6. OCEANBOUND

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Mit ihren nassen Haaren ins Handtuch gewickelt, und dem selben schwarzen Sommerkleid vom Vortag verlässt sie das Bad, stellt sekundenschnell fest dass Mark wieder da ist.
Diesmal jedoch ist die Stimmung in diesem Hotelzimmer anders.
Wo vor wenigen Minuten noch Intimität und Zweisamkeit war, so kann sie nun förmlich sein Mitleid spüren. Das Leid, das wie eine graue Wolke über ihnen schwebt, und welches man nur als Elternteil zu kennen scheint. Er leidet deutlich mit dem kleinen Mädchen, das ihre Arme fest um seinen Hals geschlungen hat. Lena muss einmal schlucken, als sie langsam barfuß auf die beiden zugeht. Ihr Herz blutet beinahe bei diesem Anblick. Wie er einfach da steht, mitten im Raum, und einer verweinten Vierjährigen immer wieder zärtlich über den Rücken streichelt, ihr liebevoll ins Ohr flüstert. Emma scheint wortwörtlich an ihm zu kleben, bewegt sich kein Stück aus den sicheren Armen ihres Papa weg. Mark sieht langsam zu Lena und sie weiß sofort, dass er gestresst ist.
"Emmi, mein Schatz, was ist passiert?" sagt Lena leise und mitfühlig, geht auf Mark zu und streichelt dem kleinen Mädchen sanft über die Seite. Sie möchte diesen intimen Moment zwischen Emma und Mark nicht kaputt machen und trotzdem kann sie nicht anders.
Innerhalb von wenigen Sekunden löst Emma sich dann von langsam Mark und streckt ihre Arme selbstverständlich nach Lena aus. Unerwartet von dieser Geste, nimmt die Braunhaarige sie in den Arm, trägt sie wie ein Äffchen auf ihrem Arm. Mark sieht sichtlich verwundert zu Lena und seiner Tochter. Dass Emma Lena über alles liebt weiß er. Aber dass sie sogar in diesem Moment bei Lena Zuflucht sucht, zeigt ihm dass ihr Vertrauensverhältnis tatsächlich großer ist als erwartet.
Und es fühlt sich komisch an, für ihn.
Es gefällt ihm zwar sehr, dass Emma solch ein Verhältnis zu Lena entwickelt. Und trotzdem macht es ihm Angst. Denn es scheint fast so, als sei Mark nun nicht mehr der einzige, der herzzerbrochen zurück bleiben würde, sollte Lena sich entscheiden die letzten Tage einfach zu vergessen.
Der Sänger seufzt leise, streift sich die faul die Schuhe von den Füßen. Er kann beobachten wie Lena sich gemeinsam mit Emma auf dem Arm langsam aufs Bett setzt, das kleine Mädchen dann kurz loslässt um sie besser ansehen zu können.
"Meine kleine Maus, hast du dir am Bein weh getan?"
Lena kann das Pflaster an ihrem linken Bein gut sehen. Und sie muss selbst zugeben, dass dieses garnicht mal so klein ist. Fast das halbe Schienbein der Kleinen ist verbunden. Vorsichtig legt Lena ihre Hand auf ihren kleinen Fuß.
Emma schluchzt noch immer leise, nickt nur und vergräbt sich dann wieder in Lena's Armen. Sie sieht etwas besorgt zu Mark, der sich nun langsam neben den beiden auf dem Bett niederlässt. Vorsichtig legt auch er seine Hand auf Emma's Rücken, streichelt diesen auf und ab.
"Emma ist am Strand mit den anderen älteren Kindern die Mauer zur Promenade hochgeklettert und hat sich das Bein aufgeschürft. Wir haben aber eben schon alles desinfiziert und verbunden, also wird auch alles wieder ganz schnell besser." sagt Mark nur beruhigend und Lena nickt.
"Du armer Schatz, aber ganz bald wird es schon nicht mehr wehtun." sagt Lena erneut, streichelt Emma immer wieder beruhigend über den Rücken. Auch sie kann nicht verleugnen wie gerührt sie davon ist, dass Emma gerade bei ihr Trost und Schutz sucht. Mark kann ihr erzählen was er will - Emma vermisst und braucht ihre Mutter. Das kann Lena an ihrem Verhalten gerade deutlich spüren.
"Aber, Emma, was hat Papa dir eben zum Trost versprochen?" sagt Mark dann aufmunternd, streichelt dem kleinen Mädchen auf Lena's Schoß noch einmal über das rechte Bein.
Emma löst sich langsam von Lena's Hals und sieht verweint zu Mark und dann zu Lena. Nachdem sie sich ihre Tränen weggewischt hat, legt sich ganz langsam aber sicher ein freches Lächeln auf das verweinte Gesicht.
"Ein Eis."
Lena muss leise auflachen, sieht nur zu Mark, der ebenfalls über Emma's schelmische Art grinsen muss, und streichelt über die kleinen lockigen Haare, die in Emma's Gesicht fallen.
"Ein Eis? Okay jetzt ich will auch ein Eis haben. Auch wenn ich mir nicht wehgetan hab und das garnicht so verdiene wie du." sagt Lena sanft und Emma nickt lächelnd. Es scheint, dass der Gedanke an Eiscreme mit Lena die Schürfwunde schon um einiges besser macht.
"Du hast dir auch ein Eis verdient finde ich." murmelt Mark dann mit schelmischem Grinsen im Gesicht. Doch diese sieht nur ungläubig zu ihm, kann kaum glauben dass er solch eine Bemerkung vor Emma macht. Lena kann nicht anders außer zu grinsen und den Kopf zu schütteln. Er ist einfach unmöglich. Aber wenn sie ehrlich ist, so kann auch sie die Erschöpfung von vorhin noch ganz gut in ihren Beinen spüren. Auch wenn dies definitiv keine Themen sind, die hier vor Emma aufgegriffen werden sollten.
"Hab ich das?"
"Allerdings.."
Grinsend starrt sie ihn einfach an. Sie kann kaum glauben, was sein Lächeln und seine liebevollen Augen in ihr auslösen. Da ist noch immer das gleiche Verlangen, welches er eben zu stillen versuchte. Doch dann ist da auch noch viel mehr als Verlangen. Sicherheit. Vertrauen. Zuversicht.
Das Starren der beiden wird plötzlich von Emma unterbrochen, die beginnt fasziniert mit Lenas goldenen Ohrringen zu spielen. Lena löst langsam ihren Blick von Mark, dreht sich wieder zu dem kleinen Mädchen auf ihrem Schoß.
"Na gut, wenn das so ist, dann will ich auch ein Eis essen." sagt sie lächelnd zu Emma, die nur hastig nickt.
"Jaaaa. Papi, ich will aber ein Eis mit Konfetti."
"Du meinst die bunten Streusel?" fragt Mark dann lachend, nimmt Emma langsam wieder von Lena's Schoß damit diese sich weiter fertig machen kann. Lena betritt barfuß erneut das Bad, nimmt langsam das feuchte Handtuch vom Kopf und beginnt sich langsam die Haare zu kämmen. In ihr ungeschminktes und von der Dusche reinem Gesicht starrend lauscht sie der Konversation von Mark und Emma im Nebenraum. Sie kann nicht verleugnen, dass sie sich betrunken fühlt. Betrunken von Mark, von seiner Nähe, seiner Art sie anzusehen. Seiner Art, mit Emma zu reden. Wie bedeutungsvoll sich die letzten gemeinsamen Stunden doch angefühlt haben.
Es ist fast schon zu spät um sich einzureden, dass da nicht mehr ist.
Lena sieht erneut in den Spiegel, kämmt ihre Haare und atmet tief durch.

LOVEBOUND (German Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt