~I'm miles from where you are~

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~Tim PoV~

N

Nach einer gefühlt ewig langen Fahrt kommen wir schließlich im Krankenhaus an. Kaum bin ich durch die Tür der Notaufnahme getreten, suche ich nach Jan. Ich kann ihn nirgends sehen, also ist er wohl in einem der Schockräume, vermute ich. Noch immer hoffe ich, dass es ihm soweit gut geht, dass er nicht gestorben ist...das würde ich mir nie verzeihen!

Plötzlich höre ich, dass eine Tür aufgeht. Ich drehe mich in die Richtung des Geräusches, kann aber nur einen kurzen Blick hineinwerfen. Aber der genügt schon.

Auf einmal läuft alles wie in Zeitlupe ab. Was ich gesehen habe, verschlägt mir den Atem. Warum hängt Jan an Schläuchen? Warum bekommt er Sauerstoff?

Eine Krankenschwester kommt zu mir. "Sind Sie Herr Lehmann?" fragt sie mich. Ich kann nur stumm nicken, ich glaube, ich will gar nicht hören, was sie zu sagen hat oder mir mitteilen will. Natürlich spricht sie trotzdem weiter...

"Ihr Freund ist vorhin fast kollabiert. Deshalb haben wir ihm Sauerstoff verabreicht und ihn sediert. Neurologisch ist alles unauffällig, von seinen Vorerkrankungen haben sie ja schon ein Glück vor Ort berichtet. Das hat uns sehr geholfen! Man kann auch von Glück reden, dass er nicht gelähmt ist, er hat sich im Bereich der Beine wie durch ein Wunder nur sein Kreuzband gerissen. Jedoch hat er einige innere Blutungen, die wir sofort operieren müssen! Zudem ist er stark unterkühlt, es war gut, dass Sie ihn vor Ort versucht haben zu wärmen. Vorerst hat das sein Leben gerettet!"

Ich weiß, dass sie es gut meint, aber als sie ihren Monolog beendet, habe ich nur die Hälfte richtig mitbekommen. Mein Kopf dreht sich, während ich versuche das gehörte zu verarbeiten. Langsam aber sicher nehme ich die Worte war und was sie bedeuten. Jans Bild schiebt sich wieder vor mein inneres Auge und vermischt sich mit den Informationen der Krankenschwester. Diese sieht mich noch einmal prüfend an und verschwindet zurück in Jans Behandlungszimmer.

Trotz des teilweise versteckten Lobes und den wenigen positiven Dingen des Unfalls wird mir plötzlich eiskalt. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen, es tut so weh, dass ich nach Luft ringen muss. Vorhin an der Unfallstelle ist mein Herz gebrochen bei Jans Anblick und seine Scherben klirren bei jedem Atemzug in meiner Brust.

Ich fühle mich, als ob es mich von innen aufschlitzt, die negativen Gedanken in meinem Kopf sind da keine Hilfe. Schuldgefühle schwirren durch meinen Körper. Immer weiter realisiere ich, was mit Jan los ist. Und es ist meine Schuld... Er ist sediert, heißt er ist nicht ansprechbar...er muss operiert werden...was, wenn er nicht aufwacht?

Ich schnappe nach Luft und presse die Hände auf meinen Mund, mir ist kotzübel. Ein Laut dringt durch meine Hände, halb Schluchzen, halb Schnappatmung und so voller seelischer Schmerzen, dass ich meinen eigenen Schmerz nicht nur fühlen sondern auch hören kann.

Meine Augen brennen schon wieder, aber ich kann noch immer nicht weinen. Alles dreht sich und ich sinke auf den kalten Boden. Jan geht es so schlecht und ich bin Schuld. Ich kann nicht bei ihm sein und ihm beistehen. Dabei haben wir das sonst immer füreinander gemacht. Dieser Gedanke bricht mir erneut das Herz, auch wenn ich nicht dachte, dass sowas möglich ist. Aber ja, Herzen brechen häufiger. Und Herzen brechen lautlos. Es tut nur innen weh. Für Außenstehende nicht sichtbar.

Ich wünsche mir, ich wäre an seiner Stelle, es hätte ich sein müssen und nicht er. Wieso passiert das nur ihm? Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass es genug Schutzengel gibt, die ihn während der OP beschützen. Was wenn nicht?

Es schnürt mir erneut die Kehle zu, ich fange wieder an zu zittern. Es fühlt sich an, als würden Meilen zwischen mir und Jan liegen. Alles fühlt sich so weit entfernt an, noch nie habe ich Jan so vermisst wie in diesem Augenblick. Ich wünsche mir erneut, dass ich bei ihm wäre, dann wäre die körperliche Distanz wenigstens nicht mehr da.

Mein bester Freund, der sich über die Jahre in mein Herz geschlichen und in den ich mich verliebt habe, liegt sediert im Krankenhaus und ich darf nicht bei ihm sein. Sehnsucht zerreißt mich, ich sehne mich nach Jan. Er würde mich beruhigen können, mir die Schmerzen nehmen können. Mit ihm ist alles leichter.

Aber wäre er hier, wären wir gar nicht hier und ich nicht in dieser Situation. Ich schließe die Augen, noch immer zitternd, denke an Jan und hoffe, dass er es schafft. Ich bin so weit weg von ihm und fühle mich so schrecklich alleine.

Da spüre ich eine Hand auf meiner Schulter...



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~I'm miles from where you are....~ Snow Patrol

Heute mal ein kürzeres Kapitel, hoffe das stört niemanden...

~I wish you were here with me ~❤Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt