~Before you go~

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~Tim PoV~

Die Hand auf meiner Schulter schüttelt mich leicht. Wie durch Watte dringt eine Stimme zu mir durch. "Tim, du musst aufstehen. Hier kannst du doch nicht bleiben!" Irgendjemand hilft mir beim aufstehen und erst langsam bemerke ich, wer da eigentlich bei mir ist. Es ist Marion.

Ich fahre herum und schaue ihr ins Gesicht. Sie ist merkwürdig gefasst, aber auch sie ist blass und in ihren Augen schimmern Tränen. Ich kann sehen, dass sie geweint hat, was ich merkwürdigerweise noch immer nicht kann.

Ihre Hand liegt auf meinem Arm und sie sieht mich an, als wäre ich ein Geist... Aber wahrscheinlich sehe ich auch genauso aus. "Oh Gott, Tim, du siehst ja furchtbar aus!" entfährt es ihr prompt. Ich kann nur stumm mit den Schultern zucken, meine Stimme ist weg.

"Tim, er wird es ganz sicher schaffen", flüstert sie und zieht mich in die Arme. Aber ich kann den Schmerz in ihren Augen sehen, als sie das sagt. Ich hoffe, ich sehe nicht so aus wie ich mich fühle, so voller Schmerzen und Schuldgefühle...Es ist alles meine Schuld, ich hätte nicht fahren sollen..Und plötzlich ist meine Stimme wieder da.

"Es tut mir so leid, Marion. Ich hätte nicht fahren sollen. Ich wollte ihm helfen, aber vielleicht habe ich alles nur noch schlimmer gemacht. Es ist alles meine Schuld und..."
"Tim, stop! Hör auf so zu reden!" unterbricht sie mich energisch. "Es ist nicht deine Schuld, du hast ja schließlich nicht den Baum umgesägt oder sowas und außerdem: Ich wäre auch gefahren, dass so etwas passiert weil es ein bisschen windig ist, kann ja keiner ahnen! Wehe, du sagst so etwas noch mal!"

Wirklich überzeugt bin ich nicht, aber trotzdem nicke ich. Ich muss ihr nicht noch mehr Sorgen aufhalsen, ihr Sohn liegt im Krankenhaus, das ist schon schlimm genug. "Woher weißt du, dass Jan es schafft? Was macht dich da so zuversichtlich?" frage ich sie.

"Jan ist stark. Er kann alles schaffen und außerdem habe ich so ein Gefühl, dass alles gut wird. Als Mutter spürt man so etwas. Und jetzt komm, wir sollten uns hinsetzen und warten. Wir können uns auch einen Kaffee holen."

Ich nicke und folge ihr in den Wartebereich, wo es auch Kaffee aus dem Automaten gibt. Wir holen uns beide einen Kaffee und setzen uns auf die Plastikstühle im Wartebereich. Während wir warten, schweigen wir und trinken unseren Kaffee. Immer wieder gehen Türen auf, aber niemand kommt zu uns.

Ich starre auf die Uhr an der Wand, mittlerweile ist es nach 1 Uhr. Aber die Zeit vergeht zu langsam, der Zeiger kriecht nur im Schneckentempo über das Ziffernblatt. Irgendwann holen mich die negativen Gedanken wieder ein und ich mache mir trotz Marions lieben Worten Vorwürfe.

Die Frau, die mich quasi als Familienmitglied seit über 10 Jahren akzeptiert, hat so einen unerschütterlichen Glauben und ich kann trotzdem meine Schuldgefühle nicht unterdrücken. Hätte ich noch was sagen sollen, bevor er ohnmächtig geworden ist? Hätte ich mehr tun können? Was ist, wenn er es nicht schafft, ich könnte Marion nie wieder in die Augen sehen, ich könnte mir selbst nicht verzeihen...

Jan muss es einfach schaffen, er kann nicht einfach sterben. Ich will kein Leben ohne ihn, er ist meine größte Stütze, er tut mir gut. Wir waren immer füreinander da, er hat mich aufgefangen, wenn es mir mal schlecht ging, genau wie ich ihn. Wenn das alles wegbrechen sollte, weiß ich nicht mehr wohin mit mir...

Ich vergrabe den Kopf in den Händen, alles dreht sich. Angst schießt mir erneut durch den ganzen Körper, ich habe keinen Plan, der ein Leben ohne Jan beinhaltet. Meine Panik wird immer größer, meine Kehle ist wieder zugeschnürt, das Brennen in meinen Augen wird unerträglich und doch fließen keine Tränen.

~I wish you were here with me ~❤Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt