~Tim PoV~
Ich dachte immer, dass es auf der Intensivstation total laut wäre, wegen der ganzen Geräte. Aber in Wahrheit ist es in Jans Zimmer total leise. Das einzige Geräusch ist das regelmäßige pumpen der Beatmungsmaschine und dieses Geräusch brennt sich in mein Herz, es ist der Grund und meine Versicherung, dass Jan noch am Leben ist!
Die Stille um die Beatmungsmaschine ist ohrenbetäubend, sie engt mich ein. Mit Jan ist es nie leise und es fühlt sich so absolut nicht richtig an. Ich zwinge mich die Augen zu öffnen, ich habe es nicht geschafft mit offenen Augen das Zimmer zu betreten. Jetzt wird mir klar warum und ich würde sie am liebsten wieder schließen.
Mir ist kotzübel, ich muss mich an der Wand festhalten um nicht umzufallen. In dem Bett im Zimmer liegt Jan. Er ist an alle möglichen Geräte angeschlossen und er sieht klein aus...so klein. Ich erkenne ihn kaum wieder. Sein Gesicht ist blass und eingefallen, sein Bein ist bandagiert und er sieht einfach nicht aus wie mein Jan. Es fühlt sich an, als würde ich jemanden völlig fremden betrachten und nicht den Menschen, der mich mein Leben lang begleitet hat und den ich so sehr liebe...
Wie erstarrt stehe ich an der Wand, ich schaffe es nicht mich näher an Jan heran, geschweige denn überhaupt zu bewegen. Die verschiedensten Emotionen prasseln auf mich ein und ich habe das Gefühl jeden Moment zusammenzubrechen. Angst, Wut, Schuld und trotz allem so viel Liebe. Das alles schnürt mir die Luft ab und ich schnappe nach Luft. Und dann ist meine Bewegungsfähigkeit wieder da. Ich atme drei Mal tief durch und versuche meine Emotionen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Dann stoße ich mich von der Wand ab und trete näher an Jan heran.
Ich betrachte sein Gesicht. Er ist so blass, seine dunklen Haare hängen wirr um seinen Kopf herum. Nichts an diesem Bild ist friedlich oder deutet darauf hin, dass er wieder gesund wird. Jan sieht aus, als ob er dem schwersten Kampf seines Lebens gegenübersteht und sich noch nicht entschieden hat, ob es das wert ist. Zumindest das mit dem Kampf stimmt wohl...
Und plötzlich durchzuckt mich ein schrecklicher Gedanke. Was ist, wenn Jan gar nicht kämpfen will? Was ist, wenn er sich aufgegeben hat? Weil er in seinem Leben schon so viel durchgemacht hat mit seinem Tourette und der Epilepsie? Und das Ganze hier als Zeichen sieht?
Das darf nicht sein, er darf nicht aufgeben! Er muss doch wissen, dass er geliebt und gebraucht wird! Dass ich ihn liebe...aber das habe ich ihm nie sagen können. Ich schluchze trocken auf, weinen kann ich immernoch nicht. Weil wenn ich das tun würde, habe ich das Gefühl mich zu verabschieden oder Jan aufzugeben. Und das würde ich nie tun! Eher mich, aber niemals Jan!
Am liebsten würde ich schreien, irgendetwas kaputt schlagen, weinen, was auch immer. Hauptsache ich fühle mehr, als Schuld und Angst. Weil ich bin Schuld an all dem hier. Ich sollte hier liegen und nicht Jan! Ich würde ihn so gerne berühren oder seine Hand halten, aber ich traue mich nicht. Ich habe zu viel Angst, dass irgendetwas passiert...
Plötzlich spüre ich etwas kaltes auf meiner Schulter und ich fahre herum. Aber bei mir steht niemand. Dabei hätte ich schwören können eine Hand auf meiner Schulter zu spüren...
Panik steigt in mir auf...Halluziniere ich etwa schon? Dann fällt mir wieder ein, dass ich so gut wie gar nicht geschlafen habe. Das wird es wohl sein. Mit klopfendem Herzen drehe ich mich zurück zu Jan und strecke die Hand aus. Ich nehme seine Hand in meine und fahre mit dem Daumen vorsichtig über seinen Handrücken. Anders als erwartet ist seine Hand warm.
"Gib nicht auf, bitte! Das würde ich nicht ertragen! Du musst kämpfen Jan! Du hast noch so viel vor dir! Wir haben noch so viel vor uns...Wir brauchen dich! Deine Eltern...Und ich. Ich brauche dich auch! Bitte komm zurück!"
Mehr bringe ich nicht heraus, denn meine Stimme bricht. Ich wollte ihm sagen, dass ich ihn liebe, aber irgendwie erscheint mir der Zeitpunkt noch nicht richtig. Plötzlich spüre ich es wieder. Diesmal auf meiner Hand. Der Hand, die Jans hält. Aber es ist niemand hier...
Meine Panik steigt wieder auf und es wird nicht wieder besser. Alle Emotionen und Geräusche die ich erfolgreich ausgeblendet hatte, stürzen wieder auf mich ein und ich drohe zu zerbrechen. Ich fange an zu zittern, mein Atem geht immer schneller. Raus, ich muss hier raus! Sonst falle ich gleich um!
Notgedrungen lasse ich Jans Hand los und drücke ihm einen Kuss auf die Stirn. "Ich komme morgen wieder, versprochen!"
Dann stürze ich aus dem Raum, ich will all dem entkommen, was da auf mich einstürzt. Draußen atme ich tief durch, meine Hände zittern immernoch. Und meine Schuldgefühle sind auch noch da...ich hätte nicht gehen dürfen...Und der Unfall ist ebenfalls meine Schuld!"Atmen, Tim. Einfach atmen. Sei stark. Jan braucht deine Hilfe." Mein Mantra ist wieder da, ich wiederhole es in Gedanken, während ich mich auf den Weg zu Marion mache. Bei ihr angekommen geht es einigermaßen wieder, aber sie durchschaut mich. Mal wieder. "Tim. Hör auf dir die Schuld zu geben! Das ist nicht deine Schuld!"
Ich senke den Blick, ich kann nicht aufhören, es ist doch die Wahrheit! Von meinen Gedanken ums Kämpfen und der Hand die ich gespürt habe sage ich ihr mal liebe nichts. Sie hat genug Sorgen und ich muss meine alleine tragen! Schweigend gehen wir zum Auto, ich merke, dass es Marion viel Anstrengung kostet, nicht zusammenzubrechen. Kurz entschlossen ziehe ich sie in die Arme. Ich muss nichts sagen, sie versteht, was ich damit ausdrücken will. Und in diesem Moment beschließe ich, dass ich für sie alle stark sein werde. Für Jan, Marion, seinen Vater, meine Eltern. Sie alle lieben Jan, sie alle sind nicht nur seine sondern auch meine Familie. Sie sollen sich nicht auch noch Sorgen um mich machen, auch wenn ich weiß, dass sie es würden, wenn ich ihnen alles erzählen würde.
Auf dem Rückweg schweigen wir beide. Zum einen, weil ich meinen Gedanken nachhänge und zum anderen, weil ich nicht weiß, ob meine Stimme wieder da ist nachdem sie in Jans Zimmer verschwunden ist...Aber auch als Marion mich schon vor Stunden bei meinen Eltern abgesetzt hat, geht mir die Hand nicht mehr aus dem Kopf. Was ist das nur?
Mit meinen Eltern habe ich kaum gesprochen, sie sitzen im Wohnzimmer und ich weiß, dass sie für mich da sind, aber ich möchte allein sein. Ich fühle mich wie ein Geist von mir selbst und Jan...Jan könnte wirklich einer werden, sollte er sich nicht entschließen zu kämpfen. Bei diesem Gedanken bricht mein Herz erneut und ich sinke auf meinem Bett in mich zusammen....
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~We're just two ghosts, standing in the place of you and me~ Harry Styles
Sooo meine lieben,
Endlich hab ich's geschafft und das Kapitel fertig geschrieben. Das hat mega lange gedauert, irgendwie müssen die Gefühle stimmen um so etwas zu schreiben. Aber ich bin eigentlich soweit zufrieden und hoffe, dass ich sie gut rüberbringen konnte! Ich hoffe, es gefällt euch und ihr seid gespannt wie es weitergeht!Xoxo Emma♡
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~I wish you were here with me ~❤
FanfictionJan und Tim sind beste Freunde und betreiben seit einigen Jahren ihren YouTube-Kanal. Als sie merken, dass sie für den jeweils anderen mehr empfinden als Freundschaft, spielt ihnen das Schicksal übel mit. Ob die beiden wohl trotz allem zusammen find...