Akte 98: Deidara [TobiDei/ItaDei]

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Ich sitze einem Mann gegenüber, den ich nicht als Mann bezeichnen würde. Nicht aufgrund seiner androgynen Ausstrahlung, sondern weil sein Gesicht sehr jung aussieht. In seiner Akte steht, er sei zwanzig, also rein körperlich würde ich ihn als einen Teenager einordnen. Ich kann jedoch noch nicht von seinem Geist sprechen, denn der wird sich mir gleich offenbaren. Der Junge streicht sein blondes Haar zurück.

»Ich bin Itachi Uchiha. Wie darf ich dich nennen?« frage ich freundlich und verzichte vorerst auf Hautkontakt durch Händeschütteln. Vielleicht reagiert er irgendwie empfindlich darauf. Solche Fälle gibt es oft. Aber der junge Mann lächelt nur Charmant und antwortet:
»So, wie es dir am besten gefällt.«
»Mir gefällt es, wenn du mir deinen Namen nennst. Aus Höflichkeit.«
Er grinst. Er glaubt ganz sicher mich verführen zu können, so wie hunderte vor ihm auch, aber das ist unmöglich. Nur einer kann mich verführen, und das ist Shisui. Er braucht mich nur ansehen und er bekommt von mir alles, was er will. Als Psychologe stehe ich dieser Reaktion immer sehr skeptisch gegenüber, aber ich bin auch nur ein Mensch.

»Deidara. Mehr braucht dich nicht zu interessieren.« sagt mein Patient und schlägt grazil die Beine übereinander. Es ist faszinierend wie untypisch er sich für sein Tatmuster verhält. Er ist selbstsicher und schätzt Autoritäten nicht. Brandstifter und Bombenleger sind normalerweise sozial bedrückt und introvertiert. Aber Deidara ist nichts von beidem.
»Du kommst aus Deutschland, richtig? Deinem Akzent nach zu urteilen aus Norddeutschland.« stelle ich fest. Er grinst wieder und nickt.
»Wie aufmerksam von dir.«
»Ich war mit meinem jüngeren Bruder und meinen Eltern mal in Hamburg.« erzähle ich. »Der Akzent ist wirklich interessant. Mein Vater spricht auch deutsch, deswegen weiß ich das.«
Deidara zuckt mit den Schultern.
»Ja, mein Zuhause lag in der Nähe von Hamburg. Ich habe es in die Luft gesprengt. Hn.«

»Mit C4?« frage ich interessiert. Wenn der Junge schon so offen mit seinen Taten umgeht, dann sollte ich das ausnutzen und alle möglichen Informationen sammeln, um ihm danach zu helfen. Deidara pustet sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und antwortet:
»Jup. War 'ne riesige Ladung, hat aber ebenso viel Bock gemacht.«
»Du findest also Gefallen daran, Dinge in die Luft zu jagen?«
»Oh ja,« sagt er ehrfürchtig, »das ist die wahre Kunst. Kunst ist eine Explosion, eine gewaltige Entladung von Energie. Hitze und Zerstörung. Denn Kunst ist nur für den Moment geschaffen, Itachi.«
Er zwinkert. Warum wollen alle Patienten, egal ob männlich oder weiblich, mit mir in die Kiste? Glücklicherweise habe ich mich daran gewöhnt und sage:
»Also bist du ein Künstler. Und deine Kunst sind Explosionen.«

Er steht auf, verschränkt die Arme hinter seinem Rücken und ging durch das Zimmer, während ich mit ihm spreche. Ab und an zieht er ein Buch aus dem Regal oder stupst eine Kerze an. Er ist zwar hibbelig und neugierig, aber immer konzentriert. Er kann all meine Fragen geduldig beantworten und führt mit mir ein angenehmes Gespräch. Deidara ist in meinen Augen höchstgradig interessant. Er redet über Mord und Totschlag genau wie über Liebe und Zuwendung, als würde es sich nicht voneinander unterscheiden. Aber am meisten schockt mich seine Intelligenz und sein Wissen über Kunst.

»Hast du Kunst studiert, Deidara?«
»Ja. In Hamburg.« antwortet er und schleicht hinter meinem Stuhl her. »Ich war Jahrgangsbester, habe aber abgebrochen, weil ich mich mit fremden Meinungen über Kunst nicht anfreunden kann. Ich bin nicht besonders tolerant, mein Lieber.«
»Identifizierst du dich deswegen als Nationalsozialist?« frage ich und er taucht wieder in meinem Blickfeld auf.
»Wieso? Bist du Jude?«
Ich runzle die Stirn. Er lacht.
»War nur ein Scherz. Ich bin kein Nazi. Ich zünde Synagogen an, weil das die meiste Aufmerksamkeit erregt. Dann kann ich mein Werk im Fernsehen sehen, das ist ziemlich cool.«
»Die meisten Menschen würden das als schlimm bezeichnen, Deidara.« korrigiere ich ihn und frage mich, ob ich mit meiner Befragung in die richtige Richtung gehe. Der Junge ist so komplex.

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