Wir haben Montag. Montag. Der Montag, wo ich meinen Vater treffen soll. Dad. Ich wollte nicht und ich fühlte mich schlecht, dass ich es nicht wollte. Er hat mich aufgezogen. Ryan und mich. Immer hat er alles für uns getan. Dann machte er einen Fehler und ich verurteilte ihn. Ich war eine schlechte Tochter. Doch, ich wollte. Ich konnte bloß nicht. Dennoch war es dämlich. Dämlich von mir. Dämlich, dass ich es von ihm dämlich fand. Es war eine Kleinigkeit. Doch diese Kleinigkeit riss uns auseinander. Das ist der Grund, warum ich ihn nicht verzeihen konnte. Noch nicht.
Ryan zog gerade seine schwarze Lederjacke über sein weißes Shirt. Dann drehte er sich langsam zu mir und lächelte mich vorsichtig an. Als wäre ich aus Porzellan, welches jeden Moment fallen würde. Doch dazu würde es nicht kommen. Ich hatte mich im Griff. Ich musste mich im Griff haben.
"Können wir?", mein großer Bruder legte seinen Kopf etwas schräg und schaute mich fragend an. Er hielt mir meine graue Jeansjacke hin und ich lächelte leicht, wenn auch etwas gequält. Ich bedankte mich bei ihm bevor ich ihm langsam atmend zu nickte. Ich war nervös. Ob er mich hasste? Oder sauer war? Ich könnte es verstehen. Ich benahm mich kindisch. Ich konnte es allerdings nichht abstellen. Ob es etwas damit zu tun hatte, dass ich siebzehn war oder daran, dass ich ein Sturkopf war, wusste ich nicht. Ich war einfach ich. Das konnte wohl niemand ändern. Niemand außer mir. Und dafür war ich noch nicht bereit.
Ich lief mit meinem Bruder zu seinem BMW und stieg nach ihm ein. Ich wusste nicht, wie er diesen bezahlt hatte. Immerhin ging er, wie ich, bloß zur Schule. Unser Vater hätte ihm den Wagen niemals finanziert. Doch um ehrlich zu sein, wollte ich es überhaupt nicht wissen. Ich wollte auch nicht wissen, wie er es überhaupt schafft sich finanziell um uns zu kümmern. Ob unser Vater ihm dafür Geld zurück gelegt hatte oder ob er es anderweitig verdiente. Um ehrlich zu sein hatte ich vor der Antwort Angst. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, ob Ryan in illegale Dinge verwickelt war. Oder darüber, dass man ihn dabei erwischen könnte. Das machte mir Angst.
Er verband sein Handy mit dem Auto und startete seine Musik. Ich verdrehte die Augen als seine Musik ertönte. Schrecklich. Trotz unserer - angeblichen - Verwandtschaft passten unsere Musikgeschmäcker überhaupt nicht zusammen. Generell waren wir uns in vielen Dingen überhaupt nicht ähnlich. Ryan war der Zeichner in der Familie während ich für mein Leben gern tanzte. Dafür war ich eine Niete in seinem Hobby und er eine Niete in meinem Hobby.
Jedenfalls ertönte sein Deutschrap, den er so gerne hörte. Ich seufzte und schaute aus dem Fenster. Ryan startete den Motor des Autos und fuhr los. Auf der Fahrt schaute ich weiterhin aus dem Fenster und beobachtete die Landschaften, die an uns vorbei zogen.
Wir fuhren etwa vierzig Minuten bevor wir vor dem großen Gebäude ankamen. Die Justizvollzugsanstalt. Ich schluckte als Ryan auf einem Parkplatz hielt. Ich spürte, wie sich eine Hand kurz auf meinen Oberschenkel legte und sanft darüber strich. Sofort schaute ich zu meinem Bruder, der mich aufmunternd anschaute. Ich lächelte etwas um ihm klar zu machen, dass es mir gut ging. Doch er durchschaute mich. Er wusste, dass es mir nicht gut geht.
Wir stiegen aus und liefen ins Gebäude, welches so viele verschiedene Namen hatte, die allerdings das selbe bedeuteten. Dort mussten wir uns anmelden und ausweisen. Eine Person mehr, die von meinem Zweitnamen wusste, doch das war wohl gerade mein kleinstes Problem. Wir bekamen ein Schild umgehangen. Ich drehte mein Schild um zu sehen, was dort drauf steht. Ryan schien es schon zu wissen. Klar, er war fast alle zwei Wochen hier. Bei ihm. Besucher stand dort in schwarzen Druckbuchstaben. Nein, wirklich? Ich dachte, ich wäre ein Insasse.
Um kurz vor neun wurden mein Bruder und ich aus dem Warteraum geholt und in Richtung eines anderen Raums geführt. Ryan lief langsam neben mir her. Es erleichterte mich, dass er mich nicht unter Druck setzte. Er gab mir die Zeit, die ich brauchte. Doch als ich ihn - meinen Vater - durch das Fenster sah blieb ich stehen. Er sah schrecklich aus. Kaputt, müde und verletzt. Seine Kleidung war verdreckt und auch in seinem Gesicht waren ein paar Schrammen. Was haben sie ihm nur angetan? Es trieb mir Tränen in die Augen und ließ mein Herz bluten. Mein Vater war immer ein lebensfroher Mensch, doch jetzt sah er so kaputt aus. Inzwischen liefen mir Tränen über meine Wangen. Meine Augen brannten, wie mein Herz. Es war schmerzhaft ihn so zu sehen. Schmerzhafter als der Moment in dem sie ihn abführten.
"Ryan...ich kann das nicht", schluchzte ich und drehte mich von der Tür weg. Ich ertrug den Anblick nicht. Es war zu schmerzhaft. Ich wollte keinen Schmerz mehr. Nie wieder.
"Hey...alles gut", mein Bruder schloss mich in seine Arme. "Wir können ruhig gehen. Schau, dass war schon einmal ein Fortschritt. Es ist alles in Ordnung. Wir machen nichts, wozu du dich weigerst, okay?", erklärte er mir sanft und strich beruhigend über meinen Rücken. Ich krallte mich in seine Jacke und heulte vermutlich sein Top voll.
"Tut mir Leid, wenn ich Sie störe allerdings dürften Sie jetzt rein", hörte ich eine sanfte und freundliche Frauenstimme. Bevor Ryan antworten konnte, sprach ich: "Geh ruhig. Er braucht dich bestimmt..und du brauchst ihn. Ich bin in der Gegend spazieren, wenn was ist ruf mich an", lächelte ich leicht gequält.
Erst widersprach Ryan mir, doch spätestens als ich ihn reingehen sah, wusste ich, dass es das richtige war. Kurz beobachtete ich die beiden. Mein Dad lächelte glücklich als er Ryan sah und auch sein Sohn lächelte glücklich. Es schien als wäre Ryan der Grund, weshalb er durchhielt. Er war seine Hoffnung. Daran hielt er fest. Und so weh es tat ihm am Ende zu sehen. Um so schöner war es zu sehen, dass er etwas hatte, um das es sich zum Kämpfen lohnte. Seinen Sohn. Mit gerötetet Augen drehte ich mich endgültig weg. Mit meinen Ärmeln fuhr ich über meine Augen um die Nässe etwas zu verdecken. Mit einem Mitarbeiter lief ich wieder zum Eingangsbereich, wo ich das Schild wieder abgab und auch meine Gegenstände wiederbekam, die ich abgeben musste.
Als alles fertig geklärt war, verschwand ich ziemlich schnell aus dem Gebäude. Draußen angekommen atmete ich durch. Es war als würde meine ganze Anspannung von mir abfallen. Es war als hätte man mir dort drinnen die Luft abgeschnürt und erst hier konnte ich wieder vernünftig atmen.
Zeitgefühl hatte ich nicht mehr. Ich bin einfach los gelaufen ohne zu wissen, wohin ich lief. Bloß weg. Weg von diesem Gebäude. Weg von diesem Schmerz. Es könnten Minuten, aber auch schon Stunden sein. Auf die Uhr des Handys hatte ich auch nicht geschaut. Ich wollte gar nicht wissen, wie spät es ist. Ich wollte bloß laufen. Oder tanzen. Ja, das würde wohl helfen. Tanzen. Allerdings nicht hier. Nicht im Nirgendwo.
Nach weiteren Minuten oder Stunden, klingelte das Telefon. Ohne auf das Display zu schauen nahm ich das Gespräch entgegen. Ryan sagte mir, dass er jetzt nach Hause fahren wollen würde und fragte, wo ich mich gerade aufhielt. Ich erwiderte bloß, dass ich ihm meinen Standort zuschicken würde und legte dann auf. Gesagt, getan. Etwa eine Stunde später trafen mein Bruder und ich an unserem Haus an.
"Du musst mir eine Entschuldigung für die Schule schreiben", murmelte ich leise als ich ins Haus einstieg. Ryan nickte glücklich. Der Besuch tat ihm scheinbar gut. Echt gut. Mir hingegen nicht.
Nachdem mir Ryan die Entschuldigung übergab, lief ich hoch in mein Zimmer. Dort nahm ich mein Handy aus der Tasche und schaute das erste mal seit Stunden wieder darauf. Ich hatte eine Nachricht von Luka.
>>Hey, wo bist du? Ist echt
langweilig ohne dich. Melde
dich mal. Ich komm später
vorbei (: <<Schmunzelnd antwortete ich ihm:
>>War mit Ryan unterwegs.
Familienausflug. Verursache
bloß kein Feuer. Bis später^^ <<*1326 Wörter*
DU LIEST GERADE
Liebe auf die erste Pflicht
Teen FictionChloe Connor küsst auf Grund eines Spiels Matthew White. Dieser zeigt seit diesem Augenblick Interesse an der Schwester seines Kumpels. Er bittet Chloe mehrmals um ein Date, doch sie sagt ihm ab. Matthew hat nicht vor aufzugeben. Genauso wie Chloe...