Es ist unglaublich, wie schnell einen das Leben aus der Bahn werfen kann. Eigentlich witzig, dass etwas auf das man selbst so viel Einfluss haben sollte, einen so unvorbereitet und hart treffen kann. Schnaufend ziehe ich mir die Bettdecke bis unters Kinn und verstecke mich vor der Welt. Ich will da nicht mehr raus. Nie wieder. Ich war die letzten drei Tage nicht in der Schule gewesen und hatte jeden von Lukes Anrufen strikt ignoriert. Er soll mich einfach in Ruhe lassen. Glücklicherweise war meine Mum in den letzten Tagen kaum zuhause gewesen, weshalb ich ihr ohne Schwierigkeiten weiß machen konnte, dass ich krank und nicht in der Lage sei, das Haus auch nur für ein paar Meter zu verlassen. So hat ihre Beförderung wenigstens auch etwas Gutes. Erstaunlicherweise waren bisher weder David noch Luke hier vor unserer Haustür aufgetaucht, wobei ich bei letzterem komischerweise felsenfest davon ausgegangen war, ihn schon in der Stunde nach meinem emotionalen Zusammenbruch von unserem Grundstück scheuchen zu müssen. Energisch schiebe ich die Gedanken über Luke und David zur Seite und schäle mich widerwillig aus meiner warmen Bettdecke. Murrend ziehe ich mir ein Oversize-Shirt über und stapfe die Treppe hinunter in die Küche, um mir etwas zum Frühstücken zu besorgen und somit meinen knurrenden Magen zu besänftigen. Als ich die Eier am Pfannenrand aufschlage, kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Immerhin ist es erst ein paar Tage her, dass David hier an meiner Stelle stand und das Frühstück zubereitet hat. Gedankenverloren summe ich vor mich hin und ertappe mich dabei, wie ich immer wieder Davids Gesicht vor Augen habe. So langsam werde ich wahnsinnig, denn ich kann mich beim besten Willen nicht entscheiden, was ich über ihn denken soll. Er verwirrt mich.
Plötzlich klingelt es an der Haustür und ich zucke erschrocken zusammen. Mein Herz setzt einen Schlag aus und ich bin nicht fähig, mich zu bewegen. Im Grunde gibt es nur zwei Möglichkeiten, wer dort gerade vor unserer Haustür darauf wartet, hereingelassen zu werden und ich bin mir nicht sicher ob ich auch nur für einen von beiden bereit wäre beziehungsweise welcher von beiden mir gerade lieber ist. Erst als es das zweite Mal klingelt erhebe ich mich von meinem Stuhl, auf den ich mich zum Frühstücken niedergelassen habe, und stapfe in den Flur. Durch das milchige Glas erkenne ich zwar eine Silhouette, aber ich habe mich immer noch nicht entschieden, auf wen von beiden ich hoffen soll. Gerade als ich die Hand an der Klinke habe, wird mir klar, dass ich das Klingeln auch einfach hätte ignorieren können und schlage mir mental mit der flachen Hand gegen die Stirn. Jetzt ist es zu spät. Ich atme ein letztes Mal tief durch und öffne dann die Tür. Vollkommen sprachlos starre ich nun dem Postboten ins Gesicht und kann nicht fassen, wie dumm ich bin. „Guten Morgen!", lächelt der junge Mann mich an und drückt mir ein Paket in die Hand. Ich ringe mir ebenfalls ein Lächeln ab, was aber vermutlich nicht sehr authentisch aussieht und unterschreibe, dass ich das Paket angenommen habe. Kurz darauf fällt die Haustür wieder ins Schloss und ich lehne mich von innen dagegen. Langsam werde ich wirklich paranoid, wenn ich überall stets nur mit David oder Luke rechne. Erneut lässt mich das Geräusch der Klingel zusammenzucken und ich verdrehe die Augen. Genervt öffne ich die Tür, zwinge mich allerdings nochmal zu einem Lächeln. „Haben Sie was vergessen?", will ich fragen, doch als ich meinen Blick hebe gefiert mir das aufgesetzte Lächeln augenblicklich im Gesicht und meine Frage bleibt mir im Hals stecken. Vielleicht bin ich doch nicht so paranoid wie ich dachte. Warum hatte ich überhaupt darüber nachgedacht, dass noch keiner von beiden hier aufgetaucht war. Wie sagt man? Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. „Geh weg.", zische ich, als ich mich wieder gefangen habe und will die Tür mit einem Ruck zuschlagen, doch Luke stellt blitzschnell einen Fuß in den Spalt. „Ich muss mit dir reden.", sagt Luke ohne jegliche Regung im Gesicht. Da ich nicht in der Lage bin, die Tür zu schließen strafe ich ihn mit Schweigen. Auf eine Reaktion von mir wartend, mustert Luke mich eindringlich und ich merke, wie sich ein leicht unbehagliches Gefühl in mir breit macht. „Sag mal machst du jedem so leichtbekleidet die Tür auf?", fragt Luke jetzt mit hochgezogener Augenbraue und ich blicke an mir herunter. Als ich mich erinnere, dass ich nur ein Oversize-Shirt, was mir nur knapp bis zur Mitte des Oberschenkels reicht, trage steigt mir die Röte in die Wangen. „Ein Grund mehr, dich nicht rein zu lassen." Ich recke mein Kinn in die Höhe und hoffe sehr, dass er mir meine peinliche Berührung nicht angemerkt hat. Luke verdreht nur die Augen und drückt die Tür ein Stück weiter auf, sodass er sich durch den Spalt in den Flur schieben kann. „Du sollst mir nur zuhören. Wir müssen uns nicht unterhalten. Ich will nur den Mist, den ich gebaut habe, wieder geradebiegen.", er sieht mich fast schon flehend an und ich erkenne, dass ich verloren habe.
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Anima - Blick in meine Seele
Ficção Adolescente"Ich wollte immer anders sein und mich von den anderen abheben. Wirklich..., so häufig lag ich in meinem Bett und hatte mir gewünscht, etwas Besonderes zu sein. Aber in diesem Moment wünsche ich mir nichts mehr, als wieder ein gewöhnliches Mädchen m...