3. Willkommen im Staybridge - oder auch nicht

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„Wann kommst du her, um es abzuholen, und was bekomm ich dafür?“

Sein Lächeln verschwand und Falten erschienen auf seiner Stirn.

„Wie schnell kannst du es denn besorgen? Deinen Lohn kannst du dir von mir aus selber aussuchen… Geld spielt dabei keine Rolle.“

Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. Wenn das Geld dabei egal war, ist das ein Zeichen dafür, dass es sich um Drogen oder schlimmeres handelte. Eigentlich wollte ich damit nichts zu tun haben, ich war nur eine Kleinkriminelle, die irgendwelche langweiligen Gegenstände wie Schmuck, Geld, Briefe und Antiquitäten stahl – das aufregendste war mal ein Hund gewesen, so ein kleiner Handtaschenkläffer, der bei einem Erbschaftsstreit das begehrteste Objekt war. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass dieses Päckchen keinen persönlichen Wert hatte.

„Ähm… was soll das heißen? Ich stehle weder Drogen noch irgendwelche anderen fragwürdigen Objekte, für die man entweder lebenslänglich im Knast landet oder am besten noch von seltsamen, zwielichtigen Gestalten umgebracht wird, wenn sie dich erwischen. Das kannst du vergessen. Ich habe meine Lektion diesbezüglich schon gelernt, bevor ich mit diesem Scheiß hier überhaupt angefangen habe.“

„Es geht nicht um Drogen, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ beschwichtigte er mich sofort. „Ich brauche das Päckchen lediglich, um einen Auftrag auszuführen, den ich bekommen habe. Ich kriege dafür eine Riesensumme Geld, und egal, welche Zahl du mir nennst, sie wird nicht mal ein Bruchteil von meinem Lohn sein.“

Er lehnte sich zurück und schaute mich fragend an. Ich musste diesen Job annehmen, das wusste ich, sonst würde Matt sterben… und das musste ich um jeden Preis verhindern.

„Also gut… ich brauche bis übermorgen, also zum Monatsende, noch zwei tausender. Morgen Abend werde ich dieses Paket haben – hoffe ich zumindest. Und du das Geld?“

Triumphierend grinste mein Gegenüber mich an und nickte leicht mit dem Kopf.

„Ja klar! Vertrau mir nur, das klappt schon.“

In Sekundenschnelle war er bei mir, klopfte mir auf die Schulter und verwuschelte meine Perücke. Dann drehte er sich um und verschwand mit den Worten „Wir sehen uns morgen Abend. Um acht. Im Dome.“ aus der Tür.

Völlig perplex saß ich da und starrte noch eine Weile an den Punkt im Türrahmen, wo ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Alles, was ich wahrnahm, war das warme Kribbeln an der Schulter und am Kopf, wo er mich berührt hatte. Nur langsam sickerte die Bedeutung seiner Worte in mein Gehirn, aber dafür mit einer umso heftigeren Wirkung, die mich beinahe verzweifeln ließ.

Ich konnte mich morgen nicht im Dome mit ihm treffen, das war unmöglich. Es war ein sehr gut besuchtes Restaurant, immer voll, und dort sollte ich mit ihm einfach mal so dieses spezielle Päckchen und zweitausend Dollar austauschen? Ich vergrub mein Gesicht in den Händen und seufzte laut auf. So ein Risiko wollte ich auf keinen Fall eingehen, aber er ließ mir keine andere Wahl.

Was mir ebenfalls Sorgen bereitete, war, dass er gesagt hatte, ich solle ihm vertrauen. Vertrauen war so eine Sache, die einem schnell zum Verhängnis werden konnte, deswegen gab es eigentlich niemandem, dem ich bedingungslos vertraute. Aber er hat es von mir verlangt, und obwohl ich es nicht durfte, wusste ich, dass ich es doch tat.

Mein Kopf landete auf der Tischplatte.

Es war mein Plan gewesen, nur auf mich selbst zu hören, niemanden zu nahe an mich heran zu lassen und keine Person mehr wissen zu lassen, als sie musste. Dazu gehört auch, dass ich nur mir selbst vertraue, und bisher hatte das perfekt geklappt; Alex war ein guter Freund, aber ich würde unter keinen Umständen mein Leben in seine Hände geben. Das gleiche galt bei Chloe, die man wohl als meine beste, wenn auch einzige Freundin betiteln konnte. Matt war die Ausnahme, aber er war eh ein komplizierter Sonderfall. Ich hatte diese Barriere um mich aufgebaut, um mich davor zu schützen, dass mir nochmal so etwas passieren könnte wie vor drei Jahren, und nun bemerkte ich, wie sie langsam Risse bekam. Diesen Typen musste ich schnellstens wieder loswerden, wenn ich nicht wollte, dass sie ganz anfing zu bröckeln. Ich versuchte, mir einzureden, dass ich mein Leben morgen nicht für ihn aufs Spiel setzte, sondern für Matt, und log mich dabei doch nur selbst an.

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