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Das Erste, was mir an ihr auffiel, war das Blau ihrer Haare. Wie ein Ozean umwogten sie das Gesicht der jungen Tänzerin.
Ihre Hände formten unsichtbare Magie, ihre Hüfte rotierte sachte im Takt des Lieds und die Pailletten an ihrem Rock klimperten wie die Juwelen einer Prinzessin.
Sie schien zu schweben, in einer anderen Realität. Ganz alleine.
Die Männer um mich herum saberten förmlich, als sie langsam zu Boden ging und über die Bretter, die die Welt bedeuten, krabbelte.
So sanft und leicht wie ein Kätzchen auf Wolken bahnte sich die Tänzerin ihren Weg zu dem begeisterten Publikum.
Die Welt schien sich nur noch um sie zu drehen. Alles außer ihr stand still.
Manche Männer bekamen ein Zwinkern, andere streiften die Tücher, die ihre Arme zierten, und ein paar der Kerle bekamen ein Küsschen auf die Wange.
Das Lied erreichte den ersten Refrain, als das Kätzchen bei mir ankam. Sie warf mir einen Blick der spannende Mysterie und der süßen Verheißung zu und schwebte zurück auf die Bühne.
Dort warfen Unzählige Geldscheine hin. Sie badete in dem Regen aus Dollarnoten und erhob sich bedächtig.
Schweißperlen glitzerten auf der mahagonifarbenen Haut und der Ozean um ihren Kopf lag für eine quälend lange Zeit still. Sie stand einfach da, die Hände an der Stange.
Das Lied endete und ich bildete mir ein, dass der zuckersüße, verruchte Sexblick, den sie ins Publikum warf, in erster Linie mir galt.

Gegen sechs Uhr morgens stand ich, eine Zigarette in der Hand, auf der Reeperbahn und starrte ein Loch nach dem Anderen in die Luft.
Plötzlich packte jemand mein Gesicht, drehte meinen Kopf und entführte mich in einen wundervollen Kuss.
Atemlos machte ich mit. Bahnte mir einen Weg in sie hinein, spielte mit ihren Lippen und küsste zurück.
Wir lösten uns und die Stripperin zwinkerte mir zu.
Ihr Lippenstift war verschmiert, sie trug eine Jeans und einen Parker.
Der Glanz von der Show war trotzdem noch da.

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