht einmal wie eine Stadt richtig Aussieht. Ich kenne nur die Bilder aus dem Geographie- und Geschichtsunterricht. Ja, wir haben eine Schule neben dem Heim. Jedoch sind die beiden Gebäude mit einem hohen Zaun umgeben und Beta halten stets Wache. Sämtliches Personal hier besteht aus Beta. Seien es Wächter, Lehrer, Erzieher oder Ärzte. Alles Beta und wie mir letztere der genannten Gruppen auf den Geist gehen. Jede Woche muss ich zu einem Arzt und werde - auf keine Ahnung was alles - untersucht. Von dem bekomme ich auch immer irgendwelche Tabletten, die ich schlucken muss, weil ich sonst angeblich Schmerzen bekommen würde. Ja, ich habe das hinterfragt und mich mal geweigert diese Teile zu schlucken. Aber im Endeffekt hat der Arzt mir einen Vortrag gehalten und irgendwann wurde es mir zu blöd und hab nachgegeben. Naja..., um ehrlich zu sein hat er auch noch einen der Erzieher gerufen, der mir die Tablette in den Mund gestopft und dann so lange mir Nase und Mund zugehalten hat, bis ich aus Reflex schlucken musste. Als zusätzliche Strafe musste ich ein gesamtes Stockwerk im Heim putzen und dieses ist verdammt groß! Ich habe Stunden gebraucht und danach nicht einmal ein Abendessen bekommen. Die Leute hier stehen voll auf Disziplin und übertreiben einfach echt immer. Letztens als ich draußen im Garten mit Freunden gespielt und mir versehentlich ein Knie aufgeschlagen habe, hat die eine Ärztin mich so behandelt als würde ich gerade im Sterben liegen. Ich war echt froh, als sie mich endlich wieder auf mein Zimmer gelassen hat. 
Manchmal wünschte ich mir ich könnte mit gutem Gewissen behaupten, dass die Leute hier uns schlecht behandeln aber es ist nicht so. Vor allem die jüngeren Omegas werden von den Erziehern geradezu liebevoll umsorgt.
Ab zwölf Jahren bekommt jeder, der will, sogar ein eigenes Zimmer. Sonst ist man in Zwei- bis Fünfbettzimmern untergebracht. Jungs und Mädchen natürlich getrennt voneinander.
Generell will fast niemand ein eigenes Zimmer haben. Die meisten wollen einfach nicht alleine sein. Wenn man beispielsweise einen Albtraum hat, kann man sich dann zumindest zu seinem Zimmerkollegen kuscheln und sich gegenseitig halt geben.
Allgemein mangelt es hier an nichts, außer Freiheit oder einer Bezugsperson, die Zeit hat sich gut um einen Einzelnen zu kümmern.
Kein Omega darf das Gelände verlassen, bis zu seinem sechzehnten Geburtstag und man kommt nie wieder zurück. Deshalb habe ich keine wirklich engen Freunde mehr hier, da die meisten schon weg sind. Finn, ist erst vor zwei Wochen gegangen. Seitdem bin ich auch in einem Einzelzimmer, da ich mir mit ihm zusammen, seit ich denken kann, ein Zimmer geteilt habe. Obwohl er immer wieder zu Aktionen überredet hat, die im Endeffekt uns beiden Strafen eingehandelt haben, war er, wie ein großer Bruder für mich. Für seine Ideen, die eigentlich immer schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt waren, konnte ich ihm dennoch nie böse sein. Nicht einmal als wir deshalb für ein Monat in Einzelzimmer gesteckt wurden, weil er mich davon überzeugt hat mit ihm einen Ausbruchsversuch zu wagen. Kurz gesagt sind wir nicht weit gekommen. Wir beide haben uns an Scherben verletzt, weil wir ja das Zimmerfenster einschlagen mussten und anschließend durch dieses nach draußen geklettert sind. Dabei haben wir die Höhe des Zimmers möglicherweise auch etwas unterschätzt. Wir sind zwar schon immer gute Kletterer gewesen aber ich habe es nicht gepackt, bin abgerutscht und hab mir das Bein gebrochen. Durch den ganzen Lärm sind die Wachen auf uns aufmerksam geworden und haben und direkt auf die Krankenstation gebracht.
Irgendwie muss ich bei den Gedanken lächeln. Es war eine chaotische Zeit.
All das hier muss ich hinter mir lassen. Immerhin verstehe ich mich mit den anderen Omegas hier relativ gut.
Aber ich bin froh darüber, dass dann zumindest die ständigen Untersuchungen enden werden, denke ich zumindest. Eine Garantie habe ich ja nicht. Dennoch, ich werde Sarah zumindest nie wieder sehen müssen. Diese Lehrerin macht mir einfach nur Angst. Allein ihre Ausstrahlung... So als wäre sie die böse Stiefmutter aus irgendeinem Märchen, dass mir früher zum Einschlafen vorgelesen wurde.
Mein letzter Gedanke gilt Hannah, eine Erzieherin, die immer nett zu mir war, egal ob ich mal frech war oder meine Grenzen austesten musste. Doch, dann konnte ich zum Glück endlich einschlafen und diesem Gedanken ein Ende bereiten. Ich bin schließlich nur ein Omega und meine Zukunft liegt in den Händen des Alphas, den ich schon bald kennenlernen werde.

MírameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt