Der Anruf

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Gelangweilt stellte Leorio seinen Kaffeebecher auf dem weißen Tisch ab und gähnte, während er dabei die Hand vor dem Mund hielt. Sein Blick fiel auf einige Papiere, die unordentlich über den Tisch zerstreut lagen. Er seufzte und sortierte sie erneut. Zumindestens so, dass er einen groben Überblick darüber behielt. Seine Gedanken kreisten um seine nächtliche Begegnung mit Kurapika, vor zwei Wochen. Die Erinnerung an die so unbekannte Besorgnis des Kurtas ließ ihn schmunzeln. " Dass hätte ich wirklich nicht von ihm erwartet." , dachte er sich und sein Schmunzeln entwickelte sich zu einem Grinsen. Ein Nocken an der Tür, unterbrach seine Gedanken und  kurz darauf steckte Kannah den Kopf zur Tür herein.

" Guten Tag Leorio! Ich störe ungern, aber ich denke, der Herr Oberchef möchte dich sprechen. Er verweist dich." , sprach sie, wie eh und je in ihrem fröhlichen und neugierigen Ton, der zum Schluss jedoch, Trauer aufwies.

" Verweisen?!" , rief Leorio schockiert und zugleich entsetzt. Hatte er irgendetwas falsch gemacht? Anders gefragt: Was hatte er so schlimmes getan, damit er verwiesen wurde?! Deprimiert schlurfte er zur Tür an Kannah vorbei und machte sich auf den Weg zum Oberarzt. Das war's dann mit seinem Job im Krankenhaus. Er war vor einem Monat noch so glücklich, endlich zum Arzt aufgestiegen zu sein und nun wurde er verwiesen. All die harte Arbeit umsonst.

Er klopfte an der Tür und nun wurde sein Gefühl des Misserfolges zur Unruhe und Panik. Ein grummelndes »Herein« ertönte von der anderen Seite der Tür und Leorio öffnete sie langsam darauf.
" Sie ähm...wollten... m-mich sprechen?" , fragte Leorio stotternd und schloss leise hinter sich die Tür.

Sein Vorgesetzter wandte sich ihm zu und warf noch kurz einen Blick auf sein Klemmbrett: " Doktor Paladiknight, ich fasse mich kurz, da ich gleich in einer Operation gebraucht werde." Der Dunkelhaarige schluckte, um sich auf seine Entlassung vor zu bereiten. Es kam viel schlimmer, als Kurapika es ihm versprochen hatte. Hier kam seine Kündigung. Der Ältere räusperte sich und begann in seiner üblich murrenden Stimme zu sprechen: " Also, Doktor Paladiknight, ich verweise Sie..." Leorio senkte betrübt den Kopf.
" ...auf die Kinderstation! Glückwunsch" , fuhr er fort.

Überrascht riss der 25-jährige die Augen auf und blickte seinen Vorgesetzten ungläubig an. Lautstark und verwirrt rief er: " Bitte was?!"

Sein Gegenüber war bereits auf halben Wege den Raum zu verlassen und verdeutlichte nocheinmal seine Aussage: " Sie haben richtig gehört! Ich versetze sie auf die Kinderstation!"
Das war nicht sein Ernst! Das konnte nicht-! Das war fantastisch!!! Langsam machte sich auf Leorios Lippen ein Grinsen breit und stolz und überwältigt rief er: " Ich danke Ihnen! Das ist viel zu großzügig! Ich ähm...finde keine Worte!"

Mit seinem Grinsen lief er neben seinem Chef her, der ihn wegen seines Klemmbretts nicht eines Blickes würdigte. Leicht entnervt meinte er: " Lassen Sie gut sein und schließen Sie ihre Kinnlade. Später haben Sie noch genug Zeit um das zu feiern, laden Sie von mir aus das ganze Kollegium ein und schmeißen Sie die Fete des Jahres, aber bitte verschonen Sie mich mit ihrem Gequatsche, Doktor Paladiknight! Ich habe zu tun."

" Jawohl Chef!!!" , rief er munter aus und machte sich sofort auf dem Weg zu Kannah, um ihr die guten Neuigkeiten zu erzählen. Das ist ja nicht zu fassen! Er, Leorio Paladiknight, wurde auf die Kinderstation versetzt, so wie er es sich immer erträumt hatte. Anderen Kindern vor heilbaren Krankheiten zu retten und ihnen, das Leben, welches sie noch vor sich hatten zu bewahren!

" Hey Kannah, weißt du was?" , brüllte er fragend, als er den Raum, der Personalisierten öffnete. Die angestellten Krankenschwestern, unter denen sich auch der grün-haarige junge Azubi befand blickten ihn verwundert an. Langsam schlich sich ein Lächeln auf Kannahs Gesicht und sie riet fröhlich: " Du wurdest nicht entlassen?"

Stolz grinste Leorio sie an und antwortete protzig: " Viel besser! Ich wurde vom Chef auf die Kinderstation versetzt! Ist das nicht klasse?"

" Das ist großartig!" , rief sie und strahlte voller Glück und freute sich über Leorios Erfolg. Lächelnd wandte sich der Dunkelhaarige ab und entgegnete: " Ich gehe kurz telefonieren, bin gleich wieder da!" Sie nickte, während er den Raum, den er kurz zuvor noch betrat, wieder verließ.

Er ging nach draußen und atmete dort die frische Herbstluft ein. Er wählte Kurapikas Nummer, um ihm ebenfalls von seinem kürzlichen Erfolg zu berichten. " Komm schon, nimm ab..." , brummte er vor sich hin und wartete ungeduldig darauf, dass sein Kurta-Freund abnahm. Er versuchte es noch einmal. Knirschend presste er die Zähne aufeinander und fragte sich genervt: " Was treibt er denn schon wieder?!" Gereizt öffnete er seinen Nachrichtenordner und tippte wild auf seiner Tastatur herum:
" Kurapika, nimm bitte ab!" Doch es zeigte sich keine Reaktion. Enttäuscht steckte der Arzt sein Telefon zurück in seine Hosentasche und seufzte. Es war jedes Mal das selbe. Er versuchte Kurapika zu erreichen und Kurapika ging nicht dran. " Ignoriert er mich vielleicht?" , fragte er sich und trug Bekümmern auf seinem Gesichtsausdruck.

Langsam machte er sich wieder auf den Weg zurück ins Krankenhaus, um seiner Arbeit nach zu gehen. Es störte ihn, dass er seinem Freund nicht die großartigen Neuigkeiten mitteilen konnte. Aber irgendwann vielleicht, würde er das Glück haben ihn wieder zu treffen. Denn im Leben kreuzen sich die Wege immer mehrmals.

Er sah sich kurz um und versicherte sich selbst, dass Niemals in seiner Nähe war, der sein Telefonat heimlich mitverfolgen konnte. Der junge Mann bog in eine Sackgasse ab und griff zu seinem Handy in seiner linken Hosentasche. Auf seinem Display wurden ihm drei verpasste Anrufe und eine Benachrichtigung von Leorio angezeigt. Er seufzte. Hatte Leorio denn wirklich nichts Besseres zu tun, als ihm die letzten Nerven zu rauben. Er schob die Nachrichten mit seinem Daumen zur Seite und wählte eine Nummer, die er sich auf seinem Handgelenk notiert hatte. Geduldig wartete er ab, bis auf der anderen Leitung ein kurzes Geräusch ertönte und sich kurz darauf eine Stimme meldete.

" Ich wusste, du würdest anrufen... also, hast du nun lange genug deine Spielchen gespielt und erscheinst persönlich? Du wirst langsam wirklich lästig..." , sagte eine ruhige, kühle, sowohl auch hinterlistig klingende Stimme. In Kurapikas Gesichtsausdruck befand sich Ernst und seine Augen zeigten Abscheu. Kalt antwortete er: " Das bin ich. Sieh dich vor, ich werde dein und mein ganzes Leid beenden! "

" In Drei Tagen um Mitternacht! Die Nacht von dem 15. Oktober auf den 16. Der Treffpunkt ist der, an dem alles begonnen hat, der Ort an dem Uvogin gestorben ist. Deal?", forderte die Person an der anderen Leitung. Es hörte sich an wie eine Frage, jedoch war es keine, sondern eine Aufforderung.

Kurapika sah sich inspizierend um und gab dann als Antwort:
" Abgemacht! Und keine Tricks! Du kommst allein. " Er beschwörte die Kette an seinem Ringfinger und blickte auf die Kugel, die am anderen Ende baumelte.

" Ja."

Die Kugel bewegte sich kein Stück.

Kurz darauf verschwand die Kette wieder und das Telefonat war beendet. Kurapika atmete tief durch und tippte dann auf seinem Handy herum. Erneut hielt er es ans Ohr und man sah für einen Bruchteil einer Sekunde seine Augen aufblitzen, als er Leorios Stimme hörte: " Hallo?"

" Hallo, was gibt's? Warum hast du angerufen?" , fragte Kurapika und blickte zu einem Paar, welches an ihm vorbei lief.

" Ich wurde auf die Kinderstation versetzt! Toll, nicht wahr?"

" Das ist großartig! Ist das alles was du hast?"

Eine kurze Stille breitete sich zwischen den beiden aus, bis Leorio erneut das Wort ergriff: " Ich habe morgen frei, also wenn du noch nichts vorhast dann können wir uns treffen. Ich würde gerne deinen gesunden Zustand sehen!"
Kurapika auf der anderen Seite der Leitung schien kurz überrascht, schmunzelte aber dann jedoch nur und antwortete freundlich:
" Schön... wir treffen uns im Café in der Caronip Street...Stadtmitte."
Leorio lächelte und antwortete:
" Gut, bis dann!"

Kurapika legte auf und steckte sein Handy zurück in seine Hosentasche. Sein Blick zeigte Leere und die Emotionen in seinem Gesicht zeigten keinerlei Positives. Er ging einfach die Straße hinab und fühlte Nichts.

Leopika ~ Promises can be broken ✔️[Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt