Aus den Gedanken eines Fremden (4)

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Natürlich ist Jannik dagegen. Schon als ich ihm von Jonathan erzählt habe - der damals noch Hugo für mich hieß - hat er alles in Frage gestellt. "Wie alt ist der, 23? Und sein Ex war älter als er? Der hat bestimmt massig Erfahrung. Meinst du, das ist das Richtige?"

Aber ich mag Jonathan. Er gibt mir nicht das Gefühl, mir irgendwas voraus zu haben, oder dass mir etwas fehlt. Er beruhigt mich, wenn ich mir Sorgen mache.

Was Jannik damit angedeutet und später auch expliziter formuliert hat, war, was Jonathan wohl davon halten wird, wenn er mitkriegt, dass ich ihm nichts zu bieten habe - in Hinblick auf die Erfahrung. So ist das eben, wenn man viel zu schüchtern ist, um jemanden anzusprechen, und jedem aus dem Weg geht, der einen von sich aus ansprechen möchte.

Da habe ich mir von ihm nicht hereinreden lassen. Er kann nicht erwarten, dass ich mein Leben lang darauf verzichte, es zu versuchen. Diese App war einen Versuch wert und ich wurde nach ein paar enttäuschenden, sehr kurzen Konversationen, belohnt. Jonathan ist lieb und offen und er scheint einfach zu schreiben, was er denkt, weswegen ich mir nicht mehr so komisch vorkomme.

Ich muss an diesen Satz mit der Hummel denken. Er hat nicht wissen können, dass mir Hummeln die sympathischsten Insekten sind, oder wie sehr es mich erleichtert hat, dass auch er nicht die perfekten ersten Worte parat hatte. Mit seinem ersten Satz hat er mir gleich die Sorge genommen, zu komisch für ihn zu sein, weil er selbst offensichtlich ein bisschen abgedreht ist. Jannik hat auch das nicht verstanden. Als ich ihm von Jonathan erzählt habe, habe ich ihm auch von dem Satz mit der Hummel erzählt, wollte ihm deutlich machen, was das in mir bewirkt hat. Aber er hat nur die Augenbrauen hochgezogen und gefragt: "Was stimmt denn mit dem nicht?"

Natürlich ist er jetzt dagegen, dass wir uns mit ihm treffen. Zum einen will er mich auf keinen Fall alleine gehen lassen und zum anderen hätte er es lieber, wenn ich es ganz bleiben ließe.

Ich kann ihn sogar ein bisschen verstehen: Ich habe ihn da ungefragt mit hineingezogen, als ich Jonathan das Foto von uns beiden geschickt habe. Was unheimlich dämlich von mir war.

Es war bloß so ein Gefühl, eine Hemmung, ihm gleich eines nur von mir zu schicken. Irgendwie habe ich keins gefunden, auf dem ich mir genug gefallen habe, und auf diesem habe ich immerhin gelächelt. Statt dazuzuschreiben, welcher ich bin, lasse ich ihn drei Tage lang ohne Antwort hängen. Großartig.

"Ich bin davon ausgegangen, du bist der Hübschere."

Ich kann an nichts anderes denken.
Doch, ja, ich denke auch daran, ihn zu treffen, und dass ich unbedingt endlich wissen will, wie er aussieht, und ich denke an Jannik, dem ich irgendwie Unrecht tue, wenn ich ihn dränge, mich zu unterstützen, aber in all dem denke ich die ganze Zeit wieder diese seine Worte.

Er hat zwar versprochen, dass ich nie erfahren werde, wen er meint, aber wissen tue ich es doch. Immerhin ist der andere Junge auf dem Bild Jannik.

Second Sight - Verliebt in eine PhantasieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt